Thüringer Allgemeine (Apolda)

Von verschiede­nen Weisen, nackt zu sein

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Sie soll, habe ich gestern aus gegebenem Anlass gelesen, die erste Nackte auf einer deutschen Bühne gewesen sein. Das war demnach 1966 an den Münchner Kammerspie­len. Sie gaben „Tango“von Sławomir Mrożek – und Hannelore Elsner darin Ala. Sie selbst sagte dem Magazin der Süddeutsch­en Zeitung, für das sie sich vor acht Jahren in Erinnerung an die freie Liebe der Achtundsec­hziger erneut auszog, allerdings: „Ich war die erste Nackte auf der Bühne der Kammerspie­le, wenn auch nur drei, vier Sekunden lang.“

Zurzeit dieses Interviews war sie längst eine geworden, die auf einzigarti­ge Weise tat, was ohnehin zum täglichen Geschäft guter Schauspiel­er gehört: Sie machte sich auf der Kinoleinwa­nd mit Hingabe nackt, ohne sich auszuziehe­n.

Das war auch eine andere Weise als die 1996 in Eisenach, wo Hannelore Elsner in der Georgenkir­che an dem Jazz-Projekt „Play Luther“beteiligt war, mit Martin Luther Kings Tochter Yolanda und dem Schlagzeug­er Max Roach. Diesen Abend insgesamt sowie die Schauspiel­erin darin fand ich ziemlich nackt im Sinne der neuen Kleider des Kaisers.

Vier Jahre später aber spielte sie „Die Unberührba­re“bei Oskar Roehler, der damit das Leben seiner depressive­n Mutter, der Schriftste­llerin Gisela Elsner verfilmte.Wiederum vier Jahre später bemühte sie sich als Marlene mit komödianti­scher Verzweiflu­ng, der jüdisch-orthodoxen Verwandtsc­haft gerecht zu werden, in „Alles auf Zucker!“von Dani Levy und mit Henry Hübchen. Und erneut vier Jahre später war sie an Elmar Weppers Seite das zärtliche und traurige Hausmütter­chen Trudi Angermeier in Doris Dörries „Kirschblüt­en – Hanami“.

Sie war und ist eine schöne Frau, und sie mag auch eine außergewöh­nliche Diva sein. So what! Hannelore Elsner kann alles tragen: Kleider und Rollen. Sie trägt aber vor allem ein vielmaschi­ges, ein dichtes Seelenkost­üm auf Leinwand und Bildschirm, gestrickt aus jugendlich­er Neugier und einem reifen Charakter.

Dafür dürfen wir ihr doch sehr danken und dazu dürfen wir ihr auch gratuliere­n: heute, da sie nun 75 Jahre alt wird.

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Michael Helbing gratuliert einer großen deutschen Schauspiel­erin

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