Gesamtkunstwerk für Fortgeschrittene
William Parker ist eher als impulsiver Free Jazz Bassist bekannt und weniger als Schöpfer umfassender Klangkonzepte. Doch eben einem solchen folgt er in dem Mammutwerk „Migration Of Silence Into And Out Of The Tone World“. Diese 10-CD-BOX ist keine Compilation, sondern ein Gesamtkunstwerk von zehn eigenständigen Suiten, die sich aber in ihrer Komplexität aufeinander beziehen. Der Bassist tritt hier als Interpret, Konzeptionalist, Komponist, Poet und Produzent in Erscheinung. Auf jeder CD tritt er mit einem anderen Kader an, der vom Solo-piano über ein Duo mit seinem Langzeitpartner Hamid Drake und ein Streichquartett bis hin zu großen Ensembles reicht. Ebenso weit gestreut sind die musikalischen Schwerpunkte des Werks. Harlem, New Orleans und Japan sind nur drei von vielen topografischen Schwerpunkten. Darüber hinaus verneigt sich William Parker aber beispielsweise auch vor den Filmregisseuren des italienischen Kinos des 20. Jahrhunderts.
Ein derart umfassendes, inhaltlich und stilistisch vergleichbar weit gefächertes Unterfangen hat es in der Musik noch nicht gegeben, weder in der Klassik noch in Pop oder Jazz. Gemessen am hohen Gesamtoutput William Parkers ist es umso erstaunlicher, dass er ein Werk wie dieses in der entsprechenden künstlerischen Qualität einfach mal so dazwischenschieben kann. Doch Parker betont, dass er keinem Masterplan folgt, sondern ausschließlich seiner Intuition. Und wenn sich ein Mensch und Künstler wie er mit so vielen unterschiedlichen Fragen beschäftigt, warum soll das nicht auch mal in einem einzigen Werk kulminieren? „Migrations“ist keine Produktion, die man mal so nebenbei weghören kann. Dieses Konzept verlangt Zeit, um sich peu à peu zu entblättern. Ob man es je ganz erfassen kann? Wahrscheinlich nicht. Aber gerade das macht bei allem konzeptionellen Kalkül eben doch die Lebensnähe dieser Box aus, denn die komplexen Fragen des Lebens lassen sich nicht auf einfache Formeln bringen.
Aum Fidelity / Galileo Mc (9:48:13, 10 CDS)