Geld statt Panzer – reicht das?
Die Rufe, Deutschland solle der Ukraine schwere Waffen liefern, werden lauter. Doch die Regierung zögert
Berlin. Die russischen Angriffe im Osten der Ukraine nehmen zu. Wladimir Putins Streitkräfte sammeln sich für eine Großoffensive im Osten. Der Krieg tritt in eine neue Phase – er wird andauern, vielleicht wird das Land noch härtere Kämpfe als bisher erleben.
Es ist dieses militärische Szenario, das nun die Debatte in Deutschland über die Lieferung von mehr und schweren Waffen an Kiew rahmt. Die Bundesregierung, allen voran Kanzler Olaf Scholz (SPD), steht unter Druck, muss sich verteidigen gegen Kritik: Deutschland liefere zu wenig, zu langsam und keine schweren Waffen.
„Es ist wichtig, dass der Westen die Ukraine mit weiteren, wirkungsvolleren Waffen unterstützt.“
Cem Özdemir (Grüne), Landwirtschaftsminister
Am Freitag sickerte durch: Die Bundesregierung stockt die sogenannte Ertüchtigungshilfe in diesem Jahr von 225 Millionen auf zwei Milliarden Euro auf. Mit dem Programm werden Partnerländer in Krisenregionen unterstützt, damit sie in mehr Sicherheit investieren können. Aber eigentlich ist es ein Finanzschub für das ukrainische Militär: Es soll eine Milliarde Euro aus diesem Extra-Posten bekommen. Die Scholz-Regierung schickt Geld nach Kiew – aber keine Waffen. Der Tenor hinter den Kulissen: Von der Milliarde soll sich die ukrainische Regierung das kaufen, was sie für nötig hält. Auch bei deutschen Rüstungsunternehmen. Doch wann das Geld bewilligt wird, ist unklar. Die Ertüchtigungshilfe muss der Bundestag beschließen. Stand jetzt ist eine Sitzung Ende April dafür vorgesehen, den „Ergänzungshaushalt“für 2022 zu beschließen.
Geld statt Waffen – es ist der Versuch, Entschlossenheit zu demonstrieren, der Ukraine zur Seite zu stehen, zugleich aber nicht zu sehr das Signal auszusenden, Berlin mache sich mit Lieferungen etwa von Panzern
zur Kriegspartei.
Eine Gratwanderung.
Und: Das Manöver der Ampelkoalition lässt die Kritik nicht verstummen. Sogar in den eigenen Reihen wächst der Druck auf Scholz. „Russlands Krieg gegen die Ukraine entpuppt sich immer mehr als ein Angriff gegen die internationale Staatengemeinschaft“, sagte Ernährungsminister und Grünen-Politiker Cem Özdemir unserer Redaktion. „Darum ist es so wichtig, dass der Westen die Ukraine mit weiteren, wirkungsvolleren Waffen unterstützt – und da sollte sich Deutschland nicht ausnehmen.“Putin verfolge die Strategie, den Hunger zu verstärken, um Konflikte zu schüren. „Uns erreichen alarmierende Nachrichten aus der Ukraine, wo russische Truppen offenbar gezielt auch landwirtschaftliche Infrastruktur und Lieferketten zerstören.“
Auch FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sieht das Problem bei Scholz:
Er verhindere die Lieferung von schweren Waffen, so der Tenor. Mit Strack-Zimmermann und Hofreiter war auch der SPD-Außenexperte Michael Roth in der Ukraine. Auch er drängt auf mehr Waffen. Im Scholz-Lager stößt das auf Missmut. Ein Genosse kritisiert die Reise von Roth und Co. Das unschöne Bild, was entsteht: Roth zeigt Präsenz an der Seite der Ukraine, Kanzler Scholz zögert.
Die Opposition sieht bereits Deutschlands Ruf beschädigt. „Der offen ausgetragene Streit in der Koalition um die Waffenlieferungen in die Ukraine schadet dem Ansehen unseres Landes in der ganzen Welt“, sagte CDU-Chef Friedrich Merz unserer Redaktion. Er verwies auf das Meinungsbild im Bundestag. Es gebe eine Mehrheit auch für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine – „jenseits von SPD, AfD und Linkspartei“.
Scholz selbst hob zuletzt hervor, dass Deutschland jede Menge Waffen
liefere: Panzerfäuste, Flugabwehrgeräte, Munition. Dies geschehe in Absprache mit den westlichen Partnern. Nur: Seit Wochen geht es nicht um Panzerfäuste, sondern um schweres Gerät. Die Ukraine ist einerseits mit heftigen russischen Offensiven konfrontiert, andererseits versuchen die ukrainischen Streitkräfte auch Gebiete zurückzuerobern. Das geht nicht mit Waffensystemen zur Verteidigung wie Panzerfäusten und Flugabwehrraketen.
Tschechien und die Slowakei schicken bereits Panzer
Und: Andere westliche Staaten leisten längst mehr als Deutschland: Bei seinem Besuch in Kiew sicherte der britische Premier Johnson 120 gepanzerte Fahrzeuge zu und weitere Antischiffsraketen. Die USA haben Militärhilfe in Höhe von 2,5 Milliarden Dollar bereitgestellt, darunter auch schwere Artillerie.
Und selbst kleine Staaten wie Tschechien und Slowakei schicken mittlerweile einzelne Panzer und wollen sogar Kampfflugzeuge der
Ukraine überlassen. Andererseits: Weder die USA noch Großbritannien und andere EU-Staaten wie Frankreich oder Italien liefern bisher Panzer oder Kampfjets. Nicht nur in Berlin herrscht Vorsicht, immer wieder warnen westliche Regierungschefs vor einer zu starken Einmischung.
Doch was könnte Deutschland noch an Systemen bereitstellen? Im Verteidigungsministerium hieß es kürzlich: Es gebe kaum noch Möglichkeiten, die ukrainischen Streitkräfte aus Bundeswehr-Beständen auszurüsten. Um die Landesverteidigung in Deutschland nicht zu gefährden, müssten künftige Waffenlieferungen von deutschen Rüstungsfirmen kommen.
Mit der „Ertüchtigungshilfe“von einer Milliarde Euro könnte Kiew nun tatsächlich direkt bei deutschen Firmen schwere Waffen wie Panzer kaufen. Sobald das Geld aus Berlin geflossen ist. Allerdings müsste die Bundesregierung der Auslieferung noch zustimmen. Das Geld allein nützt der Ukraine nicht.