acoustic energy ae 520
Eine ganze Schallwand von oben bis unten voller Treiber: So erfindet sich Acoustic Energy gerade neu. Damit einher geht ein Kohle-einstieg bei den Carbonfaser-membranen. Kann die AE 520 Hifi-fans damit elektrisieren?
Die Deutschen sind vom Gedanken an den Kohleausstieg geradezu fasziniert. Sie setzen für die nahe Zukunft allein auf die Hilfe von Luft und Sonne, während beispielsweise China ein Kohlekraftwerk nach dem anderen baut. Und auch die Briten haben mit Dekarbonisierung wenig am Hut – zumindest, wenn es um akustische Energieerzeugung geht. Bei der Acoustic Energy AE 520 bestehen sämtliche Membranen im Tief-, Mittel- und sogar im Hochtonbereich aus Kohlefaser. Die Schallwände der 113 cm hohen Standboxen sind mit Treibern von unten bis oben zugepflastert. Ein halbes Dutzend Chassis versetzt die schlanken, nur 18,5 Zentimeter breiten Säulen in die Lage, eine Menge Wind zu machen.
Mit dieser Batterie von Treibern übertreffen die Briten sogar das Flaggschiff der 500erserie in Sachen Membranfläche. Die kleinere Schwester der AE 520, die in Ausgabe 11/19 getestete AE 509, musste mit einem Hochtöner und zwei 12,5-cm-tief-mitteltönern Vorlieb nehmen. Nicht so beim Stolz der Serie, bei dem sich drei weitere, ebenfalls 12,5 Zentimeter große Tieftöner zur Unterstützung in den unteren Oktaven hinzugesellen. Das bewirkt, dass sich die beiden oberen Konus-membranen ausschließlich den Mitten widmen können, denn sie bedienen nur noch den Bereich zwischen 373 und 2.800 Hertz. Das bewahrt ihre Membranen vor großen Hüben, wie sie mit derart kleinen Chassis im Bass erforderlich sind.
Doch zurück zu den Chassis selbst. Die Entscheidung für Kohlefaser fiel wegen der Bieg
samkeit, die höher ausfällt als bei Aluminium, das die Acousticenergyentwickler auch schon als Membranmaterial eingesetzt haben. Bei gleicher Zugfestigkeit bietet Kohlefaser dank ihrer mit Graphit vergleichbaren Gitterstruktur eine höhere innere Dämpfung. Resonanzen können sich daher in der nur wenige Mikrometer dünnen Membran schlechter fortpflanzen. Das extrem geringe Gewicht ermöglicht zudem schnelle Reaktionen auf Impulse.
Unverbacken
Im Gegensatz zum Rad und Formelsport nutzt Acoustic Energy unverbackenes Gewebe gebündelteter Kohlefasern. Dadurch kommen die zur Vermeidung schlagartig einsetzender Bündelungseffekte vorteilhaf
ten Biegeeigenschaften in den Mitteltönern optimal zur Geltung. Bei der Hochtonkalotte ist dagegen Härte gefragt. Deshalb besteht der 2,5 cm durchmessende Dome aus unzähligen parallelen Fasern, die wie in einem professionellen Rennradrahmen oder Formel-1-monocoque mit einem Harz zu einer steifen, schallundurchlässigen Masse verbacken werden.
Der ihr vorgesetzte Waveguide besteht aus Aluminium
Druckguss. Er erfüllt den Zweck, die vertikale Richtwirkung des Hochtöners an die beiden wie bei der AE 509 in D’appolito-manier angeordneten Mitteltöner anzupassen. Das Ziel war dabei, Decken- und Bodenreflexionen zu reduzieren und eine gleichmäßige vertikale Abdeckung im Bereich der üblichen Sitzhöhe zu erreichen.
Räumlich getrennt
Acoustic Energy verwendet 3,5-cm-schwingspulen für geringe thermische Kompression und hohe Dynamik. Beide Mitteltöner sitzen in getrennten Kammern zur akustischen Isolierung von der Tieftonsektion. Die Bassreflex-gehäuse sind zeitlos gestaltet und 30 Kilogramm schwer. Auch die Oberflächenqualität – Acoustic Energy bietet die AE 520 in Hochglanz Weiß, Hochglanz Schwarz oder amerikanischem Walnussfurnier an – erinnert nicht mehr an die einfach gestrickten Lösungen von vor zehn Jahren. Das Gewicht zeugt von den umfangreichen Resonanzunterdrückungs-maßnahmen in Form von Resonance Suppression Composite (RSC). Der Verbundwerkstoff besteht aus einer 0,9 Zentimeter starken Außenwand aus MDF und einer 0,6 Zentimeter dicken Innenwand, die ebenfalls aus mitteldichten Faserplatten besteht. Beide Lagen sind mit einer dazwischenliegenden 3 Millimeter dicken Bitumenschicht verklebt. Die akustisch nahezu tote Konstruktion ruht auf Aluminiumstegen mit höhenverstellbaren Aluminium-spikes.
Die beiden Energy-riegel vereinen ein Dutzend Chassis auf sich, brauchen aber wenig Power.
Im Dutzend williger?
Leider stand zum Hörtest kein Naim Uniti Atom bereit, der sich mit den beiden britischen Kohlekraftwerken stilistisch und preislich perfekt ergänzt hätte. So hörten wir die beiden Briten-boxen mit ganz unterschiedlichen Verstärkern und kamen dabei nicht nur zu einem positiven Ergebnis, was die gelungene klangliche Abstimmung betraf. Wir stellten beim Wechsel vom immerhin 9.500 Euro teuren Line RG10 MK5 auf den nur 600 Euro teuren Harman Kardon Citation Amp (Test auf Seite 42) fest, dass sich das Dutzend Treiber auch mit erschwinglichen Verstärkern zu good Vibrations anregen lässt.
Dabei bot die AE 520 jene Homogenität, für die britische Boxen im Allgemeinen und jene der Marke Acoustic Energy im Besonderen berühmt sind. Stimmen klangen authentisch und körperhaft. Bei aller Neutralität lag die Klangbalance eher auf der warmen, seidigen Seite der Wahrheit.
Die hohe Stabilität der Abbildung war sehr überzeugend. Allerdings blieb die Fokussierung von Solostimmen oder -Instrumenten eher flächig und ließ etwas Kontur vermissen – zumindest aus kurzer Distanz. Etwas nachjustieren der Anwinkelung belohnt die Mühe mit schärferem Fokus. Einen noch größeren Unterschied machte indes der Platzwechsel in die zweite Sitzreihe. Aus größerer Distanz gab es nichts zu mäkeln und die Hörcrew kam in den Genuss einer großen, gleichmäßigen Bühne. Sehr gut gelang der AE 520 die Impulswiedergabe – vor allem im Mitteltonbereich. Der Bass schob ebenfalls mächtig an, ganz besonders für eine so schlanke Standsäule. Die Acoustic Energy klang voluminös und satt, aber nicht besonders trocken.
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