CHIO in Aachen: Die Springreiter gehen mit der Zeit
Beim Weltfest des Pferdesports überzeugt die Generation nach Ludger Beerbaum und Co. – in der Dressur regiert hingegen eine Dauersiegerin
Aachen.
In Aachen sieht man sicher nicht so viele Hüte wie beim königlichen Pferderennen von Ascot. Aber die, die einen hatten, durften sich am Sonntag beim CHIO-Springfinale glücklich schätzen. Gegen Ende des ersten Umlaufs entluden sich beim Großen Preis von Aachen dicke Regenwolken. Hector, das Belgische Warmblut des Iren Bertram Allen, sprang vor Schreck mitten hinein in ein Hindernis und nicht darüber. Ein Raunen im Publikum, ein beruhigendes Tätscheln des Reiters. Alles gut gegangen. „So ist Aachen“, sagte der Stadionsprecher. Das hörte man häufig, der CHIO ist unberechenbar.
Das würde Otto Becker wohl so unterschreiben. Der Bundestrainer der deutschen Springreiter war mit überschaubar hohen Erwartungen (und ohne Hut) zum Weltfest des Pferdesports gekommen — und konnte es als zufriedener Mann verlassen. Mit einem Koffer voller Eindrücke. „Wir schauen uns unsere vielen neuen, teils sehr jungen Paare in Ruhe weiter an“, sagte er und wollte sich noch nicht festlegen, wer mit zu den Europameisterschaften in Göteborg (22. bis 27. August) fahren darf. Becker wird nicht müde zu wiederholen: „Wir befinden uns in einem Umbruch.“
Denn im erfolgsverwöhnten Team der Springreiter sieht es so aus: Ludger Beerbaum, gefühlt seit einer Ewigkeit Deutschlands Erfolgsgarant, hat sich vom Mannschaftsspringen verabschiedet. Christian Ahlmann, Daniel Deußer und BeerbaumSchwägerin Meredith MichaelsBeerbaum stehen derzeit keine Pferde auf Championats-Niveau zur Verfügung. Einzig Marcus Ehning ist aus dem BronzeTeam von Rio verblieben.
Wie stark die Nachrücker sind, hatte sich in Aachen beim Nationenpreis angedeutet, den das junge deutsche Team gewann. Auch wenn die deutschen Starter im eine-Million-Euroschweren Großen Preis am Sonntag dem belgischen Überraschungssieger Gregory Wathelet nicht gefährlich werden konnten, so zeigten einige wie die beiden 23-Jährigen Maurice Tebbel oder Laura Klaphake doch ihr Potenzial.
Mehr als nur Potenzial bewies Isabell Werth. Die erfolgreichste Dressurreiterin der Welt hat mit einer makellosen Kür zum elften Mal den Großen Preis von Aachen gewonnen. „Das war tatsächlich nahe an der Perfektion“, staunte die Reiterin aus Rheinberg, die während des CHIO 48 Jahre alt wurde. Am Sonntag, einen Tag nach ihrer Niederlage gegen die US-Amerikanerin Laura Graves im Grand Prix Special, rückten Werth und ihr scheinbar schwerelos schwebendes Olympiapferd Weihegold die Kräfteverhältnisse zurecht. Werth fährt nun als Favoritin zur EM nach Göteborg.