Das neue Weltklima
Donald Trump verweigert beim G7-gipfel die Kooperation mit den Industrienationen. Europa muss reagieren
Berlin. Von der ersten Auslandsreise des Us-präsidenten Donald Trump bleiben einige Bilder hängen. Etwa das vom Nato-gipfel am Donnerstag in Brüssel. Trump bahnt sich durch die Gruppe der Staats- und Regierungschefs den Weg in die erste Reihe. Vor laufenden Kameras schiebt er den Ministerpräsidenten Montenegros rüde beiseite. Die Botschaft: „Weg da! Ich bin hier der Boss.“
Gleiches Spiel während des Abschlusstreffens beim G7-gipfel im sizilianischen Taormina am Sonnabend. Der italienische Ministerpräsident Paolo Gentiloni, Gastgeber des Spitzentreffens der Chefs der Industriestaaten, hält eine Rede. Seine Amtskollegen haben Kopfhörer auf und hören zu. Nur Trump nicht. Er sitzt mit verschränkten Armen da und stiert vor sich hin. Eine offene Brüskierung.
Muskelspiele, Imponiergehabe, Einschüchterungsversuche: Der Poltergeist aus Washington führte sich bei Nato und EU auf wie der Elefant im Porzellanladen. Und er genoss die Rolle. Für das heimische Publikum sollen die Fotos eines signalisieren: „Ich habe es den Weicheiern in Europa und Rest-übersee mal wieder gezeigt.“Was bleibt übrig von Trumps neuntägiger Visite?
Der geschrumpfte Westen: Spätestens seit dem Fiasko beim G7-gipfel in Taormina ist klar: Trumps Schlachtruf aus dem Wahlkampf – „Amerika zuerst“– wird zur Leitlinie. Washington schert sich nicht um internationale Abkommen wie den Klimavertrag. Zwar haben sich die Amerikaner im G7schlusspapier zum Kampf gegen Protektionismus und für ein multilaterales Handelssystem bekannt, doch dieses Zugeständnis ist wertlos. Trump wettert unverdrossen gegen die erfolgreiche deutsche Exportindustrie.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat begriffen, dass Trump nur an sein heimisches Publikum denkt. Mittlerweile ist ihr klar, dass die Partnerschaft mit den USA Risse hat, das Vertrauen und die Kalkulierbarkeit sind dahin. „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei. Das habe ich in den letzten Tagen erlebt“, sagte sie am Sonntag in einer Bierzeltrede in München-trudering.
Mit der neuen politischen Ausrichtung der USA ist die Wertegemeinschaft des Westens dahin. Zur Hochzeit des Kalten Krieges waren Demokratie, Meinungsund Versammlungsfreiheit und der Rechtsstaat die Eckpfeiler im transatlantischen Verhältnis. Der Westen verstand sich als Gegenmodell zum Sowjet-kommunismus. Und die USA begriffen sich als Führungsmacht des Westens.
Unter Trump ist in den USA staatspolitischer Egoismus Trumpf. Der wahre Westen besteht heute aus Westeuropa. Nur hier werden Demokratie, Freihandel und die Idee einer auf Ausgleich bedachten multilateralen Politik hochgehalten.
Das neue Europa: Angesichts der Verbreitung eines Autokratismus in Russland, der Türkei, China und neuerdings auch den USA liegen nun alle Hoffnungen auf Kerneuropa. Die Gründungsstaaten der EU – Deutschland, Frankreich, Italien und Benelux – müssen sich als dynamische Kräfte für Demokratie und Freihandel profilieren. Merkel und der neue französische Präsident Emmanuel Macron sind geradezu verdammt, der Gemeinschaft neue Impulse zu geben.
Merkels Rolle: Die Kanzlerin ist nicht nur reine Schlüsselspielerin in der EU. Auch bei der Lösung des Ukraine-konflikts, der Rettung des internationalen Klimavertrags oder der Entschärfung der Flüchtlingskrise steht sie an vorderster Stelle.
G20-gipfel in Hamburg: Das Spitzentreffen der Staats- und Regierungschefs der 20 Industrie- und Schwellenländer am 7. und 8. Juli in Hamburg wird für Merkel zur großen Herausforderung. Sollten die Amerikaner aus dem Klimavertrag ausscheiden, muss sie den Kampf gegen die Erderwärmung mit dem Rest der Welt vorantreiben. Ohne die USA sind das Länder, die 86 Prozent der Co2-emissionen verursachen. Die Kampagne für den Freihandel ist eine weitere Herkulesaufgabe.
Fazit: Mit dem kruden Unilateralismus von Us-präsident Trump wird die Welt noch komplizierter und unberechenbarer. Den klassischen Westen mit der Führungsmacht USA gibt es nicht mehr. Trump will sich aus der internationalen Konfliktregelung weitgehend heraushalten, was Russland, der Türkei oder Iran mehr Spielraum verleiht. Beim Freihandel fallen sowohl die USA als auch China als Leuchttürme aus – auch wenn Peking das Gegenteil behauptet. Bleibt nur noch ein Hoffnungsträger als Antreiber für Demokratie und Marktwirtschaft: Kerneuropa mit der Avantgarde Deutschland und Frankreich.