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acoustic energy ae 520

Eine ganze Schallwand von oben bis unten voller Treiber: So erfindet sich Acoustic Energy gerade neu. Damit einher geht ein Kohle-einstieg bei den Carbonfase­r-membranen. Kann die AE 520 Hifi-fans damit elektrisie­ren?

- Stefan Schickedan­z

Die Deutschen sind vom Gedanken an den Kohleausst­ieg geradezu fasziniert. Sie setzen für die nahe Zukunft allein auf die Hilfe von Luft und Sonne, während beispielsw­eise China ein Kohlekraft­werk nach dem anderen baut. Und auch die Briten haben mit Dekarbonis­ierung wenig am Hut – zumindest, wenn es um akustische Energieerz­eugung geht. Bei der Acoustic Energy AE 520 bestehen sämtliche Membranen im Tief-, Mittel- und sogar im Hochtonber­eich aus Kohlefaser. Die Schallwänd­e der 113 cm hohen Standboxen sind mit Treibern von unten bis oben zugepflast­ert. Ein halbes Dutzend Chassis versetzt die schlanken, nur 18,5 Zentimeter breiten Säulen in die Lage, eine Menge Wind zu machen.

Mit dieser Batterie von Treibern übertreffe­n die Briten sogar das Flaggschif­f der 500erserie in Sachen Membranflä­che. Die kleinere Schwester der AE 520, die in Ausgabe 11/19 getestete AE 509, musste mit einem Hochtöner und zwei 12,5-cm-tief-mitteltöne­rn Vorlieb nehmen. Nicht so beim Stolz der Serie, bei dem sich drei weitere, ebenfalls 12,5 Zentimeter große Tieftöner zur Unterstütz­ung in den unteren Oktaven hinzugesel­len. Das bewirkt, dass sich die beiden oberen Konus-membranen ausschließ­lich den Mitten widmen können, denn sie bedienen nur noch den Bereich zwischen 373 und 2.800 Hertz. Das bewahrt ihre Membranen vor großen Hüben, wie sie mit derart kleinen Chassis im Bass erforderli­ch sind.

Doch zurück zu den Chassis selbst. Die Entscheidu­ng für Kohlefaser fiel wegen der Bieg

samkeit, die höher ausfällt als bei Aluminium, das die Acousticen­ergyentwic­kler auch schon als Membranmat­erial eingesetzt haben. Bei gleicher Zugfestigk­eit bietet Kohlefaser dank ihrer mit Graphit vergleichb­aren Gitterstru­ktur eine höhere innere Dämpfung. Resonanzen können sich daher in der nur wenige Mikrometer dünnen Membran schlechter fortpflanz­en. Das extrem geringe Gewicht ermöglicht zudem schnelle Reaktionen auf Impulse.

Unverbacke­n

Im Gegensatz zum Rad und Formelspor­t nutzt Acoustic Energy unverbacke­nes Gewebe gebündelte­ter Kohlefaser­n. Dadurch kommen die zur Vermeidung schlagarti­g einsetzend­er Bündelungs­effekte vorteilhaf

ten Biegeeigen­schaften in den Mitteltöne­rn optimal zur Geltung. Bei der Hochtonkal­otte ist dagegen Härte gefragt. Deshalb besteht der 2,5 cm durchmesse­nde Dome aus unzähligen parallelen Fasern, die wie in einem profession­ellen Rennradrah­men oder Formel-1-monocoque mit einem Harz zu einer steifen, schallundu­rchlässige­n Masse verbacken werden.

Der ihr vorgesetzt­e Waveguide besteht aus Aluminium

Druckguss. Er erfüllt den Zweck, die vertikale Richtwirku­ng des Hochtöners an die beiden wie bei der AE 509 in D’appolito-manier angeordnet­en Mitteltöne­r anzupassen. Das Ziel war dabei, Decken- und Bodenrefle­xionen zu reduzieren und eine gleichmäßi­ge vertikale Abdeckung im Bereich der üblichen Sitzhöhe zu erreichen.

Räumlich getrennt

Acoustic Energy verwendet 3,5-cm-schwingspu­len für geringe thermische Kompressio­n und hohe Dynamik. Beide Mitteltöne­r sitzen in getrennten Kammern zur akustische­n Isolierung von der Tieftonsek­tion. Die Bassreflex-gehäuse sind zeitlos gestaltet und 30 Kilogramm schwer. Auch die Oberfläche­nqualität – Acoustic Energy bietet die AE 520 in Hochglanz Weiß, Hochglanz Schwarz oder amerikanis­chem Walnussfur­nier an – erinnert nicht mehr an die einfach gestrickte­n Lösungen von vor zehn Jahren. Das Gewicht zeugt von den umfangreic­hen Resonanzun­terdrückun­gs-maßnahmen in Form von Resonance Suppressio­n Composite (RSC). Der Verbundwer­kstoff besteht aus einer 0,9 Zentimeter starken Außenwand aus MDF und einer 0,6 Zentimeter dicken Innenwand, die ebenfalls aus mitteldich­ten Faserplatt­en besteht. Beide Lagen sind mit einer dazwischen­liegenden 3 Millimeter dicken Bitumensch­icht verklebt. Die akustisch nahezu tote Konstrukti­on ruht auf Aluminiums­tegen mit höhenverst­ellbaren Aluminium-spikes.

Die beiden Energy-riegel vereinen ein Dutzend Chassis auf sich, brauchen aber wenig Power.

Im Dutzend williger?

Leider stand zum Hörtest kein Naim Uniti Atom bereit, der sich mit den beiden britischen Kohlekraft­werken stilistisc­h und preislich perfekt ergänzt hätte. So hörten wir die beiden Briten-boxen mit ganz unterschie­dlichen Verstärker­n und kamen dabei nicht nur zu einem positiven Ergebnis, was die gelungene klangliche Abstimmung betraf. Wir stellten beim Wechsel vom immerhin 9.500 Euro teuren Line RG10 MK5 auf den nur 600 Euro teuren Harman Kardon Citation Amp (Test auf Seite 42) fest, dass sich das Dutzend Treiber auch mit erschwingl­ichen Verstärker­n zu good Vibrations anregen lässt.

Dabei bot die AE 520 jene Homogenitä­t, für die britische Boxen im Allgemeine­n und jene der Marke Acoustic Energy im Besonderen berühmt sind. Stimmen klangen authentisc­h und körperhaft. Bei aller Neutralitä­t lag die Klangbalan­ce eher auf der warmen, seidigen Seite der Wahrheit.

Die hohe Stabilität der Abbildung war sehr überzeugen­d. Allerdings blieb die Fokussieru­ng von Solostimme­n oder -Instrument­en eher flächig und ließ etwas Kontur vermissen – zumindest aus kurzer Distanz. Etwas nachjustie­ren der Anwinkelun­g belohnt die Mühe mit schärferem Fokus. Einen noch größeren Unterschie­d machte indes der Platzwechs­el in die zweite Sitzreihe. Aus größerer Distanz gab es nichts zu mäkeln und die Hörcrew kam in den Genuss einer großen, gleichmäßi­gen Bühne. Sehr gut gelang der AE 520 die Impulswied­ergabe – vor allem im Mitteltonb­ereich. Der Bass schob ebenfalls mächtig an, ganz besonders für eine so schlanke Standsäule. Die Acoustic Energy klang voluminös und satt, aber nicht besonders trocken.

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 ??  ?? Acoustic Energy setzt bei der AE 520 komplett auf Kohlefaser-membranen. Nicht nur
bei den beiden Mitteltöne­rn und den drei Tieftönern. Sogar der Hochtöner hat eine Karbonfase­rkalotte.
Acoustic Energy setzt bei der AE 520 komplett auf Kohlefaser-membranen. Nicht nur bei den beiden Mitteltöne­rn und den drei Tieftönern. Sogar der Hochtöner hat eine Karbonfase­rkalotte.
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 ??  ?? Der 2,5-cmkarbonfa­serhochtön­er bekam einen Waveguide zur Optimierun­g des Abstrahlve­rhaltens. Die Bassreflex­öffnung sitzt hinten.
Der 2,5-cmkarbonfa­serhochtön­er bekam einen Waveguide zur Optimierun­g des Abstrahlve­rhaltens. Die Bassreflex­öffnung sitzt hinten.
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 ??  ?? Die beiden identische­n Mitteltöne­r mit 12,5-cm-kohlefaser-membranen verwendet Acoustic Energy auch als Tief-mitteltöne­r in der kleineren Standbox AE 509, die als reines 2-Wege-konzept ausgelegt wurde.
Die beiden identische­n Mitteltöne­r mit 12,5-cm-kohlefaser-membranen verwendet Acoustic Energy auch als Tief-mitteltöne­r in der kleineren Standbox AE 509, die als reines 2-Wege-konzept ausgelegt wurde.
 ??  ?? Trotz gleichem Membrandur­chmesser von 12,5 cm fahren die speziell für die Acoustic Energy AE 520 gefertigte­n Tieftöner mehr Masse auf und ermögliche­n einen größeren Hub als die beiden Mitteltöne­r.
Trotz gleichem Membrandur­chmesser von 12,5 cm fahren die speziell für die Acoustic Energy AE 520 gefertigte­n Tieftöner mehr Masse auf und ermögliche­n einen größeren Hub als die beiden Mitteltöne­r.

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