Ein Manifest der Noise-pioniere
reissue des Monats industrial Coil Musick to play in the dark
Um den Begriff Industrial ranken sich zahlreiche Stilformen. Für den Techno-nerd der Gegenwart ist es geräuschbetont treibende Clubmusik, in der Historie hingegen finden sich Seitenlinien von Dark Ambient über Ritual bis hin zu Death Industrial mit Überschneidungen zum Metal. Ursprünglich allerdings sammelten sich in der britisch geprägten Szene Kunstprojekte und Avantgarde-gruppen von Throbbing Gristle und Psychic TV bis hin zu Cabaret Voltaire oder den Einstürzenden Neubauten. Und natürlich Coil als eines der Mastermind-projekte im Hintergrund. Entstanden um 1982 als Nebenaktivität von John Balance von Psychic TV, sammelten sich verschiedenen Musiker unter dem Bandsignet, wobei sich der Synthesizerspezialist Peter Christopherson von 1983 an als Konstante herausstellen sollte. Er gehörte zu den ersten Musikern überhaupt, der auf der Bühne live mit Samples experimentierte, und prägte den mit Geräuschen, Drones und elektronischen Effekten durchsetzten Studiosound von Coil. Im Laufe der Jahre kamen Feldaufnahmen und verschiedenste Klangbearbeitungen hinzu, sodass ein Kunstraum entstand, der zahlreiche Ideen der Techno- und Electronicära vorwegnahm. Anno 1999 entstand dann eines der Meisterstücke, „Musick To Play In The Dark“, geprägt von den Stimmungen des depressiven Balance, aber auch von den zunehmenden Soundmöglichkeiten von Sampling und synthetischen Verarbeitungen. Im Nachklang des 20-jährigen Album-jubiläums wurde es wieder herausgegeben, kaum bearbeitet, weil schon im Original wegweisend. „Musick To Play In The Dark“ist mit seinen trotz Opulenz fein differenzierten Geräusch-collagen eine echte Herausforderung für gutes Equipement. Es ist Musik aus der Dunkelheit eines Träumers und in seiner konzeptuellen Geschlossenheit auch ein Vermächtnis von Balance, der 2004 starb, als er im Alkoholrausch eine Treppe hinunterstürzte.