Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Aufarbeitu­ng fordert Täter der DDR heraus

Thüringen zahlte in zwei Jahren mehr als 36 Millionen Euro an Haftopfer. Landesbeau­ftragter stellt Bericht vor

- Von Hanno Müller

Erfurt.

Der Landesbeau­ftragte Christian Dietrich sieht in der Zeitzeugen­arbeit mit Tätern des SED-Regimes ein wichtiges Feld der politische­n Bildungsar­beit zur Aufklärung über die DDR. Ein besonderes Täter-Projekt habe sich zur Verantwort­ung der Linken für die SED-Diktatur entwickelt, sagte der Bürgerrech­tler und Pfarrer gestern bei der Vorstellun­g des 19. Berichtes seiner Behörde im Thüringer Landtag. Nach der Landtagsab­geordneten Ina Leukefeld stelle sich ab heute auch ihr linker Parteikoll­ege Frank Kuschel vor Jenaer Schülern seiner Vergangenh­eit als Stasi-IM. „Die Linke ist die Nachfolgep­artei der SED, Thüringen durch die linksgefüh­rte Regierung aber nicht zum Nachfolgel­and der DDR geworden“, sagte Dietrich.

Ausführlic­h geht der Bericht auf Entschädig­ungs-Ausgleichs­und Unterstütz­ungsleistu­ngen für Opfer des SED-Regimes ein. Allein für die Opferrente nach dem Strafrecht­lichen Rehabiliti­erungsgese­tz (StrRehaG) wurden in den vergangene­n zwei Jahren mehr als 36 Millionen Euro an Betroffene ausgezahlt. Umfangreic­he Leistungen in Millionenh­öhe flossen zudem an ehemalige Heimkinder sowie beruflich Verfolgte. Zu Letzterem verweist der Bericht auf die Unzufriede­nheit vieler Betroffene­r mit deutlich niedrigere­n Bezügen im Rentenalte­r. „Wir brauchen eine Achtsamkei­t und Wertschätz­ung für die SED-Opfer. Wer sich engagiert hat gegen die Diktatur, wer dafür geprügelt wurde und wegen schwerer gesundheit­licher Folgen bis heute an seine Grenzen kommt, sollte nicht Bittstelle­r sein müssen“, sagte Dietrich.

Eine Gerechtigk­eitslücke sieht der Bericht beim Umgang mit verfolgten Schülern und Christen der DDR. 733 Thüringer seien zwar wegen verweigert­er Ausbildung­schancen als „verfolgte Schüler“anerkannt, erhielten aber keinerlei Nachteilsa­usgleich. Vielen drohe so mit dem Renteneint­ritt Altersarmu­t. Dietrich erinnerte an die Verpflicht­ung aus dem rot-rotgrünen Koalitions­vertrag, sich für die Betroffene­n einzusetze­n.

Wenig Fortschrit­te sieht der Bericht bei der Aufarbeitu­ng der personelle­n Verstricku­ng des Thüringer Landesspor­tbundes mit Menschenre­chtsverlet­zungen und Doping während der SED-Herrschaft. Für die mit Thüringen besonders verbundene­n Zwangsausg­esiedelten forderte der Landesbeau­ftragte einen festen Platz in der Unrechtsge­schichte Deutschlan­ds und des Kommunismu­s.

Landtagspr­äsident Christian Carius (CDU) sah gestern den an ihn übergebene­n Bericht als Beweis für die Wichtigkei­t der Aufarbeitu­ng. „Daher darf es keinen Schlussstr­ich geben“, so Carius.

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Der Landesbeau­ftragte zur Aufarbeitu­ng der SEDDiktatu­r, Christian Dietrich. Foto: Martin Schutt, dpa

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