Taschenspieler – mit Trick
Die meisten Menschen koppeln ihr Handy an die kleinen Kopfhörer. Doch da geht weit mehr. Der N3pro von Cayin zeigt das Maximum des mobilen Klangs. Für erstaunlich humanes Geld.
Der größte Feind dieses wundervollen Players ist unsere Dummheit. Ich nehme mich dabei nicht aus. Auch ich dachte: Wozu einen weiteren klingenden Schokoladenriegel, wo ich doch schon ein Smartphone in der Jacketttasche habe? Kann ich mit dem Cayin N3pro telefonieren? Nö – also wozu sollte ich hier Geld ausgeben? Das ist nicht nur dumm, sondern dümmlich. Wir sind in zwei unterschiedlichen Welten unterwegs. Ok, mein iphone beherrscht AAC und kann auch Apple Lossless ausgeben. Hier und da gibt es Android-phones, die FLAC konvertieren. Das Ganze gelangt dann kabellos per Bluetooth auf unsere Kopfhörer. Super. Doch der Cayin N3pro kann mehr.
Er wurde geboren als echte Musikmaschine. Der Klang ist hier die höchste Anforderung, nicht die Omnipotenz eines Smartphones. Hier gibt es die besten Wandler, dazu noch eine echte Verstärkung per Röhre. Auch DSD kann dieses kleine Brikett wandeln, natürlich.
Nehmen wir zum Vergleich den Dinosaurier: In einem ipod rotierte auf lange Zeit eine winzige Festplatte, dann schließlich ein kontaktloser Speicherchip. Beim Cayin N3pro ist es nur ein Chip in der Größe eines Fingernagels, der über die Seite links zugesteckt wird. Ich bestimme selbst, wie hoch die mögliche Datenmenge ausfällt. Bis zu einem Terabyte sind möglich.
Ich selbst habe mir einen Micro-sd-stick mit 512 GB gegönnt – das ist rund die Hälfte des Möglichen. Ich bin Popund Klassik-fan. Per Drag and Drop schiebe ich meine Lieblingsmusik vom Rechner auf den Stick. Unfassbar – gleich mehrere „Ring“-aufnahmen von Wagner kann ich speichern, dazu die neuesten Hires-files
der Beates und über hundert weitere Playlisten. Und dazu ist jedes Format wandelbar.
Beispielsweise habe ich mir das neue Album von Paul McCartney als Hires-datei (96/24) zugelegt – das ist das Standardprogramm des Cayin N3pro, der selbstverständlich von MP3 bis DSD alle wichtigen Tonformate verarbeiten kann, lediglich MQA bleibt außen vor. Und immer weidet sich der Cayin in Eleganz und Spielfreude. Das schafft fast ein zweites Einsatzgebiet als fester Musikplayer in der High-end-kette.
Schauen wir hinein
Wer jetzt aufmerksam zugehört hat und mir nicht gewogen ist, der könnte mir auch einen Kopfstoß verpassen: Hey, einen Großteil davon könnte auch mein iphone. Was also sollte uns für den Cayin begeistern? Richtig gedacht, falsch interpretiert. Denn jetzt kommt das ganz gewichtige Argument: Der Cayin N3pro ist eben rein für die Klangperformance geschaffen.
Schauen wir hinein. Da gibt es pro Kanal einen eigenen Wandler-chip. AK4493EQ genannt. Er kann Daten bis zu 32 Bit und 384 Kilohertz auflösen. Das ist unvorstellbar viel. Wer dem Signalweg weiter folgt, der stößt auf eine wirkliche Seltenheit: Verstärkt wird wahlweise per Transistoren oder per Röhren.
Hier gibt es gleich drei Klangwege, da die Röhren als Trioden-fuhrpark oder im Ultralinear Mode verstärken. Das kann man per Klick auf das aktive Display recht einfach auswählen. Tolle visuelle Zugabe: Legen wir die Röhren an, so schimmern diese unter unseren Fingern glutvoll-rot auf. Magie. Das sind natürlich keine raumgreifenden Glühkolben, sondern zwei Raytheon JAN6418. Das ist ein Sonderexemplar für das Militär, langgestreckt und etwa so groß wie ein doppelter Widerstand. Sehr fesch, sehr selten, sehr edel.
Jetzt befrage ich mein inneres Preisgefühl. Und würde sagen: 2400 Euro für dieses Schmuckstück wären angemessen. Dramatisch daneben. Der „normale“Listenpreis liegt bei 700 Euro, aktuell lässt sich für die schnellen Käufer noch ein Sonderpreis von 600 Euro abgreifen. Das bringt die Regeln der Vergleichsprodukte heftig durcheinander.
Der Cayin N3pro ist als Einstiegsmeister gekommen, und er schlägt ein wie ein Komet. Wir dürfen rätseln, wie Cayin, dieses Preisszenario stemmen kann. Dass die Fertigung in Fernost liegt, wäre nur eine Facette der Preisfrage.
Für alle Szenarien
Hey, die eigentlichen Gewinner sind wir. Vor allem angesichts dessen, was wir mit dem N3pro anstellten können. Wir können ihn als mächtigen Klangwandler an unsere High-end-kette klemmen. In der U-bahn entscheiden wir uns, ob wir einen Kopfhörer per 3,5-mm-klinke bedienen, oder die Luxusversion im Balanced-mode. Schwören wir allen Kabeln ab, dann haben wir einen Bluetooth-sender in der Version 5 an Bord. Und jetzt noch einen Baustein auf das Unvorstellbare: Wir können Wireless auch unsere liebsten Streaming-portale anzapfen, von Tidal bis Qobuz. Das ist ein Sprengkörper.
Das ist ein Sprengkörper. Cayin pufft seine eigene Firmenstrategie in die Luft.
Cayin pufft seine eigene Firmenstrategie in die Luft. Dieser Player kann mehr als seine edlen Vorgänger. Ehe ich hier lange aushole – der N3pro hat mich im Rausch überrannt. Wow – so viel Eleganz und Kraft aus so einem kleinen Gehäuse.
Gerade bei den Röhren geht der Himmel auf. Was für ein Panorama, großartig! Dazu viel Schmelz und innere Form – nehmen wir die Triode oder den Ultra-linear-mode? Egal, wir sind in der Rolle des Königs, der über einen kleinen Klick selbst experimentieren darf. Hier entscheidet die persönliche Vorliebe und die Hörer auf den Ohren.