vtl Lt-2.5i
Die Assoziation von Röhren-hifi mit „Made in China“liegt nahe. Doch diese Vorstufe kommt aus Chino in Kalifornien – gebaut in Handarbeit. Und wer die Phono-option ordert, darf selbst unterm Deckel Hand anlegen.
Man kann wohl trotz einer treuen Fan-gemeinde nicht behaupten, dass Röhren mehr als 90 Jahre nach Erfindung des Transistors Allgemeingut sind. Doch so richtig exklusiv wird es, wenn man den Namen VTL richtig einordnen kann. Nein, es ist kein Aktienkürzel, sondern eine 1987 gegründete Audioschmiede mit Sitz und Produktion in Chino, Kalifornien. Dahinter stand der Aufnahme- und Film-profi David Manley, der schon zu Beginn der 80er-jahre in Südafrika seine ersten Audioprodukte entwickelte. Die Produktion begann 1983 in Großbritannien und wanderte einige Jahre später nach Rhode Island in den USA ab, bevor man sich 1987 am heutigen Standort niederließ.
Die lange Tradition, der kosmopolitische Background und vor allem die lange Studio-erfahrung spiegeln sich in den Geräten noch heute. Ein absolutes Highlight markiert dabei der VTL TL-2.5I Performance Pre-amp. Wer bereit ist, etwas mehr als ein Drittel Aufpreis zu zahlen, der bekommt das 6000 Euro teure Basismodell der Vorstufe auch mit Phono-eingang.
Interessante Option
Doch wie der Preis von 9300 Euro nahelegt, steckt hinter den beiden, massiven, vergoldeten Buchsen auf der rechten Gehäuseseite eine ganze Menge technischer Aufwand im Innern. Für die Kenner der Marke, braucht man es eigentlich nicht zu erwähnen, weil es in der
DNA von VTL verankert ist: Die vom TP-2.5 Series II Phono Preamplifier abgeleitete PhonoSektion wurde selbstverständlich mit maximalem Aufwand diskret aufgebaut. Und mit Röhren – was für Insider ebenso selbstverständlich ist. Die auch nachträglich nachrüstbare Phono-stufe wartet mit einer Hybrid-konstruktion aus JFETS und 12Au7-röhren für die MCStufe sowie einer auf Röhren vom Typ 12Ax7-basierender Split-pol-riaa-entzerrer-stufe auf. Auch eine umfassende
Filterung gegen Störungen durch hochfrequente Einstrahlungen gehört zum Schaltungskonzept.
Individuelle Anpassung
Der Benutzer kann den TL-2.5I präzise an den jeweiligen Tonabnehmer anpassen. Für Mcsysteme stehen 100, 250, 470, 1K, 4,7K oder 47K Ohm zur Wahl. Bei Mm-systemen sind 47K und 100K Ohm einstellbar.
Auch der Verstärkungsfaktor lässt sich nach Bedarf anpassen. Für Mc-tonabnehmer sind 52
So unspektakulär kann Top-high-end ausschauen: Der schlichte Vorverstärker birgt im Innern ein Röhren-kleinod.
oder 58 db verfügbar, bei MM liegt die Verstärkung einheitlich bei 37 db.
Mehr Gain gefällig?
Es gibt sogar noch eine Einstellung namens MC Step Up, die das Eingangssignal um gleich 60 db anhebt, was dazu führt, dass hier Röhren zu Gunsten eines hohen Störabstands außen vor bleiben. Für Mc-signale vertraut VTL TL-2.5I nämlich auf eine 12Au7-röhre im Phono-zweig, bei Mm-systemen auf deren zwei.
Wer die Einstellungen vornimmt bekommt nicht nur einen tieferen Einblick in die aufwendige Technik unter der Haube, er muss auch selbst Einsatz zeigen und für jeden Kanal winzige Brücken an vorbestimmter Stelle auf der Phono-platine einsetzen. Wer sich dabei nicht in die Zeiten der Pionierarbeit mit dem Kosmos-baukasten „Der kleine Elektroniker“zurückversetzt sieht, hatte entweder eine reichlich traurige Jugend oder ist noch feucht hinter den Ohren. Baby Boomer dürfte der Vtl-vorverstärker jedenfalls auf eine erkenntnisreiche Zeitreise schicken, wobei selbst die erwähnten Baukästen in den 60ern durchgehend auf Transistoren vertrauten.
Röhre als Mittel der Wahl
Dagegen scheint im Hause VTL die Devise vorzuherrschen: „Nimm niemals einen Transistor für etwas, das du auch mit einer Röhre bewerkstelligen kannst.“Das Herzstück und sozusagen für Röhren-liebhaber auch rotglimmendes Highlight der eigentlichen Vorstufen-sektion sind je zwei Doppel-trioden 12AU7 und 12AT7.
Es handelt sich um eine reine Röhrenschaltung mit Hochstromausgang für niedrige Impedanz. Damit soll die VTLVorstufe Verstärkerlasten bis zu 45 kohm ohne hörbaren Bassabfall bewältigen. VTL vertraut auf steife Netzteile für jede einzelne Verstärkungsstufe. Der Benutzer kann zwischen normaler und niedriger Verstärkung (8 oder 14 db) in der Line-stufe auswählen. Für Hochpegel
Signale stehen sechs vergoldete Line-eingänge bereit. Der Einbau des Phono-moduls fordert hier aber ein Opfer. In unserer Variante standen nur fünf Line-eingänge zur Verfügung. Zwei Paare von Cinch-ausgängen ermöglichen das Einschleifen von Heimkino-prozessoren oder Aufnahmegeräten. Darüber hinaus wartet der VTL TL2.5i bei allem Purismus mit einer Monofunktion für seine Line- und Phono-eingänge auf.
Reiner Klang als Ziel
Hinter allen Schaltungen steht der Markenanspruch, möglichst einfache und direkte Signalpfade für reinen Klang und hohe Zuverlässigkeit zu realisieren. Das schließt aber einen gewissen Detailaufwand keinesfalls aus. Lautstärke- und BalanceRegler mit Laser-trimmung sollen den audiophilen Anspruch unterstreichen. Die hochwertigen, vergoldeten
Cinch-buchsen werden extra für VTL gefertigt. Die Schaltungen fußen auf nach hohen Standards konzipierten Glasfaserplatinen mit dicken Kupferleiterbahnen.
Massive Machart
Das schwere, steife Chassis soll ebenfalls seinen Teil zum Wohlklang beitragen. Ebenso die abgeschirmten Netztrafos mit extrem geringer Störstrahlung.
Die aus dem Vollen gefrästen Aluminium-knöpfe erfüllen primär die Aufgabe, die Haptik zu steigern.
Kurzweiliger Hörtest
Im Hörraum fühlten wir zuerst der Phono-sektion auf den Zahn, der ein Ruf wie Donnerhall
vorauseilte. Und siehe da, der VTL haute uns gelinde gesagt um. Was die Phono-option im Gegenwert einer ganzen Hifi-kette leistete, äußerte sich gerade im direkten Vergleich mit wahren Meistern des Fachs. Lief zuvor die tolle Sugden Masterclass PA-4 (Test in stereoplay Ausgabe 04/17) schien es an rein gar nichts zu fehlen. Doch welch eine Überraschung. Nach dem Wechsel der Elektronik rückte der VTL die Wahrnehmung zurecht: Plötzlich besaß die Musik mehr Druck, mehr Punch, mehr Saft. Die Klangfarben leuchteten strahlender und die Raumabbildung nahm gerade in Höhe und Tiefe nochmal zu. Kollege Alexander Rose-fehling fasste das Unfassbare in einem einzigen Wort zusammen: Irre!
Packende Performance
Tom Pettys Klassiker „Time To Move On“begeisterte mit einem federnden, sehr tiefen Bass und extrem vielen Gitarrendetails. Stichwort Details: Ob im Phono- oder im Line-betrieb, der VTL 2.5i findet sie selbst in vermeintlich bestens bekannten Aufnahmen, dort, wo wir sie bisher nur erahnten. Trotz dieser tiefergehenden Enthüllungsarbeit ließ er keinen Hang zum Sezieren erkennen. Doch trotz aller Befürchtungen, die Röhren bei nüchternen Transistortreuen mitunter wecken, besaß er anders als mancher hochdekorierte Spiegel-autor auch keinen Hang, der akustischen Wahrheit etwas hinzuzudichten. Dabei traf der TL-2.5I immer den richtigen Ton, blieb im Hochton immer unaufdringlich, aber präsent.
Vinyl-freunde sollten unbedingt die optionale Phono-sektion ordern. Damit glänzt schwarzes Gold heller.
Macht Laune
Man konnte mit dem TL-2.5I vortrefflich Rock- und PopAlben genießen. Doch so richtig farbenfroh und eindrucksvoll konnte er den extrem hohen Konstruktionsaufwand gerade im Phono-bereich mit Vinylschätzen aus den Genres Jazz oder Klassik vor Augen beziehungsweise Ohren führen. Hier sammelte er noch mehr Pluspunkte, was Detailverliebtheit und Raumabbildung betrifft. Diese emotional vereinnahmende Performance wirkte manchmal fast schon zu schön um wahr – sprich neutral – zu sein, aber es machte einfach richtig viel Spaß, diesem tollen Teil bei der Arbeit zuzuhören – und das, obwohl Zuhören zentraler Bestandteil unserer Arbeit ist, um die uns jetzt wahrscheinlich noch mehr Leser und Leserinnen beneiden dürften.
Arbeit oder Vergnügen?
Hoffentlich liest das nicht unser nie um neue Abgaben-ideen verlegener Finanzminister. Sonst könnte er es am Ende als Steilvorlage für die Forderung nach einer Vergnügungssteuer auf die Gehälter der stereoplayRedakteure und -Autoren verwenden. Schließlich stehen im Herbst Wahlen ins Haus. Aber sicher können wir dann eine Mehrbelastung durch das hohe Gewicht von über 10 Kilogramm als Ausgleich gegenrechnen. Da wiegt mancher kraftstrotzende Vollverstärker einiges weniger. Womit wir zum Schluss bei der Erkenntnis des Berichts über den VTL TL2.5i angekommen sind: Von nichts kommt nichts. Oder kurz mit den Worten von Kollege Rose-fehling gesagt: geiles Teil!