dali oberon 1c
Der katalanische Maler schuf Schwäne, die Elefanten spiegeln. Ähnlich surreal wirkt die mächtige Performance der Dali Oberon 1C: eine akustische Täuschung?
Wer wie der Autor dieser Zeilen regelmäßig vom hohen Ross der ultimativen Wiedergabetreue hinabsteigen muss, um Bluetooth Lautsprecher für den kleinen Geldbeutel oder die Damenhandtasche zu testen, kennt das Phänomen. Der Hersteller verspricht das Blaue vom Himmel, wie erwachsen und riesig seine Kreationen in der Volumenklasse zweier Zigarettenschachteln klingen. Und tatsächlich, bei den ersten Tönen beeindrucken nicht wenige Konstruktionen dann auch mit erstaunlichen Pegeln und einem Tiefton, der ein kraftvolles Fundament zumindest simuliert.
Doch in den wenigsten Fällen hält die Begeisterung lange an. Bass kann man das, was aus den winzigen Gehäusen kommt, eigentlich kaum nennen, und auch eine gewisse Anstrengung im Klangbild trübt den Spaß beim Dauerhören. Von der fehlenden Dreidimensionalität gar nicht zu reden.
K(l)eine Kompromisse
Wer nun aber 1000 Euro für ein paar Aktivlautsprecher mit Drahtloszuspielung bezahlt, will kein Spielzeug. Besonders nicht, wenn noch 300 Euro zusätzlich für einen Vorverstärker/ Sender zu bezahlen sind, ohne den die kleinen, klassisch gestalteten Lautsprecher aus Dänemark keinen Pieps von sich geben.
Wie klein kann man ein solches Konzept aber bauen, ohne dass der Hörer eine akustische Täuschung wittert? Laut der Danish Loudspeaker Industries, kurz Dali, ziemlich weit. Die Oberon 1C ergänzt die schon bekannten Aktivserien Callisto und Rubicon C mit drahtloser Zuspielung in puncto Preis und Gewichtsklasse nach unten. 4,4 Kilogramm Gewicht und 27,5 Zentimeter Höhe, also weniger als eine aufrecht gestellte stereoplay, wurden unter Highendern bisher eher belächelt.
Traum und Zeit
Hier ist aber Vorsicht geboten mit vorzeitiger Häme. Denn auf so engem Raum kombinieren die Dänen ausgefeilteste Chassistechnologie ihrer klassischen Passivboxen mit einem an Zauberei grenzenden AktivBoxenkonzept. Pro Regalbox zünden zwei Endstufen mit je
weils 50 Watt Leistung den Dynamikturbo, die Signale werden schon vor der Verstärkung für Hochtöner- und Tiefmitteltöner getrennt und aufbereitet.
Letztgenannter ist im Magnetantrieb mit SMC ausgestattet, zu Englisch Soft Magnetic Compound, also einem Material, das kein Problem mit inneren Ausgleichsströmen kennt und damit die potenziell dynamikschädlichen, gefürchteten Effekte einer Wirbelstrombremse von vornherein ausschließt.
Diesen hochtechnischen Antrieb kombinieren die Dänen mit Membranmaterial aus der Natur, nämlich einer Holzfaserkonstruktion, deren Dichte perfekt ungleichmäßig im Material verteilt ist und deren innere Dämpfung deshalb keine Frequenzen bevorzugt oder benachteiligt. Der Gewebe-hochtöner, 2,9 cm im Maß, ist aus anderen Passivmodellen der Serie bekannt und bürgt mit seiner leichten, weichen Membran für schnelle Impulswiedergabe und beste Auflösung.
1001 Möglichkeiten
Doch mal ehrlich: Wer sich eine Komplettanlage mit drahtlosem Streaming ins Haus holt, dürfte in den seltensten Fällen ein Highender sein, der sich für die technischen Feinheiten des Boxenbaus interessiert.
Auch auf der Ausstattungsliste und den Anwendungsmöglichkeiten hat die Oberon 1C aber viel mehr auf dem Stimmzettel, als es nach ihrer Schlichtheit den Anschein hat. Die Verbindung mit dem Sender erfolgt mit einem dicken „Link“-knopf auf beiden Geräten, und eine kleine Raumgrafik zeigt an, welchen Kanal des Signals sich die kleine Box aus dem Äther
Auf den Rahmen gespannt: Wie die Leinwand des Malers wurde der Stoffüberzug.
fischt. Die Grafik lässt dabei jedoch nicht nur zwei Symbole für linken und rechten Lautsprecher erkennen, sondern deren acht, was auf die Vorbereitung für Surround-anwendungen hindeutet.
Den Kanal tauscht man sehr einfach, indem man bei blinkender Kanalanzeige mehrmals auf den Link-knopf drückt, bis die gewünschte Position erreicht ist. Damit gelang das Verbinden problemlos, und in der ersten B-note markiert die Dali maximale Punktzahl.
Während andere Hersteller mit Smartphone-apps und Streaming-implementierungen nur so um sich werfen, bleibt das Anschluss- und Bedienkonzept der Dali bei aller drahtlosen Moderne doch klassisch, mit einer kleinen Infrarot-fernbedienung mit Eingangswahltasten zu bedienen. Zu klassisch? Nein, denn dadurch lässt es sich auch mit beliebigen Quellen verbinden und veraltet nie, von nicht notwendigen Software-updates, Abstürzen und sonstigem digitalen Unbill einmal gar nicht zu reden.
Dass das Systen nicht minder clever agiert als ein App-basiertes, bemerkt man etwa, wenn man einen Subwoofer an den Hub anschließt: Dies aktiviert automatisch eine Hochpassweiche für die dann zu Satelliten mutierten Hauptlautsprecher und sorgt für eine entsprechende Erhöhung von Belastbarkeit und Maximaldynamik.
Der große Rausch-angriff
Beim Hörtest war dann die Überraschung komplett. Auf den etwas zu massig geratenen Boxenständern im Hörraum der stereoplay sahen die Boxen unscheinbar, ja sogar etwas verloren aus. Doch das hinderte sie nicht daran, ein druckvolles Livekonzert wie Peter Gabriels „Secret World“mit einer Größe, Wucht und Impulsklarheit ab
zubilden, bei denen sich so manch größere Box davon eine gehörige Scheibe abschneiden kann.
Die Oberon 1C klang dabei natürlich mit einem minimalen Hang zur Luftigkeit, schälte die Stimme des Meisters sehr deutlich heraus, ohne aber jemals scharf zu klingen oder die anderen Instrumente zu vernachlässigen. Im Gegensatz zu anderen
Die Dalis gaben eine Gala-vorstellung im Hörraum. Wer die Augen schloss, wähnte sich vor größeren Boxen.
Kleinstlautsprechern, bei denen digitale Klangaufbereitung nachhilft, führte das bei ihr aber weder zu einem künstlich aufgeblasenen Tiefton, noch zu einem Verlust an Dynamik in den nicht eben zimperlichen Schlagzeugattacken des Ausnahmedrummers Manu Katché. Sicher, ein Hauch vom allerletzten Tiefbass fehlte zu Boxen von mehrfachem Volumen, doch davon abgesehen ließ die 1C nicht den geringsten Hinweis auf ihr geringes Volumen zu den Ohren dringen.
Diese schon an Zauberei grenzende akustische Täuschung funktionierte bei Liveaufnahmen am verblüffendsten, so etwa auch beim kernigen „Bad Romance“von 30 Seconds to Mars. Hier meinte man als Hörer sogar, den Luftdruck des Sängers am Mikrofon zu spüren, wenn er zu seinem Einsatz ansetzte.
Das war eben nicht auf LiveAufnahmen beschränkt. Auch zarte Frauenstimmen wie Tori Amos „Beekeeper“lagen der Dali. Die Bühne? Riesengroß, besonders die hohe Darstellung des Gesangs verblüffte nachhaltig. Das Klavier? Zartperlend ohne den Hauch von Kompression. Und diese akustische Täuschung, einer ausgewachsenen Box zu lauschen, ließ mit der Zeit auch nicht nach.
Sicher, wer entsprechendes Material auflegt, kann natürlich mit den Grenzen der Physik Bekanntschaft machen. Nächtliche Rock-konzerte, die über das in einem Reihenhaus mögliche Pegelmaß hinausgehen, sind mit der Oberon nicht zu empfehlen. Und elektronische Bässe wie Yellos „Touch“verraten zumindest im Vergleich mit deutlich größeren Boxen, dass es noch ein paar Hertz tiefer geht.
Doch das tut der tiefen Verblüffung der Hörer keinen Abbruch. Wer eine erwachsene und vollwertige Anlage in einer normalen Wohnung durch eine kleine, schnieke Wireless-lösung ersetzen will, findet mit den Dali Oberon 1C ein Set erster Wahl.