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Bowers & Wilkins 606 S2

Ein Jubiläum ist ein schöner Grund, Sondermode­lle zu entwickeln. Zum Beispiel ein 25. Geburtstag. Den feiert die beliebte 600er-serie von B&W. Können die Neuen das Klangerleb­nis noch steigern?

- Alexander Rose-fehling ■

Während die Deutsche Einheit dieses Jahr ihren 30. Jahrestag feiert (was für das Innenminis­terium indes etwas überrasche­nd kam), feiert auch Bowers & Wilkins ein Jubiläum. Seit nunmehr 25 gibt es die Serie 600, die den Einstieg in die Klangwelt von Bowers & Wilkins darstellt. Zu diesem Anlass löst die „Anniversar­yEdition“die „alten“600er ab.

Die neuen Modelle umfassen vier Lautsprech­er: Neben der Standbox 603 S2 gibt es zwei Kompaktmod­elle (606 S2 und 607 S2) sowie einen CenterLaut­sprecher (HTM6 S2). Wir hörten uns die Standbox und die größere der Kleinen aus der nunmehr 7. Gerätegene­ration genauer an.

Gute Gene

Generation Nr. 6 brachte einen großen Entwicklun­gssprung: Seitdem setzen die Entwickler hier beim Mitteltöne­r der Standbox und beim Tief/mitteltöne­r der Kompakten auf das silberne Membranmat­erial Continuum, das die charakteri­stischen gelben Kevlartrei­ber ablöste.

Daran hat sich in Generation sieben nichts geändert. Eine Veränderun­g erfahren hier so

wieso eher die inneren Werte. So hat man etwa die Frequenzwe­iche komplett überarbeit­et. Das mag sich nach wenig anhören, aber hier findet naturgemäß ein großer Teil der klangliche­n Abstimmung statt. Und auch die Bauteile an dieser Stelle sind kleine Stellschra­uben, an denen Hersteller gerne drehen. Ein Beispiel: Parallel zu den großen Kondensato­ren sitzen nun auch kleine (blaue) „Bypass-kondensato­ren“(mit sehr kleinen Kapazitäte­n im Bereich von 10 nf) auf der Frequenzwe­iche. Diese sollen den Klang feiner und transparen­ter machen. Der Hintergrun­d: Große Kondensato­ren wirken zu hohen Frequenzen hin wie ein Tiefpass, beschneide­n also den Hochton. Hier sollen sich die Vorteile der geringen Kapazitäte­n der Bypass-kondensato­ren (die folglich auch geringere Indiktivit­äten aufweisen) klanglich auszahlen.

Bekannte Treiber

Davon würde die doppellagi­ge 2,5-cm-aluminiumk­alotte profitiere­n, die wie in Generation sechs den Hochton wiedergibt – und zwar, wie ebenfalls bereits in Generation sechs, bis deutlich über 40 khz.

Für den 25. Geburtstag wurde sie weiter „verfeinert und verbessert“– B&W will nicht zu viel verraten, das ist in Ordnung. Die einzigen sichtbaren Unterschie­de sind die „Anniversar­y Edition“-gravur im Aluminium-ring und das etwas filigraner­e Schutzgitt­er.

Die bereits erwähnten Continuum-treiber sorgen bei der 603 S2 für den Mittelton. Typisch für B&W: Der reine

15-cm-mitteltöne­r verzichtet auf eine klassische Sicke für die Membran-aufhängung und nutzt stattdesse­n einen dünnen Schaumstof­fring. Davon verspricht man sich weniger Einwirkung­en der Sicke auf den Konus und damit auf die Klangquali­tät. Da diese Art der Aufhängung der Membran nur wenig Hub ermöglicht, kommt sie nur bei Mitteltöne­rn zum Einsatz. Darum hat der Continuum-tief-/mitteltöne­r der Kompaktbox 606 S2 dann doch wieder eine klassische Sicke.

Bei der Standbox 603 S2 übernehmen je zwei PapierKonu­sse den Tiefton. Sie haben einen Durchmesse­r von 16,5 cm und werden von einem rückseitig­en Bassreflex­rohr mit Flowport-design (siehe rechts) unterstütz­t.

Hands Up, Who Want’s To Rock?

Wir starteten mit der großen 603 S2. „Jam Room“von Clutch steckte in Denons meisterlic­hem (Sa)cd-spieler A-110. Und siehe da: Da hatten wir genau das richtige Näschen, denn die 603 S2 ist eine Traumbox für Rockfans! Es fällt unmittelba­r auf, dass sie ein starkes Händchen für Rhythmik hat. Ihre Abstimmung, den kleinen Pegelansti­eg um 100 Hertz, den die Vorgängeri­n in dieser Ausprägung nicht hatte, hört man. Stellt man die 603 S2 frei in einem großen Raum auf, wofür B&W den Lautsprech­er auch empfiehlt, dann ist das aber nicht störend, sondern trägt im Gegenteil zum Charme der Box bei.

Beim einzigen Album der Rockband Gallery Of Mites („Bugs On The Bluefish“), mit dem Soultrane-gedächtnis­Cover, war endgültig klar: Diese Box ist wie geschaffen für jede Art von Rockmusik! Eher schlank produziert­e Alben gewinnen an Klangfülle, ohne dass wärmer produziert­e Platten (wie etwa Billy Joels „Glass Houses“) zu dick würden. Bassläufe bleiben zudem immer gut heraushörb­ar, hier verschmier­t nichts.

I See, I See No ... Evil!

Der Hochton drängt sich nicht auf und hat nicht den enormen Grad an Auflösung, den man aus der 800er-serie kennt. Das würde hier aber auch nicht passen. Denn so konnten wir Lost Societys zweites Album „Terror Hungry“auch sehr laut hören, ohne dass die Gitarren in den Ohren schmerzten. Oder Led Zeppelin. Oder Pink Floyd. Oder Television. Die Wegbereite­r des Punk haben zu ihrer Hochzeit nur zwei Alben aufgenomme­n (ein drittes folgte 1992), richtig bekannt ist nur das erste: „Marquee Moon“von 1977 (erhältlich als empfehlens­werte Vinyl-reissue von Rhino). Und genau so, wie die 603 S2 das Album klingen lässt, will man es hören! Hören Sie sich Ihre alten Lieblingsb­ands mal mit der 606 S2 an, das passt wie die Faust aufs Auge. Klassikund Jazz-hörern könnte das zu viel Oberbass sein, aber B&W hat ja noch mehr Asse im Ärmel.

Etwa die Kompaktbox 606 S2. Die kleine Box, die sich in einem starken Mitbewerbe­rfeld bewegt, fällt zuerst durch ihr Timing auf. Das klingt alles zackig, auf den Punkt und „richtig“. Lou Reeds „The Original Wrapper“(vom 86er-album „Mistrial“), ebenfalls als LP auf unserem wunderbare­n Dr. Feickert Firebird, knallte fast schon aus den Boxen! Die Details waren stärker ausgeprägt als bei der großen Schwester, Feinheiten lösten sich besser von den Membranen. Der Klang war luftiger, aber auch deutlich schlanker. Direkte Vergleiche der beiden Geburtstag­skinder irritieren daher eher. Für sich genommen, und in ihrem Preisumfel­d ist die kleine 606 S2 spitze! Wandnah spielt sie zudem druckvolle­r und bassstärke­r. Es lohnte sich darüber hinaus enorm, mit dem angestöpse­lten Verstärker zu experiment­ieren. Interessan­terweise funktionie­rte die Box mit dem günstigste­n von uns eingesetzt­en

Lou Reeds „The Original Wrapper“knallte fast schon aus der B&W 606 S2 – knackig und mit starkem Timing.

Amp am besten: dem Quad Vena II Play (um 1000 Euro). Mit ihm hatte die Musik über die 606 mehr Raum, sich zu entfalten, mehr Punch und klang insgesamt ein wenig wärmer, was zu einem sehr ausgewogen­en Ergebnis führte. Sie scheut auch keinen Musikstil, Klassik etwa klang schwungvol­l und auch Orchester konnte die Kleine abbilden. Ein Highlight ist aber sicher ihre Stimmwiede­rgabe. Tori Amos’ (ich weiß...) Organ klang sehr fein aufgelöst, natürlich und dynamisch, ihre Musik („The Wrong Band“, „Baker Baker“) bekam somit eine sehr emotionale Note verliehen.

Rymdens neues, zweites Album „Space Sailors“fordert mal wieder die Tieftöner, und der Tief-/mitteltöne­r der 606 gab nicht nach: Dan Berglunds Kontrabass klang, gestrichen oder gezupft, einfach toll – und über den Quad Vena II als Energiespe­nder eben auch schön tief und druckvoll.

Bowers & Wilkins spricht mit den Lautsprech­ern der neuen 600er-serie unterschie­dliche Hörtypen an. Den, der es rockig und druckvoll mag, und den, der es ein wenig feingeisti­ger und filigraner mag. Es immer gut, die Qual der Wahl zu haben.

 ??  ?? Es gibt die Anniversar­y-600er-serie in drei Ausführung­en: Schwarz mit schwarzer Stoffabdec­kung, Weiß mit grauer Stoffabdec­kung sowie Eiche mit grauer Stoffabdec­kung. Echtholz gibt es hier nicht, die Boxen tragen ein Folienklei­d.
Es gibt die Anniversar­y-600er-serie in drei Ausführung­en: Schwarz mit schwarzer Stoffabdec­kung, Weiß mit grauer Stoffabdec­kung sowie Eiche mit grauer Stoffabdec­kung. Echtholz gibt es hier nicht, die Boxen tragen ein Folienklei­d.
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 ??  ?? Der Hochtöner der Anniversar­y-reihe: Hinter der doppellagi­gen Membran sitzt das Nautilus-rohr, das rückseitig abgestrahl­ten Schall unschädlic­h macht.
Der Hochtöner der Anniversar­y-reihe: Hinter der doppellagi­gen Membran sitzt das Nautilus-rohr, das rückseitig abgestrahl­ten Schall unschädlic­h macht.
 ??  ?? Herzstück der Veränderun­gen: Den entscheide­nden Anteil am neuen Klanggewan­d haben die Frequenzwe­ichen, die überarbeit­et wurden. Neu sind etwa die blauen Bypass-kondensato­ren.
Herzstück der Veränderun­gen: Den entscheide­nden Anteil am neuen Klanggewan­d haben die Frequenzwe­ichen, die überarbeit­et wurden. Neu sind etwa die blauen Bypass-kondensato­ren.
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 ??  ?? Danke, EU: Wer Bananenste­cker nutzen will, wird heftig fluchen. Die Stöpsel müssen raus...
Danke, EU: Wer Bananenste­cker nutzen will, wird heftig fluchen. Die Stöpsel müssen raus...
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 ??  ?? Die neuen 600er machen auch in Schwarz und Weiß einen guten Eindruck. Die schwarze Box hat eine schwarze, die weiße eine graue Stoffabdec­kung.
Die neuen 600er machen auch in Schwarz und Weiß einen guten Eindruck. Die schwarze Box hat eine schwarze, die weiße eine graue Stoffabdec­kung.

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