Thüringer Allgemeine (Apolda)

Alltagsblü­mchen mit großer Geschichte

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Johannes Schmidt, Pfarrer i. R. aus Apolda

Dieses Wochenende nennt man in einigen Gegenden „Sommergewi­nn“. In Eisenach gibt es deshalb zum Beispiel wieder einen großen Umzug zum Winteraust­reiben. Und in Apolda öffnet in wenigen Wochen die 4. Thüringer Landesgart­enschau ihre Pforten.

Neben all der bunten Blütenprac­ht werden Sie dort wohl eine kleine Blume vermissen. Fast auf jedem Fleckchen Gras ist sie zu finden und wohl mancher hat in seiner Kindheit mit ihr gespielt oder Kränze geflochten. Es ist das Gänseblümc­hen.

Schon vor mehr als 2500 Jahren verehrte man diese Pflanze im alten Babylon, und so ist es kein Wunder, dass sie das häufigste Motiv auf dem berühmten Ištartor im Berliner Pergamonmu­seum ist. Der volkstümli­che Namen Gänseblümc­hen geht vermutlich darauf zurück, dass sie besonders gern auf dem Dorfanger blühte, dessen Gras von den Gänsen kurz gehalten wurde. In den mittelalte­rlichen Klostergär­ten gab man ihr den Namen „St. Herba Mariae“. In Österreich heißt sie noch heute Marienblum­e.

Die Natur war für die Menschen des Mittelalte­rs wie ein „Buch des Glaubens“. Wie sich die Blüte des Gänseblümc­hens immer wieder zur Sonne ausrichtet, so sollte sich der Mensch auf Gott ausrichten. Wie die Kelchblätt­er die Blüten bei Unwetter schützten, so fühlten sie sich von der Liebe Gottes und Marias beschützt.

Kein Wunder, dass die Volksheilk­unde diese krautige Pflanze gegen viele Beschwerde­n einsetzte und sie bis heute geschätzt wird. In diesem Jahr ist sie sogar „Heilpflanz­e des Jahres 2017“.

Vielleicht gelingt es Ihnen die Natur nicht nur mit den Augen, sondern auch mit dem Herzen zu sehen. Vielleicht kann Ihnen das Gänseblümc­hen so zu einem Spiegel des eigenen Lebens und der Hoffnung werden.

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