revel performa F226BE
Unter den High-end-marken galt Revel trotz überlegener Technik als Geheimtipp. Auch die neue Beryllium-box gibt sich bescheiden kompakt. Doch zusammen mit Mark Levinson trommeln die Amerikaner zunehmend lauter.
Einer Us-amerikanischen High-end-marke Bescheidenheit nachzusagen, kommt wohl eher selten vor. Doch Revel, einst vom Harman Konzern gegründet, stellten jahrelang ihre technologische Überlegenheit eher unter den Scheffel und waren eher Brancheninsidern für ihre schier unerschöpflichen Forschungsmöglichkeiten bekannt. In der öffentlichen Wahrnehmung dominierten derweil Marken wie JBL oder Infinity, auch weil die Revel-boxen wie ihre Protagonisten in Europa trotz aller technischer Überlegenheit gern etwas bescheidener, audiophiler und stiller auftraten als die maskuline Konkurrenz.
Doch die Zeiten haben sich geändert. Heute sind weniger breite Xxl-boxen gefragt als wohnzimmertaugliche elegante Standboxen. Und auch in der öffentlichen Wahrnehmung wird die Marke um Chefentwickler Kevin Voecks wieder lauter, was mit der Renaissance der Elektronik-schwestermarke Mark Levinson zu tun hat. Zur neuen, erreichbaren 5000er-serie dieser Legende passt die neue PerformaSerie von Revel nämlich exzellent, und wird auch entsprechend gern damit vorgeführt. Bei den drei Standboxenmodellen könnten dank schlohweißen Membranen und einer Keramik-beryllium-membrankombination auch Highender hellhörig werden.
Leichtestes Leichtmetall
Optisch erinnert die neue Performa F226BE an die bereits bei uns in 2014 getestete F205. Die Anzahl der Chassis und das 3-WegeKonzept in einer recht schmalen Standbox ist dem einfacheren Modell ebenfalls entlehnt. Doch technisch, gerade in puncto Treiberchassis, hat die Neue nichts mehr mit dem alten Konzept zu tun. Das kann man schon an der Betonung des „Be4“in der RevelKommunikation erkennen, was für nichts anderes steht als Beryllium mit der Ordnungszahl 4. Wer sich noch an den Chemieunterricht und das Periodensystem erinnert, kann es schnell entziffern: Beryllium ist eines der Elemente mit der geringsten Atommasse, und das leichteste stabile Leichtmetall, aus dem sich Lautsprechermembranen bauen lassen. Magnesium und Aluminium beispielsweise weisen eine 2,5- bzw. 3-fach so hohe Atommasse auf.
In der Revel kommt es bei der Hochtonkalotte zum Einsatz, und das ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit, denn Beryllium ist nur mit enormem Aufwand und entsprechenden Kosten in serienstabile Membranformen zu bringen.
Die Keramik-sache
Bei Mittel- und Tieftönern kam das Supermetall aus Kosten- und Produktionsgründen nicht infrage. Um dennoch eine ähnliche Performance der Konen im Vergleich zur Kalotte und harmonische Klangeigenschaften im Übergang zu erreichen, setzen die Revel-entwickler auf eine Sandwich-technik namens DCC
– Deep Ceramic Composite. Dabei wird eine dünne, im Ursprungszustand eher weiche Aluminiummembran mit einem speziellen plasmaelektrolytischen Verfahren von innen wie außen so oxidiert, dass eine grob strukturierte Keramikschicht entsteht, die einen Gutteil der Materialdicke durchkeramisiert und dem Material die gewünschten Härteeigenschaften verleiht, während das Aluminium innen noch für die innere Dämpfung sorgt. Die schlohweiße, matte Oberfläche verrät die Verwandtschaft zu Vollkeramikmembranen, die jedoch nach Meinung der Revel-entwickler aufgrund ihrer Resonanzneigung für ein Konzept wie die Performa nicht so gut geeignet wären.
Der Mitteltöner gehört mit rund 12 cm effektivem Membrandurchmesser eher zu den kleineren Exemplaren seiner Gattung und ist vom Aufbau her kaum von einem Bass zu unterscheiden. Seine Sicke ist ungewöhnlich groß und zudem vorne wie hinten mit der Sandwichmembran verklebt. Große Hübe muss er allerdings nicht vollführen, denn erst ab 260 Hz wird er vom Frequenzweichenkonglomerat eingeblendet. Bei 2,1 khz darf er schon wieder in Richtung Hochtonkalotte übergeben, was in Verbindung mit dem elliptischen Waveguide vor der Kalotte für eine optimale Übergabe im Abstrahlverhalten ohne Interferenzen oder Sprünge sorgen soll. Denn eine so harte Konusmembran neigt oberhalb ihres idealen Einsatzbereiches zu recht rigider Zunahme der Bündelung. Damit hat der neu berechnete, recht große Waveguide kein Problem. Dank der Schalllinse und des gutmütigen Verhaltens der Beryllium-membran konnte sogar auf den Directivity-verbreiternden Knick, den die Alukalottenmodelle noch kannten, verzichtet werden, zugunsten einer etwas stärkeren Bündelung.
Arbeit im Doppelpack
Solche Probleme kennen die beiden Tieftöner nicht, denn sie sind mit ihren überschaubaren 6,5 Zoll (18 Zentimeter) Korbgröße selbst im Parallelbetrieb bei 260 Hz noch von ihrem Bündelungsbereich entfernt. Die beiden spielen auf fast das ganze Innenvolumen der Box, wobei sie erst unter 50 Hz das frontseitig montierte Reflexrohr nennenswert unterstützt.
Einen Großteil der energiereichen Bassanteile in der Musik müssen die beiden Treiber also alleine stemmen, was dem Impulsverhalten zugutekommen soll, allerdings ob der doch nicht üppigen Membranfläche nur möglich ist, wenn der lineare Hub überdurchschnittlich ist und die hohen Auslenkungen auch ohne hörbare Nebenwirkungen wie Kompression und Co. in Schallwellen umgewandelt werden können.
Ganz großes Festival
Minimale Restzweifel an den dynamischen Fähigkeiten blieben also in den Hinterköpfen der Tester, auch weil die kleinste der drei Performa-standboxen im doch üppig großen stereoplay-hörraum wegen ihrer schlanken Form zunächst etwas bescheiden-unauffällig, um nicht zu sagen verloren wirkte. Der optische Eindruck
wurde aber durch den ersten Klangeindruck beiseitegewischt. Hubert von Goiserns „Im Jahr des Drachen“brachte die Atmosphäre eines großen Festivals in den Hörraum: satte, tiefe Drumschläge ohne merkliche Dynamikbegrenzung, ein in die Breite sensationell weit gestaffelter Raum und der notwendige Druck hinter Schlagzeug, Bass und Gitarren, den sonst eigentlich nur großvolumige High-end-boxen zu vermitteln wissen. Wenn der Alpenrocker ans Mikrofon trat, konnte man förmlich den Luftdruck spüren, den die PA beim Konzert wiedergegeben hatte. Doch im Gegensatz zu einer Beschallungsanlage klang die Revel warm und ultratransparent, mit genau der richtigen Dosis Seidigkeit, aber ohne den Druck eines solchen Konzerts zu vernachlässigen.
So hörten sich die Tester zunächst durch völlig verschiedene Spielarten von dynamischer Musik: Hattlers „Fine Days“ist für die Basswiedergabe gleich doppelt anspruchsvoll, weil hier satte Anschlagsimpulse auf lange ausschwingende Saiten treffen, und jede Neigung zu Dröhnen einerseits oder Kompression andererseits bei gehobenen Lautstärken enttarnt wird. Keine Spur davon bei der Revel: Schnalzend groovten die rhythmischen Elemente, sauber und stabil schwebte die Frauenstimme über dem von Hattler veranstalteten Groove-feuerwerk. Ein Wegrücken von der Wand nahm dem manchmal vorlauten Tiefbass noch seine Dominanz.
Ganz großes Festival
Szenenwechsel: Howard Shores Soundtrack zum „Herrn der Ringe“, erster Teil. Sanft und elegisch mit einer unglaublichen Weite brachte die Revel diesen Ausnahme-soundtrack zu Gehör. Mit warmen Klangfarben und sattem Fundament leistete sie sich nicht den Hauch von Schärfe oder Effekthascherei, sodass die Hörer eher das Gefühl hatten, in einem klassischen Konzertsaal wie dem Wiener Musikverein oder dem Münchner Herkulessaal einem sinfonischen Konzert zu lauschen. Dabei ging es durchaus dynamisch zu, wenn der Spannungsbogen bei „Khazad-dûm“seinen Höhepunkt erreichte.
Den Schlusspunkt setzte Billy Idol mit „Rebel Yell“: Satter, treibender Punkpop, vielleicht eine Spur wärmer und weniger rotzig als gewohnt, krönte sich die Revel endgültig zur Alleskönner-genießerbox ihrer Klasse. Ihr Konzept geht einfach voll auf.