Bowers & Wilkins 606 S2
Ein Jubiläum ist ein schöner Grund, Sondermodelle zu entwickeln. Zum Beispiel ein 25. Geburtstag. Den feiert die beliebte 600er-serie von B&W. Können die Neuen das Klangerlebnis noch steigern?
Während die Deutsche Einheit dieses Jahr ihren 30. Jahrestag feiert (was für das Innenministerium indes etwas überraschend kam), feiert auch Bowers & Wilkins ein Jubiläum. Seit nunmehr 25 gibt es die Serie 600, die den Einstieg in die Klangwelt von Bowers & Wilkins darstellt. Zu diesem Anlass löst die „AnniversaryEdition“die „alten“600er ab.
Die neuen Modelle umfassen vier Lautsprecher: Neben der Standbox 603 S2 gibt es zwei Kompaktmodelle (606 S2 und 607 S2) sowie einen CenterLautsprecher (HTM6 S2). Wir hörten uns die Standbox und die größere der Kleinen aus der nunmehr 7. Gerätegeneration genauer an.
Gute Gene
Generation Nr. 6 brachte einen großen Entwicklungssprung: Seitdem setzen die Entwickler hier beim Mitteltöner der Standbox und beim Tief/mitteltöner der Kompakten auf das silberne Membranmaterial Continuum, das die charakteristischen gelben Kevlartreiber ablöste.
Daran hat sich in Generation sieben nichts geändert. Eine Veränderung erfahren hier so
wieso eher die inneren Werte. So hat man etwa die Frequenzweiche komplett überarbeitet. Das mag sich nach wenig anhören, aber hier findet naturgemäß ein großer Teil der klanglichen Abstimmung statt. Und auch die Bauteile an dieser Stelle sind kleine Stellschrauben, an denen Hersteller gerne drehen. Ein Beispiel: Parallel zu den großen Kondensatoren sitzen nun auch kleine (blaue) „Bypass-kondensatoren“(mit sehr kleinen Kapazitäten im Bereich von 10 nf) auf der Frequenzweiche. Diese sollen den Klang feiner und transparenter machen. Der Hintergrund: Große Kondensatoren wirken zu hohen Frequenzen hin wie ein Tiefpass, beschneiden also den Hochton. Hier sollen sich die Vorteile der geringen Kapazitäten der Bypass-kondensatoren (die folglich auch geringere Indiktivitäten aufweisen) klanglich auszahlen.
Bekannte Treiber
Davon würde die doppellagige 2,5-cm-aluminiumkalotte profitieren, die wie in Generation sechs den Hochton wiedergibt – und zwar, wie ebenfalls bereits in Generation sechs, bis deutlich über 40 khz.
Für den 25. Geburtstag wurde sie weiter „verfeinert und verbessert“– B&W will nicht zu viel verraten, das ist in Ordnung. Die einzigen sichtbaren Unterschiede sind die „Anniversary Edition“-gravur im Aluminium-ring und das etwas filigranere Schutzgitter.
Die bereits erwähnten Continuum-treiber sorgen bei der 603 S2 für den Mittelton. Typisch für B&W: Der reine
15-cm-mitteltöner verzichtet auf eine klassische Sicke für die Membran-aufhängung und nutzt stattdessen einen dünnen Schaumstoffring. Davon verspricht man sich weniger Einwirkungen der Sicke auf den Konus und damit auf die Klangqualität. Da diese Art der Aufhängung der Membran nur wenig Hub ermöglicht, kommt sie nur bei Mitteltönern zum Einsatz. Darum hat der Continuum-tief-/mitteltöner der Kompaktbox 606 S2 dann doch wieder eine klassische Sicke.
Bei der Standbox 603 S2 übernehmen je zwei PapierKonusse den Tiefton. Sie haben einen Durchmesser von 16,5 cm und werden von einem rückseitigen Bassreflexrohr mit Flowport-design (siehe rechts) unterstützt.
Hands Up, Who Want’s To Rock?
Wir starteten mit der großen 603 S2. „Jam Room“von Clutch steckte in Denons meisterlichem (Sa)cd-spieler A-110. Und siehe da: Da hatten wir genau das richtige Näschen, denn die 603 S2 ist eine Traumbox für Rockfans! Es fällt unmittelbar auf, dass sie ein starkes Händchen für Rhythmik hat. Ihre Abstimmung, den kleinen Pegelanstieg um 100 Hertz, den die Vorgängerin in dieser Ausprägung nicht hatte, hört man. Stellt man die 603 S2 frei in einem großen Raum auf, wofür B&W den Lautsprecher auch empfiehlt, dann ist das aber nicht störend, sondern trägt im Gegenteil zum Charme der Box bei.
Beim einzigen Album der Rockband Gallery Of Mites („Bugs On The Bluefish“), mit dem Soultrane-gedächtnisCover, war endgültig klar: Diese Box ist wie geschaffen für jede Art von Rockmusik! Eher schlank produzierte Alben gewinnen an Klangfülle, ohne dass wärmer produzierte Platten (wie etwa Billy Joels „Glass Houses“) zu dick würden. Bassläufe bleiben zudem immer gut heraushörbar, hier verschmiert nichts.
I See, I See No ... Evil!
Der Hochton drängt sich nicht auf und hat nicht den enormen Grad an Auflösung, den man aus der 800er-serie kennt. Das würde hier aber auch nicht passen. Denn so konnten wir Lost Societys zweites Album „Terror Hungry“auch sehr laut hören, ohne dass die Gitarren in den Ohren schmerzten. Oder Led Zeppelin. Oder Pink Floyd. Oder Television. Die Wegbereiter des Punk haben zu ihrer Hochzeit nur zwei Alben aufgenommen (ein drittes folgte 1992), richtig bekannt ist nur das erste: „Marquee Moon“von 1977 (erhältlich als empfehlenswerte Vinyl-reissue von Rhino). Und genau so, wie die 603 S2 das Album klingen lässt, will man es hören! Hören Sie sich Ihre alten Lieblingsbands mal mit der 606 S2 an, das passt wie die Faust aufs Auge. Klassikund Jazz-hörern könnte das zu viel Oberbass sein, aber B&W hat ja noch mehr Asse im Ärmel.
Etwa die Kompaktbox 606 S2. Die kleine Box, die sich in einem starken Mitbewerberfeld bewegt, fällt zuerst durch ihr Timing auf. Das klingt alles zackig, auf den Punkt und „richtig“. Lou Reeds „The Original Wrapper“(vom 86er-album „Mistrial“), ebenfalls als LP auf unserem wunderbaren Dr. Feickert Firebird, knallte fast schon aus den Boxen! Die Details waren stärker ausgeprägt als bei der großen Schwester, Feinheiten lösten sich besser von den Membranen. Der Klang war luftiger, aber auch deutlich schlanker. Direkte Vergleiche der beiden Geburtstagskinder irritieren daher eher. Für sich genommen, und in ihrem Preisumfeld ist die kleine 606 S2 spitze! Wandnah spielt sie zudem druckvoller und bassstärker. Es lohnte sich darüber hinaus enorm, mit dem angestöpselten Verstärker zu experimentieren. Interessanterweise funktionierte die Box mit dem günstigsten von uns eingesetzten
Lou Reeds „The Original Wrapper“knallte fast schon aus der B&W 606 S2 – knackig und mit starkem Timing.
Amp am besten: dem Quad Vena II Play (um 1000 Euro). Mit ihm hatte die Musik über die 606 mehr Raum, sich zu entfalten, mehr Punch und klang insgesamt ein wenig wärmer, was zu einem sehr ausgewogenen Ergebnis führte. Sie scheut auch keinen Musikstil, Klassik etwa klang schwungvoll und auch Orchester konnte die Kleine abbilden. Ein Highlight ist aber sicher ihre Stimmwiedergabe. Tori Amos’ (ich weiß...) Organ klang sehr fein aufgelöst, natürlich und dynamisch, ihre Musik („The Wrong Band“, „Baker Baker“) bekam somit eine sehr emotionale Note verliehen.
Rymdens neues, zweites Album „Space Sailors“fordert mal wieder die Tieftöner, und der Tief-/mitteltöner der 606 gab nicht nach: Dan Berglunds Kontrabass klang, gestrichen oder gezupft, einfach toll – und über den Quad Vena II als Energiespender eben auch schön tief und druckvoll.
Bowers & Wilkins spricht mit den Lautsprechern der neuen 600er-serie unterschiedliche Hörtypen an. Den, der es rockig und druckvoll mag, und den, der es ein wenig feingeistiger und filigraner mag. Es immer gut, die Qual der Wahl zu haben.