Die Kunst des großen Bogens
Eine Compilation, die sich über fünf Jahrzehnte erstreckt – kann das gut gehen? Im Falle der Sammlung von Filmscores aus der Produktion Brian Enos wirkt das erstaunlich stimmig. „Film Music 1976-2020“ist nicht Enos erstes Album mit Soundtracks, aber doch das erste, das aus Musik besteht, die nicht nur als Untermalung für Filme verwendet werden soll, sondern bereits als Soundtrack gedient hat. Die Zusammenstellung erfolgte mit viel Bedacht. Sicher hat man Filme berücksichtigt, die einiges Aufsehen erregt haben wie David Lynchs „Dune“, Michael Manns „Heat“oder Danny Boyles „Trainspotting“. Es sind aber auch viele Streifen dabei, die nur Kennern bekannt sein dürften. Besonderes Augenmerk liegt auf den Arbeiten des 1994 verstorbenen Regisseurs Derek Jarman, mit dem Eno eng zusammenarbeitete. Es handelt sich hier aber keineswegs um ein „Best Of Film Music“- oder „Classic Soundtracks“-album, sondern Eno erzählt eine Geschichte, der man nicht anmerkt, dass es im Grunde seine musikalische Lebensbeichte ist. Fünf Jahrzehnte verengen sich zu einer reichlichen Stunde kosmischer Eno-dröhnung
zwischen Ambient, No Wave, Minimal und Global Village. Visionäres komprimiert sich im Rückspiegel, verblasst aber zu keinem Zeitpunkt hinter einem Retro-schleier. Patina hat sich selbst auf den ältesten Tracks nicht gebildet, weder strukturell noch in der exquisiten Klangvorstellung. Alles besteht im Jetzt. Aus diesem Grund ist der Titel des Albums auch ein Stück weit irreführend. Indem aus all diesen Kompositionen eine stringente Erzählung wird, bestätigt sich Brian Enos kreative Sturheit, die ihn eben seit fünf Jahrzehnten zum unangefochtenen Primus seiner eigenen Klangwelt macht.wenn zum Beispiel auf das tranquile „Decline And Fall“von 2017 das rhythmisch akzentuierte „Prophecy Theme“aus „Dune“von 1984 folgt, öffnet sich zwischen diesen 33 Jahren überhaupt keine Kluft.