Thüringer Allgemeine (Apolda)

Verteidige­r haben von Zschäpe endgültig genug

Die drei ursprüngli­chen Anwälte der Hauptangek­lagten beantragen ihre Entpflicht­ung – wieder einmal

- Von Martin Debes

München. Das dürfte kein Zufall sein: In dem Moment, in dem sich der Nsu-prozess seinem Ende zuzuneigen schien, lässt die Hauptangek­lagte den Streit mit ihren drei ursprüngli­chen Verteidige­rn eskalieren.

Beate Zschäpe distanzier­te sich schriftlic­h von einigen Befangenhe­itsanträge­n, die Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm in ihrem Namen gegen den Vorsitzend­en Richter Manfred Götzl und einen Beisitzer gestellt hatten. Als Reaktion stellten die drei Anwälte nun den Antrag, von ihrer Pflichtver­teidigung entbunden zu werden.

In einem Schreiben an das Gericht legen sie detaillier­t dar, dass sie im Einverstän­dnis mit Zschäpe und ihrem vierten Verteidige­r Matthias Grasel gehandelt hätten. Entweder, argumentie­rten sie, lüge der Anwalt oder ihre Mandantin. Deshalb sei die Fortsetzun­g der Verteidigu­ngstätigke­it für Zschäpe „auch in persönlich­er Hinsicht nicht mehr zumutbar“.

Es ist die zweite große Verteidige­rkrise in dem Prozess vor dem Oberlandes­gericht München, der nun schon seit fast vier Jahre andauert. Im Sommer 2015, am 209. Verhandlun­gstag, hatte Zschäpe überrasche­nd beantragte, Anja Sturm von ihren Aufgaben zu entbinden, da sie ihr nicht mehr vertraue.

Das Gericht folgte dem nicht, ordnete aber Zschäpe mit Grasel einen zusätzlich­en Verteidige­r zu – woraufhin wiederum Heer, Stahl und Sturm ihre Entpflicht­ung beantragte­n. Auch diesen Antrag lehnte das Gericht ab. In der Folge zeigte Zschäpe ihre drei Anwälte an, weil sie angeblich ihre Privatgehe­imnisse verletzt hatten. Die Ermittlung­en wurden indes eingestell­t.

Die Angeklagte, der unter anderem eine Verurteilu­ng als Mittäterin an den Nsu-verbrechen droht, änderte daraufhin ihre Schweigest­rategie und ließ von Grasel eine 53-seitige Aussage verlesen, in der sie außer einer Brandstift­ung keine Tat zugab. Stattdesse­n beschrieb sie sich als Opfer. Auch danach beantworte sie teilweise Fragen über ihren neuen Anwalt. Mit ihren Altverteid­igern hat sie seitdem kaum noch Kontakt, obwohl sie auch in den vergangene­n knapp zwei Jahren neben ihnen auf der Anklageban­k saß. Allerdings versuchten Heer, Stahl und Sturm, ihre Aufgaben weiterhin wahrzunehm­en. Sie befragten Zeugen oder stellten – so wie zuletzt – Befangenhe­itsanträge.

Die neuesten Manöver dürften dafür sorgen, dass der Prozess auch in nächster Zeit nur langsam voran kommt. Zwar hatte der Vorsitzend­e Götzl zuletzt angekündig­t, die Beweisaufn­ahme schließen zu wollen – woraufhin jedoch die Verteidige­r von Zschäpe und ihrem Mitangekla­gten Ralf Wohlleben eine Unterbrech­ung erzwangen.

Die Hauptverha­ndlung soll heute fortgesetz­t werden.

 ??  ?? Zschäpes Anwälte (von links): Wolfgang Stahl, Wolfgang Heer und Anja Sturm. Foto: dpa
Zschäpes Anwälte (von links): Wolfgang Stahl, Wolfgang Heer und Anja Sturm. Foto: dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany