Ein Verstärker für Batman
Marantz legt sich eine neue Edelserie zu. Der Vollverstärker M30 hat es uns angetan. Da kombinieren die Japaner erstaunliche Kraft und zugleich höchsten Feinsinn.
Wäre ich Batman – ich würde mir genau diesen Vollverstärker in mein Wohnzimmer stellen. Natürlich in Schwarz. Die Designer von Marantz haben hier eine wunderbare Hülle gezaubert. Die Front schimmert in kleinen Wellen – das wirkt magisch. Ganz stringent liegt aber davor eine massive Frontplatte mit allen Reglern und Informationen. Gibt es auch in Silber, aber Schwarz wirkt klar erotischer.
Dazu liebt Marantz den Trick. Den tiefen Griff in die Überraschungskiste. Unser Lagerverwalter sagte mir: Ah, den M30 habe ich schon ausgepackt, er steht drüben im Regal. Mit einer gewissen Vorfreude laufe ich also los und erkenne sofort das Marantz-logo. Jetzt sind die Muskeln gefragt. Meine Augen sagen mir, das ist ein Klassiker im 43-ZentimeterFormat. Das kann nicht wirklich schwer sein. Und dennoch sind es rund 15 Kilogramm – erstaunlich angesichts dieser kompakten Form. Da muss ein volles Haus verbaut sein, mit stattlichen Stromversorgern noch dazu. Tatsächlich – ich schraube die Gehäuseplatte ab und schaue hinein. Das widerspricht dem typischen, doppelten Mono-aufbau mit Transistoren-kraftwerk. Folgen wir den Signalen.
Für Vinylfans
Auf der Rückseite kann ich Quellgeräte per Cinch andocken. Dann geht es hart rechts in eine raumfüllende Vorstufenplatine. Die erstreckt sich von der Rückseite bis zur Front – und wird hier tatsächlich in doppeltem Mono belassen. Wer sie anhebt, entdeckt eine weitere Platine. Das ist ein ehrenwerter, potenter Phono-amp. Marantz hofiert hier die schwarze Scheibe mit großem Einsatz. Wir können MMS, aber auch MCS in unterschiedlicher Sensibilität auslesen. Würden wir es in Euro fassen – das ist eine PhonoStufe, für die andere Anbieter bis 500 Euro verlangen könnten.
Jetzt verwirrt uns der Signalweg. In der absoluten Mitte liegt der Trafo. Davor wird die wei
tere Signalverarbeitung ausgebreitet. Die pure Kraft liegt hingegen in einem Baustein im Rücken. Was mag das sein? Aber die Kühlrippen sind doch viel zu klein. Das wird doch nicht etwa? Doch – das ist eine Class-d-stufe. Wir stehen also vor einem vom Volksmund häufig „Digitalverstärker“genannten Gerät. Aber in der großen Prachtarchitektur, eben mit 15 Kilogramm Lebendgewicht. Das ist ungewöhnlich, das ist mutig, das ist konsequent.
Aber ein digitaler Verstärker ist doch böse, hartherzig, ohne Charme? Das sind völlig veraltete Vorurteile. Es kommt darauf an, wie man es macht, wie man es mit sensiblen Ohren feintunt. Und hier ist Marantz beim M30 ein Geniestreich gelungen. Doch dazu später.
Ein Glücksbringer
Heben wir erst einmal den Amp in unser Rack. Besser direkt auf die oberste Ebene. Wow, sieht der gut aus. Dieses Bullauge in der Mitte lässt uns das Level der Verstärkung wissen. Dazu gibt es einige Rädchen, die sich selbst erklären. Im Sinne der Nutzbarkeit und des Designs ist das ein großer Wurf. Dazu noch dieser Weihrauch der Moderne. Wirklich ein zeitgenössischer
Glücksbringer. Schätzen wir einmal – ich würde sagen: 5000 Euro, wäre aber auch von 7000 Euro nicht überrascht. Daneben. Der M30 von Marantz liegt bei 3000 Euro. Das fühlt sich gut und fair an.
Wer einmal an diesem Lebensgefühl schnuppern will, der sollte seine Finger an die Schrauben der Lautsprecherkabel lenken – da blitzt das Kupfer, da liegt massive Baumeisterkunst in den Händen.
Hörtest
Können die Asiaten auch Wagner? Womit wir die Überleitung zum Hörtest hinbekommen hätten. Natürlich gibt es Millionen Wagner-fans in Fernost. Aber einen kompletten „Ring der Nibelungen“stemmen und aufnehmen? Das ist gelungen, richtig wunderbar sogar. Das Label Naxos hat seinen „Ring“in Hongkong aufgenommen. Im Orchester sitzen die besten Musiker der Stadt, am Pult steht ein Niederländer, Jaap van Zweden, der schon als
neuer Chef der New Yorker Philharmoniker ausgerufen wurde. Was uns als Germanen aber besonders ans Herz geht – hier singen die Wagner-helden der Gegenwart. Insbesondere Matthias Goerne als Göttervater. Bislang war er als Liedsänger im Bariton-fach unterwegs. Nun der Griff zur Oper und in die Tiefe als Bassbariton. Das gelingt großartig.
Wir streamen in High-res „Wotans Abschied“herbei. Das Orchester liegt wunderbar auf einer Welle der feinen Impulse, perfekt eingefangen von den Tontechnikern, dann die charismatische Stimme in der Mitte – man möchte einen Taucheranzug überstreifen und in diesem Meer versinken.
Dass diesen Effekt auch ein so immerhin noch kompakter Vollverstärker wie der Marantz M30 bedient, das zeigt vor allem die Kunst der Ingenieure. Er will gar nicht der große Bote des fetten Klangbilds sein, aber er zaubert all jene Werte, die Feingeistern heilig sind. Alles verfügt über Charme, Sinn und, wenn es darauf ankommt, auch über den ganz großen Push.
So beispielsweise in einem Track von Paul Mccartneys neuem Album. „Deep Down“spielt mit unserem Gefühl für den perfekten Mix. Immer, wenn die Singstimme den Taktschwerpunkt markiert, kreist ein ultratiefer Bassimpuls darunter. Das verwirrt uns, das soll uns verwirren. Hier zeigt sich das Genie von Paul Mccartney. Er meint es ernst. Aber er will auch die ultimativen Tiefbass-information. Da muss ein Verstärker mächtig pusten. Und dennoch soll es nicht angestrengt klingen. Toll, wie der M30 diesen Spagat meistert. Man fühlt sich umschmeichelt und zugleich herausgefordert. Abermals: Wäre ich Batman und noch audiophil sensibel – ich würde mir genau diesen Vollverstärker in meine Bat-höhle stellen.
Alles verfügt über Charme, Sinn und, wenn es darauf ankommt, auch über den ganz großen Push.