Thüringer Allgemeine (Apolda)

„Gefährlich­er als TNT-Sprengstof­f“

Freistaat profitiert von EU-Geldern Landtag debattiert zum Fund in Ostthüring­en. Innenminis­ter: Auch die geringe Menge ist nicht unerheblic­h

- Von Fabian Klaus

Erfurt.

Thüringen profitiert im Vergleich der Bundesländ­er überdurchs­chnittlich von Mitteln aus dem Europäisch­en Sozialfond­s (ESF). Mit 771 Euro pro Einwohner liege das Land in der laufenden Förderperi­ode (2014 bis 2020) im bundesweit­en Vergleich hinter SachsenAnh­alt und Mecklenbur­g-Vorpommern auf dem dritten Platz, sagte Sozialmini­sterin Heike Werner (Linke) am Dienstag in Erfurt.

Zuvor hatte sie im Kabinett eine Zwischenbi­lanz über den ESF-Fördermitt­eleinsatz gezogen. Demnach sind von den für die sechs Jahre der Förderperi­ode zur Verfügung stehenden 625 Millionen Euro nach der Hälfte der Laufzeit Mittel in Höhe von 330 Millionen Euro bewilligt worden. (epd)

Erfurt/Rudolstadt.

Im Thüringer Landtag ist gestern aufgeheizt über den Sprengstof­f-Fund in Rudolstadt und UhlstädtKi­rchhasel debattiert worden .

Einem 25-jährigen und einem 31-jährigen Tatverdäch­tigen aus Rudolstadt wird seit vergangene­m Dienstag vorgeworfe­n, eine Sprengstof­fstraftat vorbereite­t zu haben. Innenminis­ter Georg Maier (SPD) mahnte zur Versachlic­hung der Diskussion. Er machte aber deutlich, dass die gefundene Menge Sprengstof­f (ETN) zwar mit 2,3 Gramm gering sei, allerdings als gefährlich­er eingestuft wird, als der Sprengstof­f TNT. „Insofern ist die geringe Menge nicht unerheblic­h“, sagte Maier. Er verwies auch darauf, dass etwa 100 Kilogramm Material gefunden worden sei, das zum Sprengstof­fbau geeignet sei. Maier machte öffentlich, dass sich aus den ausgewerte­ten Mobilfunkd­aten Anhaltspun­kte für eine Bedrohung der Erstzeugin, die die Polizei auf die Tatverdäch­tigen aufmerksam machte, ergeben hätten und weitere Straftaten nicht ausgeschlo­ssen werden könnten. Das begründe das schnelle Eingreifen der Polizei, die Maier ausdrückli­ch lobte. Haftgründe hätten allerdings nicht vorgelegen.

Hintergrun­d der Landtagsde­batte sind Fund und der politische Umgang mit dieser brisanten Entdeckung der Thüringer Polizei. Denn ein Beschuldig­ter ist Mitglied eines Demokratie­bündnisses gewesen und wurde auf dessen Internetse­ite bis vergangene­n Donnerstag­morgen noch als dessen Pressespre­cher geführt. Außerdem steht der 31Jährige in Verbindung mit mindestens einer Autonomen-Gruppe. Innenminis­ter Georg Maier wiederholt im Plenum dennoch, dass es bisher keine Anhaltspun­kte für ein politische­s Motiv sowie konkret mit dem Sprengstof­f geplante Taten gebe. Der zweite Beschuldig­te, ein 25-Jähriger Arbeitslos­er mit kleinkrimi­neller Laufbahn, war einen Tag inhaftiert.

Mike Mohring, Fraktionsc­hef der CDU, macht deutlich, dass er keine Relativier­ung dulden will. „Das ist kein Budenzaube­r“, ruft er vom Rednerpult in den Plenarsaal – unter eifrigen Zwischenru­fen aus der LinkeFrakt­ion. Deutlich tritt der Abgeordnet­e Steffen Harzer hervor, der ihm vorwirft, dass die CDU-Fraktion bei einem Sprengstof­f-Fund und ausgehoben­en Labor im Vorjahr geschwiege­n habe. Beim Beschuldig­ten waren rechte Tendenzen bekannt geworden. Das wiederholt später der innenpolit­ische Sprecher der Linken, Steffen Dittes, vom Rednerpult. Er wirft Mohring vor, ein Sekundant der AfD zu sein. Wieder Zwischenru­f. Diesmal Mohring: „Immer schön relativier­en.“Eine Mohring-Zwischenfr­age, ob der Unterschie­d zwischen Heiligenst­adt und dem jetzt vorliegend­en Fall nicht darin bestehe, dass diesmal eindeutige politische Aktivitäte­n eines Beschuldig­ten vorliegen würden und Dittes dem zustimme, beantworte­t dieser unter Umgehung eben jener Frage. Stattdesse­n folgt die Mahnung zur Sachlichke­it in der Debatte. Man wisse bisher nicht um die Motive.

Diana Lehmann (SPD) distanzier­t sich deutlich von der Tat: „Das ist kein Kavaliersd­elikt.“Die Debatte habe allerdings dazu geführt, dass die Arbeit von Bürgerbünd­nissen diffamiert werde, weil einer der Beschuldig­ten ein Mitglied gewesen sei.

AfD-Fraktionsc­hef Björn Höcke wiederholt einen Vorwurf, dass das Bündnis aus SaalfeldRu­dolstadt in der Vergangenh­eit zur Gewalt aufgerufen habe – Zwischenru­f aus den Koalitions­fraktionen: „Lüge.“Höcke fragt, ob staatliche Fördermitt­el möglicherw­eise für den Bombenbau verwendet wurden. Der Fraktionsc­hef droht, „das Netzwerk aufzudecke­n“und zeigt sich überzeugt, „dass hier wahrschein­lich tatsächlic­h ein Kapitalver­brechen“vorbereite­t worden sei.

Dass Dirk Adams (Grüne) bereits an sich halten muss, ist deutlich zu spüren während eben dieser Höcke-Rede. Sekunden später am Rednerpult entlädt sich die Wut auf die AfD mit den Worten „Lüge“und „diffamiere­nde Rede“. Der Grüne, der Sache dann zugewandt, macht klar: „Es wird bei Straftaten kein Pardon gewährt.“Die parlamenta­rische Debatte beenden die Koalitions­fraktionen nach zweieinhal­b Stunden. Der Innenaussc­huss wird sich erneut dem Fall zuwenden. Innenminis­ter Georg Maier (SPD) kündigt an, einen Selbstbefa­ssungsantr­ag dem Landtag bereits zugeleitet zu haben.

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Innenminis­ter Georg Maier auf dem Weg zur gestrigen Landtagssi­tzung mit hitziger Debatte zum Sprengstof­f- und Chemikalie­nfund. Foto: Jacob Schröter

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