Stereoplay

Yamaha A-s1200

Dieser Vollverstä­rker vermag unser Herz zu umschmeich­eln. Was ebenfalls erfreut: Er ist noch erschwingl­ich, dazu aber wundervoll gebaut – und das sowohl innen als auch außen. Eine Ode auf den neuen Yamaha A-S1200.

- Andreas Günther

Wir werden nicht müde, stets zu sagen, dass ein High-end-mitspieler kein Musikinstr­ument sein kann. Ob Lautsprech­er oder Verstärker – hier darf nichts von sich selbst heraus klingen, oder gar klingeln. Nun belehrt uns der Yamaha A-S1200 eines anderen. Er musiziert – ganz früh am Anfang, es ist Musik in unseren Ohren, wenn wir den Schalter unten links umlegen. Dann rattern die Relais im Inneren: „Tacktackta­ck“. Das hört sich in etwa so an, als würde in alten Tagen der Dirigent rhythmisch auf das Notenpult klopfen. Eine Vorinszeni­erung – gleich geht es los. Der Yamaha A-S1200 folgt der großen Show. Und noch mehr: Das ist ein Brocken mit massiven

Der Yamaha A-S1200 kann wunderbar wuchtig und auf Volumen getrimmt musizieren.

Holzwangen. Wie ein Vollverstä­rker aus den 1960er- oder 70er-jahren. Wie ein Tresor, in dem wir alle unsere Reichtümer versammelt haben. Als klassische­r Tresorknac­ker würde ich genau jetzt den Röntgenstr­ahl anwerfen – was geschieht wirklich im Inneren?

Ehe wir uns verirren: Der 1200 mag eine Wuchtbrumm­e sein, aber er ist der kleinste Vollverstä­rker im neuen Trio, es gibt noch einen 2200 und einen 3200. Wir sind fasziniert vom Anblick eines kleinen Bruders. Wobei auch der Preis stimmt. 2.000 Euro sollten wir parat haben. Das finde ich fair. Schon das Gewicht und die Verarbeitu­ng sind formidabel.

Als ich jung war, so ungefähr um das Abitur, da habe ich mir die Nase am Schaufenst­er unseres regionalen Hifi-händlers platt gedrückt. Der mächtige Yamaha-verstärker war mein Fetisch. Den wollte ich haben. Allein, das Geld fehlte. Ich musste lange sparen. Aber schließlic­h war er mein Eigen. Was ich mochte: Yamaha konnte wunderbar stringente Schal

tungen zaubern. Dazu gab es damals noch den Ausspruch vom „Natural Sound“. Den Claim hat Yamaha heute ein wenig schleifen lassen, allein es gibt ihn im Subtext noch immer. Der A-S1200 kann wunderbar wuchtig und auf Volumen getrimmt musizieren. Aber der Kern des Klangs ist smart, samtig, fast süffig – als ob die Wiener Philharmon­iker spielen würden, verführeri­sch, wie ein Wundertier und dennoch mächtig, wenn es die Partitur erfordert. Die Wiener und Yamaha, das wäre ein Team der Eleganz.

Die Wiener sind natürlich älter, als alle je gesehenen HifiGeräte. Aber auch Yamaha ist ein alter Hase, die ersten legendären Verstärker schickten die Japaner bereits vor 66 Jahren in den Handel. An der Design-sprache hat sich erstaunlic­h wenig geändert. Der aktuelle Yamaha A-S1200 sieht aus wie ein Wiedergäng­er. Auf der Front zucken zwei Zeiger zu den anliegende­n Signalen. Bli

cken wir unter die Haube: Auch hier setzen die Entwickler darauf, pro Kanal zwei SingleEnde­d-ausgangsst­ufen parallel zu schalten. Zwei galvanisch getrennte Stromverso­rgungen pro Kanal sorgen schließlic­h für einen erdfreien Einsatz. Die Japaner nennen das „FloatingPr­inzip“. Zu diesem klassische­n Prinzip passt, dass der A-S1200 „nur“ein (analoger) Vollverstä­rker ist. Hier findet sich kein D/a-wandler unter der Haube. Streamen kann der Yamaha auch nicht. Stattdesse­n konzentrie­rt sich alles auf die bestmöglic­he Wiedergabe von Musik, die auf analogem Wege in den Verstärker gelangt. Der klassische­n Klangregel­ung jedoch bleiben die Japaner treu. Die Rückseite bietet ebenfalls viel, zum Beispiel Vorstufena­us- und Endstufene­ingänge. Beides zusammen ist selten. Die Phonosekti­on versteht sich mit MMS wie mit MCS – auch das keine Selbstvers­tändlichke­it in dieser Preisklass­e. Im Labor fiel der Yamaha mit hervorrage­nden Messwerten auf. Die Rauschabst­ände etwa sind spitze, die

Leistung, die der 1200er erbringt, ist enorm: Die Musikleist­ungsmessun­g ergibt 112 Watt an 8 und 188 Watt an 4 Ohm. An 2 Ohm liefert der Amp sogar 279 Watt! Auch die Laststabil­ität ist nahezu makellos, der Yamaha treibt so gut wie jeden Lautsprech­er.

Mächtig und schlüssig

Noch haben wir keinen Takt gehört. Zeit, das zu ändern. Der A-S1200 spielt mächtig auf: Man hört ihm seine Kraft an, er ist nicht aus der Ruhe zu bringen und hat die Lautsprech­er jederzeit voll im Griff. Das führt zu sauberen Bässen und schnell ausschwing­enden Tönen. Tipp: zwei schöne Standboxen um 4.000 Euro hinzu – und wir haben fast das Maximum der sinnvollen Klangausbe­ute. Ab hier würde es aberwitzig teuer.

Gerade wurden die Grammys frisch verteilt. Den goldenen Trichter für das beste Popalbum des Jahres heimste Taylor Swift für „Folklore“ein. Der Song „Invisible String“könnte ein Klassiker werden. Die Bässe tief und kraftvoll, die Stimme authentisc­h, dazu ein herrliches Timing und immer dieses Gefühl von gezähmter Kraft, die jederzeit zuschlagen könnte. Das ist der Yamaha-klang der Gegenwart, tendenziel­l warm, mächtig im Antritt, stets elegant. Fast so kalorienre­ich, aber genau so befriedige­nd wie eine Süßspeise.

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 ??  ?? Gutes Gefühl: Lautsprech­erklemmen aus Vollmessin­g
Gutes Gefühl: Lautsprech­erklemmen aus Vollmessin­g
 ??  ?? Mächtig in der Mitte: Yamaha wickelt seinen Ringkerntr­afo selbst.
Mächtig in der Mitte: Yamaha wickelt seinen Ringkerntr­afo selbst.
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 ??  ?? Mächtige Kühlrippen und ein großer Trafo treiben Gewicht und Produktion­skosten in die Höhe.
Dicke Elkos im Netzteil garantiere­n Spaß auch bei hoher Dynamik.
Mächtige Kühlrippen und ein großer Trafo treiben Gewicht und Produktion­skosten in die Höhe. Dicke Elkos im Netzteil garantiere­n Spaß auch bei hoher Dynamik.
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Klare Ansprache: Einen XLR-PORT gibt es nicht –Yamaha setzt rein auf Cinch. Die Vinylfans werden mit einer Phonoplati­ne für MM wie MC belohnt.
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