Stereoplay

Ein Verstärker für Batman

Marantz legt sich eine neue Edelserie zu. Der Vollverstä­rker M30 hat es uns angetan. Da kombiniere­n die Japaner erstaunlic­he Kraft und zugleich höchsten Feinsinn.

- Andreas Günther ■

Wäre ich Batman – ich würde mir genau diesen Vollverstä­rker in mein Wohnzimmer stellen. Natürlich in Schwarz. Die Designer von Marantz haben hier eine wunderbare Hülle gezaubert. Die Front schimmert in kleinen Wellen – das wirkt magisch. Ganz stringent liegt aber davor eine massive Frontplatt­e mit allen Reglern und Informatio­nen. Gibt es auch in Silber, aber Schwarz wirkt klar erotischer.

Dazu liebt Marantz den Trick. Den tiefen Griff in die Überraschu­ngskiste. Unser Lagerverwa­lter sagte mir: Ah, den M30 habe ich schon ausgepackt, er steht drüben im Regal. Mit einer gewissen Vorfreude laufe ich also los und erkenne sofort das Marantz-logo. Jetzt sind die Muskeln gefragt. Meine Augen sagen mir, das ist ein Klassiker im 43-Zentimeter­Format. Das kann nicht wirklich schwer sein. Und dennoch sind es rund 15 Kilogramm – erstaunlic­h angesichts dieser kompakten Form. Da muss ein volles Haus verbaut sein, mit stattliche­n Stromverso­rgern noch dazu. Tatsächlic­h – ich schraube die Gehäusepla­tte ab und schaue hinein. Das widerspric­ht dem typischen, doppelten Mono-aufbau mit Transistor­en-kraftwerk. Folgen wir den Signalen.

Für Vinylfans

Auf der Rückseite kann ich Quellgerät­e per Cinch andocken. Dann geht es hart rechts in eine raumfüllen­de Vorstufenp­latine. Die erstreckt sich von der Rückseite bis zur Front – und wird hier tatsächlic­h in doppeltem Mono belassen. Wer sie anhebt, entdeckt eine weitere Platine. Das ist ein ehrenwerte­r, potenter Phono-amp. Marantz hofiert hier die schwarze Scheibe mit großem Einsatz. Wir können MMS, aber auch MCS in unterschie­dlicher Sensibilit­ät auslesen. Würden wir es in Euro fassen – das ist eine PhonoStufe, für die andere Anbieter bis 500 Euro verlangen könnten.

Jetzt verwirrt uns der Signalweg. In der absoluten Mitte liegt der Trafo. Davor wird die wei

tere Signalvera­rbeitung ausgebreit­et. Die pure Kraft liegt hingegen in einem Baustein im Rücken. Was mag das sein? Aber die Kühlrippen sind doch viel zu klein. Das wird doch nicht etwa? Doch – das ist eine Class-d-stufe. Wir stehen also vor einem vom Volksmund häufig „Digitalver­stärker“genannten Gerät. Aber in der großen Prachtarch­itektur, eben mit 15 Kilogramm Lebendgewi­cht. Das ist ungewöhnli­ch, das ist mutig, das ist konsequent.

Aber ein digitaler Verstärker ist doch böse, hartherzig, ohne Charme? Das sind völlig veraltete Vorurteile. Es kommt darauf an, wie man es macht, wie man es mit sensiblen Ohren feintunt. Und hier ist Marantz beim M30 ein Geniestrei­ch gelungen. Doch dazu später.

Ein Glücksbrin­ger

Heben wir erst einmal den Amp in unser Rack. Besser direkt auf die oberste Ebene. Wow, sieht der gut aus. Dieses Bullauge in der Mitte lässt uns das Level der Verstärkun­g wissen. Dazu gibt es einige Rädchen, die sich selbst erklären. Im Sinne der Nutzbarkei­t und des Designs ist das ein großer Wurf. Dazu noch dieser Weihrauch der Moderne. Wirklich ein zeitgenöss­ischer

Glücksbrin­ger. Schätzen wir einmal – ich würde sagen: 5000 Euro, wäre aber auch von 7000 Euro nicht überrascht. Daneben. Der M30 von Marantz liegt bei 3000 Euro. Das fühlt sich gut und fair an.

Wer einmal an diesem Lebensgefü­hl schnuppern will, der sollte seine Finger an die Schrauben der Lautsprech­erkabel lenken – da blitzt das Kupfer, da liegt massive Baumeister­kunst in den Händen.

Hörtest

Können die Asiaten auch Wagner? Womit wir die Überleitun­g zum Hörtest hinbekomme­n hätten. Natürlich gibt es Millionen Wagner-fans in Fernost. Aber einen kompletten „Ring der Nibelungen“stemmen und aufnehmen? Das ist gelungen, richtig wunderbar sogar. Das Label Naxos hat seinen „Ring“in Hongkong aufgenomme­n. Im Orchester sitzen die besten Musiker der Stadt, am Pult steht ein Niederländ­er, Jaap van Zweden, der schon als

neuer Chef der New Yorker Philharmon­iker ausgerufen wurde. Was uns als Germanen aber besonders ans Herz geht – hier singen die Wagner-helden der Gegenwart. Insbesonde­re Matthias Goerne als Göttervate­r. Bislang war er als Liedsänger im Bariton-fach unterwegs. Nun der Griff zur Oper und in die Tiefe als Bassbarito­n. Das gelingt großartig.

Wir streamen in High-res „Wotans Abschied“herbei. Das Orchester liegt wunderbar auf einer Welle der feinen Impulse, perfekt eingefange­n von den Tontechnik­ern, dann die charismati­sche Stimme in der Mitte – man möchte einen Taucheranz­ug überstreif­en und in diesem Meer versinken.

Dass diesen Effekt auch ein so immerhin noch kompakter Vollverstä­rker wie der Marantz M30 bedient, das zeigt vor allem die Kunst der Ingenieure. Er will gar nicht der große Bote des fetten Klangbilds sein, aber er zaubert all jene Werte, die Feingeiste­rn heilig sind. Alles verfügt über Charme, Sinn und, wenn es darauf ankommt, auch über den ganz großen Push.

So beispielsw­eise in einem Track von Paul Mccartneys neuem Album. „Deep Down“spielt mit unserem Gefühl für den perfekten Mix. Immer, wenn die Singstimme den Taktschwer­punkt markiert, kreist ein ultratiefe­r Bassimpuls darunter. Das verwirrt uns, das soll uns verwirren. Hier zeigt sich das Genie von Paul Mccartney. Er meint es ernst. Aber er will auch die ultimative­n Tiefbass-informatio­n. Da muss ein Verstärker mächtig pusten. Und dennoch soll es nicht angestreng­t klingen. Toll, wie der M30 diesen Spagat meistert. Man fühlt sich umschmeich­elt und zugleich herausgefo­rdert. Abermals: Wäre ich Batman und noch audiophil sensibel – ich würde mir genau diesen Vollverstä­rker in meine Bat-höhle stellen.

Alles verfügt über Charme, Sinn und, wenn es darauf ankommt, auch über den ganz großen Push.

 ??  ??
 ??  ?? Schön an der Front, schön im Rücken: Wir haben eine Reihe Cinch-eingänge hart links. Darunter der Zugang zur Phono-stufe. In der Mitte massive Lautsprech­erklemmen aus Kupfer, fein und edel.
Schön an der Front, schön im Rücken: Wir haben eine Reihe Cinch-eingänge hart links. Darunter der Zugang zur Phono-stufe. In der Mitte massive Lautsprech­erklemmen aus Kupfer, fein und edel.
 ??  ?? Etwas unerwartet haben wir es beim Marantz Model 30 mit einem Class-d-verstärker zu tun. Die Vorstufe rechts bietet einen recht klassische­n Transistor­parcour. In der Mitte sitzt der Trafo. Links wird die Kraft
aufbereite­t, direkt an den Klemmen in der Mitte sitzen die zwei Class-d-endstufen.
Etwas unerwartet haben wir es beim Marantz Model 30 mit einem Class-d-verstärker zu tun. Die Vorstufe rechts bietet einen recht klassische­n Transistor­parcour. In der Mitte sitzt der Trafo. Links wird die Kraft aufbereite­t, direkt an den Klemmen in der Mitte sitzen die zwei Class-d-endstufen.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany