Hörbares Glück
Männer werden mit 40 gerne zickig. Sie entdecken im Spiegel, dass aus der starken Brust langsam eine Bierskulptur zu werden droht, die früher so stramme Haut am Hals sich erschreckend lappenartig verformt und Zeitungen offenbar alles immer kleiner zu schreiben scheinen. Ein Desaster, eigentlich, aber wenn man die Posts von Ibrahim Maalouf in den sozialen Netzwerken verfolgt, scheint es auch anders zu gehen. Da lacht einer fröhlich in die Kameras, bekommt von Gurus
wie Quincy Jones die Schulter geklopft und steht offenbar trotz aktuellem Krisenmodus auf der Sonnenseite des Lebens.vielleicht liegt es an seiner Musik, die zwar durchaus nicht immer fröhlich klingt, dafür aber auf eine grundlegende Art direkt, persönlich, packend. Maalouf, der in Jugendjahren mit seiner Familie aus dem Libanon nach Frankreich flüchtete und dort als Spross eines Musikerhaushalts schnell den Weg an die Konservatorien fand, hat sich während eines guten Jahrzehnts zu einem der faszinierendstentrompeter seiner Generation entwickelt, nicht nur weil er brillant und durch ein spezielles Vierventilinstrument auch stilistisch überraschend spielen kann, sondern weil er seine Hörer auf offensive Weise unmittelbar anspricht. Mit „40 Melodies“gönnt er sich den Luxus, 40 Stücke aus dem eigenen Repertoire in einer Instantversion im Duo mit seinem langjährigen Gitarrenpartner François Delporte neu zu interpretieren. Gäste wie die Bassisten Richard Bona, Marcus Miller, das Kronos Quartet, Sting, diesmal als Gitarrist, oder der Klarinettist Hüsnü Senlendirici stoßen vereinzelt dazu, als Gesprächspartner, Freunde,wegbegleiter. Im Kern aber geht es um Maaloufs Geschichten, seine beschwörend poetische Trompete und die Fähigkeit, viele Stilsprachen vom musikalisch Arabischen über die Balkantöne bis zum Funk und der klassischen Klarheit ineinanderlaufen zu lassen. Das kann neben hehrer Kunst auch ein Stück Glück bedeuten. Rd
Mister i.b.e. / h'art (75:10, 76:51)