„Gefährlicher als TNT-Sprengstoff“
Freistaat profitiert von EU-Geldern Landtag debattiert zum Fund in Ostthüringen. Innenminister: Auch die geringe Menge ist nicht unerheblich
Erfurt.
Thüringen profitiert im Vergleich der Bundesländer überdurchschnittlich von Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF). Mit 771 Euro pro Einwohner liege das Land in der laufenden Förderperiode (2014 bis 2020) im bundesweiten Vergleich hinter SachsenAnhalt und Mecklenburg-Vorpommern auf dem dritten Platz, sagte Sozialministerin Heike Werner (Linke) am Dienstag in Erfurt.
Zuvor hatte sie im Kabinett eine Zwischenbilanz über den ESF-Fördermitteleinsatz gezogen. Demnach sind von den für die sechs Jahre der Förderperiode zur Verfügung stehenden 625 Millionen Euro nach der Hälfte der Laufzeit Mittel in Höhe von 330 Millionen Euro bewilligt worden. (epd)
Erfurt/Rudolstadt.
Im Thüringer Landtag ist gestern aufgeheizt über den Sprengstoff-Fund in Rudolstadt und UhlstädtKirchhasel debattiert worden .
Einem 25-jährigen und einem 31-jährigen Tatverdächtigen aus Rudolstadt wird seit vergangenem Dienstag vorgeworfen, eine Sprengstoffstraftat vorbereitet zu haben. Innenminister Georg Maier (SPD) mahnte zur Versachlichung der Diskussion. Er machte aber deutlich, dass die gefundene Menge Sprengstoff (ETN) zwar mit 2,3 Gramm gering sei, allerdings als gefährlicher eingestuft wird, als der Sprengstoff TNT. „Insofern ist die geringe Menge nicht unerheblich“, sagte Maier. Er verwies auch darauf, dass etwa 100 Kilogramm Material gefunden worden sei, das zum Sprengstoffbau geeignet sei. Maier machte öffentlich, dass sich aus den ausgewerteten Mobilfunkdaten Anhaltspunkte für eine Bedrohung der Erstzeugin, die die Polizei auf die Tatverdächtigen aufmerksam machte, ergeben hätten und weitere Straftaten nicht ausgeschlossen werden könnten. Das begründe das schnelle Eingreifen der Polizei, die Maier ausdrücklich lobte. Haftgründe hätten allerdings nicht vorgelegen.
Hintergrund der Landtagsdebatte sind Fund und der politische Umgang mit dieser brisanten Entdeckung der Thüringer Polizei. Denn ein Beschuldigter ist Mitglied eines Demokratiebündnisses gewesen und wurde auf dessen Internetseite bis vergangenen Donnerstagmorgen noch als dessen Pressesprecher geführt. Außerdem steht der 31Jährige in Verbindung mit mindestens einer Autonomen-Gruppe. Innenminister Georg Maier wiederholt im Plenum dennoch, dass es bisher keine Anhaltspunkte für ein politisches Motiv sowie konkret mit dem Sprengstoff geplante Taten gebe. Der zweite Beschuldigte, ein 25-Jähriger Arbeitsloser mit kleinkrimineller Laufbahn, war einen Tag inhaftiert.
Mike Mohring, Fraktionschef der CDU, macht deutlich, dass er keine Relativierung dulden will. „Das ist kein Budenzauber“, ruft er vom Rednerpult in den Plenarsaal – unter eifrigen Zwischenrufen aus der LinkeFraktion. Deutlich tritt der Abgeordnete Steffen Harzer hervor, der ihm vorwirft, dass die CDU-Fraktion bei einem Sprengstoff-Fund und ausgehobenen Labor im Vorjahr geschwiegen habe. Beim Beschuldigten waren rechte Tendenzen bekannt geworden. Das wiederholt später der innenpolitische Sprecher der Linken, Steffen Dittes, vom Rednerpult. Er wirft Mohring vor, ein Sekundant der AfD zu sein. Wieder Zwischenruf. Diesmal Mohring: „Immer schön relativieren.“Eine Mohring-Zwischenfrage, ob der Unterschied zwischen Heiligenstadt und dem jetzt vorliegenden Fall nicht darin bestehe, dass diesmal eindeutige politische Aktivitäten eines Beschuldigten vorliegen würden und Dittes dem zustimme, beantwortet dieser unter Umgehung eben jener Frage. Stattdessen folgt die Mahnung zur Sachlichkeit in der Debatte. Man wisse bisher nicht um die Motive.
Diana Lehmann (SPD) distanziert sich deutlich von der Tat: „Das ist kein Kavaliersdelikt.“Die Debatte habe allerdings dazu geführt, dass die Arbeit von Bürgerbündnissen diffamiert werde, weil einer der Beschuldigten ein Mitglied gewesen sei.
AfD-Fraktionschef Björn Höcke wiederholt einen Vorwurf, dass das Bündnis aus SaalfeldRudolstadt in der Vergangenheit zur Gewalt aufgerufen habe – Zwischenruf aus den Koalitionsfraktionen: „Lüge.“Höcke fragt, ob staatliche Fördermittel möglicherweise für den Bombenbau verwendet wurden. Der Fraktionschef droht, „das Netzwerk aufzudecken“und zeigt sich überzeugt, „dass hier wahrscheinlich tatsächlich ein Kapitalverbrechen“vorbereitet worden sei.
Dass Dirk Adams (Grüne) bereits an sich halten muss, ist deutlich zu spüren während eben dieser Höcke-Rede. Sekunden später am Rednerpult entlädt sich die Wut auf die AfD mit den Worten „Lüge“und „diffamierende Rede“. Der Grüne, der Sache dann zugewandt, macht klar: „Es wird bei Straftaten kein Pardon gewährt.“Die parlamentarische Debatte beenden die Koalitionsfraktionen nach zweieinhalb Stunden. Der Innenausschuss wird sich erneut dem Fall zuwenden. Innenminister Georg Maier (SPD) kündigt an, einen Selbstbefassungsantrag dem Landtag bereits zugeleitet zu haben.