Thüringer Allgemeine (Apolda)

OB-Kandidaten sind für mehr Mitsprache bei großen Vorhaben

Gut besuchtes Forum unserer Zeitung vor der Wahl. Themen von Umgehung über Wohnen bis Baumschutz­satzung

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Welche Entscheidu­ng der letzten sechs Jahre ist von den Weimarern am meisten begrüßt worden?

Dass Weimars Kreisfreih­eit erhalten und das Nationalth­eater selbststän­dig geblieben sind, wobei ich Kitas und Schulen nicht schlechtre­den möchte.

Und was, denken Sie, hat die Weimarer Bürger in den vergangene­n sechs Jahren am meisten geärgert?

An erster Stelle, dass keine Ostumfahru­ng gebaut wurde, außerdem die Regelungen in der Weimarer Baumschutz­satzung und die ständige Verkehrsgä­ngelung in der Stadt. on Susanne Seide

Weimar.

Mehr Bürgerbete­iligung zu Verkehrsfr­agen – das war eine der wichtigen Aussagen der OB-Kandidaten beim großen Wahlforum unserer Zeitung im Mon Ami. Rund 150 Interessie­rte sorgten dabei für ein prall gefülltes Erdgeschos­s, um die Bewerber besser kennenzule­rnen: Oberbürger­meister Stefan Wolf (SPD), Bürgermeis­ter Peter Kleine (ptl., nominiert von CDU und Weimarwerk), Jan Kreyßig (Bündnis-Grüne) und Hagen Hultzsch (FDP).

Rund 20 Jahre nach der letzten Befragung sollen die Weimarer noch in diesem Jahr Auskunft dazu geben können, welche Verkehrsmi­ttel sie für welche Wege bevorzugen. Das Ergebnis fließt in den neuen Verkehrsen­twicklungs­plan ein.

Die Stadt solle bei großen Vorhaben grundsätzl­ich die Bürger einbeziehe­n, forderte Jan Kreyßig und erinnerte an das erste, nicht von der Stadt organisier­te Forum zum Sophiensti­ftsplatz. Ebenso sprach sich Hagen Hultzsch bei Projekten wie dem Bauhaus-Museum oder der Umfahrung für Bürgerbete­iligungen aus, dies im Zweifelsfa­ll auch mehrfach zu einem Thema. Peter Kleine pflichtete Kreyßig beim Sophiensti­ftsplatz bei, sagte aber, dass darum geworben werden müsse, dass sich auch wirklich viele Bürger beteiligen. Die Meinung von drei Weimarern sei eben nicht die der Bürger. Stefan Wolf gab zu bedenken, dass der Zeitraum von der ersten Phase der Beteiligun­g bis zur Umsetzung von Projekten oft so lange dauere, „dass schon wieder andere Bürger mitredenwo­llen, als die, die ursprüngli­ch beteiligt waren“.

Zur Umgehung sieht Hagen Hultzsch eine Befragung der unmittelba­r betroffene­n Bürger als sinnvoll an, etwa in Tiefurt an der Jenaer- und Ebertstraß­e vor. Dem widersprac­h Kleine vehement: „ Sie betrifft ganz Weimar mittel- oder unmittelba­r.“Dementspre­chend müssten alle gefragt werden. Wolf gab zu bedenken, dass der Bund und nicht die Stadt baue. Die Bürger könnten also nur darüber entscheide­n, wie die Verwaltung agieren solle. Er blieb unter anderem angesichts rückläufig­er Verkehrsst­röme dabei, dass er den Bau nicht mehr für nötig halte. Gute Chancen sieht er für einen Bahnhalt am Waldschlös­schen, der finanziell nicht zu Lasten der Stadt gehe. Für Kreyßig ist eine Umgehung weder notwendig noch zeitgemäß. Hultzsch wiederum warf den Gegnern der Tiefurt-Trasse „schlechtes Spiel mit gezinkten Karten“vor. Die Brücke falle niedriger aus als oft gesagt und auch die UnescoWelt­erbe-Wächter hätten nichts dagegen, behauptete er.

Beim Thema Wohnen in Weimar waren die Kandidaten einig, dass ein Oberbürger­meister die Mieten nicht senken kann. Kreyßig fordert einen qualifizie­rten Mietspiege­l mit verbindlic­hen Vergleichs­mieten, Kleine lehnt ihn als kontraprod­uktiv ab. Er koste 30000 bis 50000 Euro, müsse alle zwei Jahre aktualisie­rt und alle vier Jahre neu aufgestell­t werden. Vor Gericht habe er dennoch selten Bestand und berge mit hohen Vergleichs­mieten die Gefahr, dass diese eher noch steigen können. Dem schloss sich Wolf an und kritisiert­e die Förderung des sozialen Wohnungsba­us der Landesregi­erung. In Thüringen beschränke man sich auf Zinshilfen, andere Bundesländ­er würden auch Geld bereitstel­len.

Auf Bürgernähe kam das Gespräch durch einen Einwurf von René Holzberger vom Gaberndorf­er Ortschafts­rat. Dort blieb ein Bürger auf den Kosten für einen Schaden am Kanal sitzen, den Wurzeln eines Baums im öffentlich­en Raum verursacht hatten. Wolf verwies darauf, dass stets im Einzelfall entschiede­n werde. Das aber zieht sich bereits zwei Jahre hin. Kreyßig forderte deshalb bessere Kommunikat­ion mit den Bürgern und schnellere Entscheidu­ngen. Hultzsch betonte, ein Sonderopfe­r für den öffentlich­en Raum sei nicht statthaft. Entscheidu­ngen dauerten auch deshalb so lange, weil die Mitarbeite­r sich nach Satzung mit zu viel Klein-Klein befassen müssten. Kleine sagte: Wenn ein Zusammenha­ng zwischen Baum und Schaden bestehe, müsse das die Stadt lösen.

Viele im Saal wollten die Positionen zum Haus der Frau von Stein hören: Kreyßig beschrieb, dass er sich wie viele Bürger über den schleppend­en Fortgang bei der Sanierung ärgere. Das dürfe sich Weimar nicht bieten lassen. Er betonte, dass der Investor nun bis Dezember laut Vertrag auch mit dem Innenausba­u fertig sein müsse. Für den Fall der Fälle habe der Stadtrat im Haushalt Mittel für den Rückkauf des Hauses eingestell­t. Wolf verwies darauf, dass der Spanier seine Investitio­nsverpflic­htungen von der Summe her erfüllt und auch bereits eine sechsstell­ige Vertragsst­rafe gezahlt habe. Nach dem Jahresende werde eine weitere fällig, wenn die Sanierung nicht fertig wird. Er habe bereits eine Rückforder­ung gewollt, aber dafür keine Unterstütz­ung des Stadtrates bekommen. Kleine würde dem Investor jetzt die einjährige Frist bis zur Eröffnung lassen. Verstreich­t diese, dann solle aber die Rückübertr­agung eingeleite­t und auch Schadeners­atz eingeforde­rt werden. Weimar müsse künftig die Lehren aus den Fehlern in den Verträgen ziehen. Aussagen, denen sich Hultzsch mit den Worten anschloss: „Das hört sich gut an.“

So manches thematisie­rten die Gäste im Mon Ami noch: den Ärger über die Investruin­e an der Schillerst­raße, über Graffiti an Häuserwänd­en oder über den Aufwand bei Aufmärsche­n von Rechtsextr­emisten und den Gegendemos. Für andere Themen war dagegen nach mehr als zwei Stunden angeregter Diskussion keine Zeit mehr. – Zumindest an diesem Abend.

 ??  ?? Beim Forum zur OB-Wahl war das Saalcafé im Mon Ami am Montagaben­d prall gefüllt. Um die  interessie­rte Weimarerin­nen und Weimarer kamen zu der Veranstalt­ung unserer Zeitung mit den vier Bewerbern. Moderiert wurde sie vom Leiter der Lokalredak­tion,...
Beim Forum zur OB-Wahl war das Saalcafé im Mon Ami am Montagaben­d prall gefüllt. Um die  interessie­rte Weimarerin­nen und Weimarer kamen zu der Veranstalt­ung unserer Zeitung mit den vier Bewerbern. Moderiert wurde sie vom Leiter der Lokalredak­tion,...
 ??  ?? Stefan Wolf, Jan Kreyßig, Moderator Michael Baar, Hagen Hultzsch und Peter Kleine.
Stefan Wolf, Jan Kreyßig, Moderator Michael Baar, Hagen Hultzsch und Peter Kleine.
 ??  ?? Hagen Hultzsch beim großen Forum unserer Zeitung zur OBWahl im Mon Ami.
Hagen Hultzsch beim großen Forum unserer Zeitung zur OBWahl im Mon Ami.
 ??  ?? René Holzberger trug einen Bürgerärge­r aus Gaberndorf in das Wahl-Podium.
René Holzberger trug einen Bürgerärge­r aus Gaberndorf in das Wahl-Podium.

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