Wider das Pflichtschuldige
Michael Helbing findet, Kultur muss nicht unbedingt sein – sie muss gewollt sein
Es lassen sich Wetten darauf abschließen, wann das Wort fällt, wenn eine kulturpolitische Runde zusammenkommt. Als sich etwa jüngst lauter Kulturamtsleiter in Weimar trafen, dauerte es keine Stunde, da fiel es: das Wort von der Kultur als Pflichtaufgabe.
Die Pointe war, dass just an jenem Morgen in dieser Zeitung zu lesen stand: „Sport ist eine Pflichtaufgabe“. Man zitierte derart den Präsidenten des Landessportbundes: nicht mit einer kommunalrechtlichen Feststellung, aber mit einem verfassungsrechtlichen Standpunkt. Vorgetragen gelegentlich eines zu novellierenden Sportfördergesetzes. Da hat man der Kultur was voraus: Das Gesetz gibt’s seit mehr als 20 Jahren, ein Kulturfördergesetz, obschon von Rot-rot-grün vertraglich vereinbart, steht in den Sternen.
Kultur als Pflichtaufgabe ist allein in Sachsen Gesetz (genau so lange übrigens schon, wie es ein Thüringer Sportfördergesetz gibt). Das macht mit einigem Recht andernorts aber keine Schule.
Denn abgesehen davon, dass es die sächsische Kultur auch nicht vor existenziellen Krisen bewahrte: Es war dies doch ein Exempel für einen Bärendienst.
Theater, Bibliotheken, Museen (oder auch Sportstätten) müssen nicht so unbedingt sein wie Energie und Wasser, wie Brand- oder Katastrophenschutz. Sie müssen vielmehr unbedingt gewollt sein. Sie sollten eines gewissen Legitimationsdrucks nicht entbehren – so wie Politik und Gemeinwesen nicht des Drucks, hier ihren Gestaltungswillen zu behaupten.
Es war ein wohlfeiler Akt, als Thüringens Linke 2014 „Kultur muss Pflichtaufgabe werden“ins Wahlprogramm schrieben und die Grünen dergleichen in dem ihren „anstrebten“. Kurz nach der Wahl war kaum noch die Rede davon, der neue linke Kulturminister ging auf Abstand.
Stattdessen sprach der neue Ministerpräsident in der ersten Regierungserklärung: „Den Kommunen will ich zudem durch eine verbesserte Finanzausstattung helfen, nicht nur ihre Pflichtaufgaben zu erfüllen, sondern auch ihrer eigentlichen Königsaufgabe, den sogenannten freiwilligen Leistungen nachzukommen.“Das war vernünftiger – und verfassungsgemäß. Zweieinhalb Jahre später aber sind wir damit kaum weiter.
Erfurt wirbt für jüdisches Kulturerbe
Erfurt. Thüringen will heute in Berlin für einen gemeinsamen Welterbeantrag Erfurts und der drei Rheinstädte Speyer, Worms und Mainz werben. Man sieht bei einem gemeinsamen Vorgehen größere Chancen, den begehrten Unesco-welterbetitel zu bekommen. Erfurt könne einmalige Zeugnisse der vom 11. bis 14. Jahrhundert bedeutenden jüdischen Gemeinde einbringen. (dpa)