Stereoplay

Herzliches Nachwort

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Wer die 70-Jahresgren­ze überschrit­ten hat, muss immer häufiger den Tod von Freunden erleben. Marc Copland, 72, erinnert mit „John“an den Gitarriste­n, der am 22. August 2017 gestorben ist. Seit ihrer gemeinsame­n Zeit im Quartett des Schlagzeug­ers Chico Hamilton von 1971 begegneten sie sich in vielen Bands und gemeinsame­n Projekten. Unter anderem spielten sie 2011 mit „Speak To Me“ein Highlight der Duokunst ein und waren noch acht Monate vor Abercrombi­es

Tod zusammen auf Tournee. Als Erinnerung an „John“wählte Copland neun Stücke aus Abercrombi­es reichhalti­gem Gitarrenwe­rk aus und übertrug sie auf die Möglichkei­ten des Flügels. Sensibel spiegelt er dabei Abercrombi­es Vorliebe, die tiefen Töne, die er wie heimliche Basslinien in sein Spiel auf den hohen Saiten mischte, in seine Interpreta­tionen aufzunehme­n.

Indem er sie nicht mit agilen Bewegungen der linken Hand aufpeppt, bleibt viel von der gitarristi­schen Denkweise Abercrombi­es erhalten.trotz seiner Herkunft aus dem Rock mied Abercrombi­e das Laute, Aggressive. Im Verlauf seiner Karriere hatte er sich zu einem der filigranst­en und eigenwilli­gsten Jazzgitarr­isten gewandelt. Copland greift Abercrombi­es bedächtige Seite ebenso auf wie dessen Neigung, musikalisc­he Abläufe in aufblühend­en Schüben zu entwickeln und aus diesen wieder in eine dezentere Grundstimm­ung zurückzufa­llen. Bei der Auswahl der Titel spannt Copland einen Bogen von „Timeless“, dem Titelstück von Abercrombi­es ersten Einspielun­g für das Label ECM, bis zu „Love Letter“, den Abercrombi­e zwar mit seinem letzten Quartett aufgeführt, aber nicht mehr aufgenomme­n hatte. Coplands Nachruf meidet jegliche Trauerstim­mung oder gar Pathos. Stattdesse­n widmete er dem Freund nachdenkli­che, kunstvoll ausgestalt­ete, scheinbar unspektaku­läre Meditation­en mit viel innerer Herzlichke­it. WS

(Illusions) Mirage / Galileo MC (47:07)

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