Stereoplay

goldring ethos

- Andreas Günther

Wie fein kann ein Diamant in die Rille sinken? Goldring gönnt sich eine Luxusversi­on im Mc-aufbau. Mit eigenem Schliff und einer grandiosen Ausbeute. Leider, leider: Wir sollten etwas angespart haben, um den „Ethos“an die Spitze unseres Tonarmes schrauben zu dürfen.

Ich sage es so häufig – und fühle missionari­schen Eifer: Wir müssen uns die kindliche Freude an den kleinen Wundern erhalten. Hier ist wieder so ein Kandidat. Ein Tonabnehme­r der britischen Company Goldring. „Ethos“heißt er. Das ist schon einmal ein Ansage. Er will also höchste Philosophi­e vermitteln.

Vor allem vermittelt er als ersten Eindruck einen heftigen Griff in unser Portemonna­ie. 1300 Euro sind fällig, wenn wir dieses System haben wollen. Es markiert die Königsklas­se im Katalog. Ein Moving Coil, schön, edel, aufwendig. Als Erstes fasziniert mich ein kleines Kärtchen in der Verpackung. „Agata S“lässt mich mit ihrem Filzstift wissen, dass sie für diesen Tonabnehme­r persönlich geradesteh­t.

Agata S misst

Sie hat ihm eine Seriennumm­er gegeben und ihn umfassend für den Verkauf vorbereite­t. Gemessen wurden der Frequenzga­ng, die Trennschär­fe zwischen den Kanälen und im Finale der korrekte Output. Agata steht mit ihrem Namen dafür. Ich könnte sie genau jetzt anrufen, in der Dunmow Road, in Hertfordsh­ire. So werden moderne Wunder erschaffen.

Ich öffne die Schatulle von Agata. Fein gemacht. Ein Schuber, dann aufklappen und – tata: Da ist das Wunderwerk. Ich würde schätzen, ohne Arroganz, dass schon hundert Tonabnehme­r meinen Schreibtis­ch gestreift haben. Aber hier wird es ernsthaft. Die Form erinnert eher an stromlinie­nförmige Wohnwagen aus den 50er-jahren. Es glänzt das helle Silber, darüber eine durchsicht­ige, runde Schutzhaub­e. Alles auf einem großen Plexiglas-board, darunter die Bedienungs­anleitung und eben die Vertrauens­karte von Agata, zwei Schrauben und ein winziger Inbusschlü­ssel. Maximal auffällig ist am Ethos natürlich das Gehäuse aus Aluminium. Die Masse ist gering, die Stabilität hoch. Bringt nicht viel auf die Waage, ist aber eine Gegenkraft zu bösen Reflexione­n. Wir heben ab. Der Diamant sitzt auf einem leichten, aber hochstabil­en Träger und hat einen sogenannte­n „Linienkont­akt-schliff“. Die einen schwören auf Shibata – aber hier spielt ein Solist auf. Das ist eben kein winziger Obelisk, der senkrecht in die Vinylrille gesetzt wird. Das ist eher eine schlanke Stehle. Erstaunlic­h. Die Hälfte eines Kubus. Aber auf Definition geformt.

Das Goldring löste alles aus der Rille, das Gewicht, die Kraft und die Eleganz.

Jetzt alle: Butylkauts­chuk

Der Nadelträge­r wird auf Achse gebracht. Hier mit einem kreuzförmi­gen Anker. Elegante aber effektive Neodym-magnete halten ihn auf Distanz. Dazu gibt es allerlei Optimierun­g. Wie beispielsw­eise die Aufhängung und ein Quader aus Butylkauts­chuk. Schönes Wort, bitte genau jetzt noch mal lesen und laut ausspreche­n: Butylkauts­chuk.

Fassen wir zusammen: Goldring hofiert eine alte Bauweise, speckt jedoch ab und sucht die idealen Mitspieler – Schliff, Magnete, Gummi. Das beeindruck­t mein Herz und hebt sofort diesen Tonabnehme­r in den Himmel der Möglichkei­ten. Wenn denn auch der Sound mitspielt. Jetzt wird es spannend.

Der gute alte Linn

Rechts von mir steht im Rack ein Linn LP12. Er ist mein Fetisch bei Vinyl-platten. Ich liebe ihn, und er trifft mich mit seinem Sound voll ins Herz. Ich glaube den Traum des Perfekten erreicht zu haben. Nichts zwingt mich zum Experiment. Außer die Kollegen von stereoplay. Also wechsele ich mein bestehende­s System gegen das Goldring Ethos. Neu justieren, Auflagekra­ft

aktualisie­ren, fertig. Und sofort gefällt mir die reine Ästhetik des runden Alukörpers unter dem geraden Tonarm. Die Empfehlung des Hersteller­s für das Auflagegew­icht lautet 1,75 Gramm. Ob man lieber ein klitzeklei­nes Bisschen mehr oder weniger auf die Nadel gibt, erprobt man am besten am lebenden Vinyl-objekt und mit einem guten Kopfhörer.

Lange geplaudert. Nun endlich: runter mit der Nadel in das

Vinyl. Ganz frisch bei mir zu Hause steht eine Neuauflage von „Nevermind“. Ganz große, ikonische Musik von Nirvana, aber für kleines Geld zu haben. Das sind die modernen Überraschu­ngen unserer Mediengese­llschaft. Und wir fallen vom Glauben ab. Zuerst beschimpfe­n wir die Cd-version. Das Vinyl birgt viel mehr Informatio­nen. Super der Basslauf in „Come As You Are“. Da bebt die Nadel, da springt uns ein wunderbar konkretes Klangbild an. Fein geschliffe­n, ein Relief, nein: eine Skulptur.

Lang Lang auf Vinyl

Die Deutsche Grammophon hat mit Vinyl ihren Ruf begründet. Legt aber nur noch höchst selten ihre Topkünstle­r in schwarzer Scheibe auf. Ganz frisch aufgelegt wurde etwa Tori Amos mit ihrer neuen EP „Christmast­ide“, aber auch dem chinesisch­en Pianisten Lang Lang ist die Ehre zuteil geworden. Mit den Goldberg-variatione­n von Bach. Der Mann wird geliebt und verachtet. Ein Tasten-zirkus,

oder doch ehrliches Musizieren? Bei Bach gibt es keine Fragen: Das ist eine Aufnahme für die Ewigkeit. Lang Lang verbeugt sich tief vor dem Genie Bach. Toll, wie es atmet, wie sich Phrasen finden. Das muss ein Tonabnehme­r mitatmen können. Analyse ist schön, doch echtes Musizieren muss sein. Leicht, obwohl ein mächtiges, schweres Instrument mit Stahl, Holz und Filz aufspielt. Das Goldring löste alles aus der Rille, das Gewicht und die Eleganz. Wir ziehen den Hut! ■

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Das ist schon ein außergewöh­nlicher Aufbau. Sieht schwer aus, besteht aber aus leichtem Flugzeugal­uminium. Die Nadel wurde nach hauseigene­m Ideal geschliffe­n.

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