Heilige Cäcilia der Fankurven
Da wabert kein Geist aus denweihrauchkesseln, aber die Musik erstarrt auch nicht im kalten Gestänge mechanischer Lautleise-dynamik, in der Nüchternheit einer sturen Helldunkel-ausleuchtung. Weder das neblige Mysterium noch die distanzierte Transparenz sind hier der wahre Anton. Sondern dass Bruckner wunderbar unverstellt klingen darf, entschlackt und natürlich durchhörbar, aber erfüllt von spiritueller Wärme. Selbstverständlich kommt dem Originalklinger Herreweghe und seinem luziden Collegium Vocale die hohe Schule jener Alten Musik zupass, die auch in der Retrospektive bei Bruckner nicht alt
aussieht - und erst recht nicht angegangen klingt. Sondern herrlich wie am ersten Tag. Namentlich der (sehr freizügige) Cäcilianismus in Kyrie und Sanctus der e-moll-messe legt hier jeden Schatten trübseliger Dogmatik ab, entfaltet dafür die Frische und Schönheit einer Palestrina-anverwandlung, die vom ersten bis zum letzten Ton aktuell und originell ist: mit den milden Mixturen der wie durch Glasfenster leuchtenden Farben, der plastischen Anmut der Linien, auch der strahlenden Kraft bis hinauf zur hohen A- und B-stratosphäre der furchtlosen Sopranistinnen.
Nichts in dieser Messe dampft und dröhnt, und solch kammermusikalischer Feinschliff kommt im Prinzip auch dem Te Deum, nun mit vollem Orchestersatz, zugute. Herreweghe nimmt erfreulich unverschleppte Tempi, durchpulst von der motorischen Energie der Ostinati – und doch verfehlt er, wie fast alle Aufnahmen, die eigentümliche Modernität dieser Musik, deren Wucht und harmonische Abgründe vom Zeitalter von Masse und Macht künden. Bruckners Te Deum ist ein stadiontauglicher Katholikentag, eine Anrufung der Heiligen Cäcilia der Fankurven. Dafür aber ist Herreweghes Chor viel zu klein, das Orchester heruntergepegelt, der Diskant zu wenig präsent.trotz allerverve: An der Brisanz deswerks geht die Interpretation vorbei. phi / Outhere LPH034 (51:40)