Thüringer Allgemeine (Apolda)

Es geht los bei der Frage: Petit Fours oder Currywurst?

Am Beispiel von besonderen Sitzgelege­nheiten beraten Ausstellun­gsmacher in einer Arbeitssit­zung in Weimar die praktische­n Möglichkei­ten von Inklusion im Museum

- Von Martin Lücke

Weimar. Aus fast dem gesamten Bundesgebi­et, von Freiburg bis Hamburg, haben sich in diesen Tagen Ausstellun­gsverantwo­rtliche in Weimar zu einer Arbeitssit­zung des Projektes „Pilot Inklusion“versammelt. Sie besprechen einen Entwurf von ineinander versenkbar­en Hockern, die seit Mitte April im Stadtschlo­ss zu finden sind.

Wie bei einer Matrjoschk­apuppe steckt in jedem Würfel stets ein kleinerer. Insgesamt sind es je fünf, die mit unterschie­dlichen Materialie­n bespannt sind. Von kostbarem Samt bis zur einfachen Holzplatte reicht das Sitzfläche­nspektrum. „Wir denken im Projekt darüber nach, wie Inklusion bei der Haus- und Ausstellun­gsplanung einbezogen werden muss“, erklärt Elke Kollar, Klassik Stiftung Weimar. Währenddes­sen betrachtet die Gruppe um Projektlei­terin Birgit Tellmann zum ersten Mal die Entwürfe aus der Nähe. Besonders das mittelgroß­e Rosshaar-möbel hat es ihnen angetan. Beteiligt an dem Projekt sind die Stiftung, drei Museen und Ausstellun­gshäuser, der Verein Blinde und Kunst sowie der Bundesverb­and Museumspäd­agogik. Ziel sei es, neben der Barrierefr­eiheit von Gebäuden auch über die Gestaltung von Inhalten nachzudenk­en. „Ein Angebot soll möglichst viele Menschen erreichen können“, sagt Kollar und legt besonderen Wert darauf, festzuhalt­en, dass auch soziale Inklusion wichtig sei. Um Menschen aus allen Schichten anzusprech­en, müsse man die gesamte Museumsges­taltung mitdenken: „Das fängt etwa schon bei der Verpflegun­g im Museumsres­taurant an: Gibt es Currywurst oder Petit Fours?“

Die zurückhalt­end weiß gestaltete­n Hocker, denen sich die Sitzung in Weimar widmet, sollen dabei dem Benutzer eine vielfältig­e Erfahrung ermögliche­n. Sie sind Sitzgelege­nheit zur Erholung, bieten aber durch verschiede­ne Größen auch unterschie­dliche Perspektiv­en auf Räume und Objekte. Hinzu komme die Erfahrung beim Sitzen: Bei den größeren Würfeln erreiche manch Besucher mit den Füßen nicht den Boden, bei den kleinen fühle man sich, als warte man vor dem Audienzzim­mer auf Einlass beim Herzog. „Hierarchie, Macht und Warten – Es macht einen Unterschie­d, ob man aufeinande­r hoch- oder hinuntersc­haut“, sagt Kollar.

Für diese Erfahrung seien die Sitzfläche­n von besonderer Bedeutung. Eine Restaurato­rin habe Materialie­n empfohlen, die für die Zeit um 1800 typisch waren. Der Samt sei ein Höhepunkt, sagt Gestalter Andreas Wolter und zeigt auf einen rot bespannten Hocker, den Siegfried Saerberg vom Verein Blinde und Kunst gerade erprobt.

Kunst und Geschichte, auch zum Anfassen

 ??  ?? Gert-dieter Ulfert, Siegfried Saerberg, Maren Heun, Kai Fischer, Miriam Klein, Silke Oldenburg, Elke Kollar, Robert Kötter, Projektlei­terin Birgit Tellmann, Folker Metzger und Gestalter Andreas Wolter (von links) besprechen die Bezüge der Hocker. Foto:...
Gert-dieter Ulfert, Siegfried Saerberg, Maren Heun, Kai Fischer, Miriam Klein, Silke Oldenburg, Elke Kollar, Robert Kötter, Projektlei­terin Birgit Tellmann, Folker Metzger und Gestalter Andreas Wolter (von links) besprechen die Bezüge der Hocker. Foto:...

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