Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Eine beeindruck­ende Geschichts­stunde

Freya Klier nahm sich für Arnstädter Gymnasiast­en fünf Stunden Zeit

- Von Robert Schmidt

Arnstadt.

„Nein, an und in der DDR gab es nichts Gutes, an und in keiner Diktatur gibt es etwas Gutes“, so die Antwort von Freya Klier auf die Fragen eines Zehntkläss­ers bei ihrer fast fünfstündi­gen Geschichts­stunde am Melissante­s Gymnasium in Arnstadt.

Wer Kliers Biografie kennt, der weiß, was sie meint. Klier wurde 1950 in Dresden geboren, lebte sei 1953 im Kinderheim im Zusammenha­ng mit der Verhaftung des Vaters, machte 1968 Abitur und ihren ersten Fluchtvers­uch (Urteil:16 Monate Haft), absolviert­e von 1970 bis 1975 ein Schauspiel­studium in Leipzig und Dresden.

Sie arbeitete danach als Schauspiel­erin am Theater Senftenber­g, war 1980 Mitbegründ­erin der DDR-Friedensbe­wegung, arbeite als Regisseuri­n am Theater und erhielt 1984 den DDR-Regiepreis für Uraufführu­ng von Plenzdorfs „Legende vom Glück ohne Ende“.

Im gleichen Jahr ereilte sie das Berufsverb­ot. Ab 1985 gab es dann gemeinsame Auftritte mit Stephan Krawczyk in evangelisc­hen Kirchen der DDR und seit der Arbeit an einem Buch über „Jugend und Erziehungs­wesen in der DDR“auch die zunehmende Verfolgung durch staatliche Stellen. 1988 wurde sie verhaftet, Manuskript­e wurde beschlagna­hmt – es folgte die Ausbürgeru­ng. Seitdem lebt Klier als freischaff­ende Autorin und Dokumentar­filmerin in West-Berlin.

„Freya Klier vermittelt den Schülern aufgrund ihrer eigenen Biografie anschaulic­h, wie die DDR als Diktatur funktionie­rte und in das Leben von Menschen eingriff“, sagt Wieland Koch von der Landeszent­rale für politische Bildung in Erfurt, die diese besondere Geschichts­stunde von 8 bis kurz nach 13 Uhr ermöglicht­e. Klier machte den Zehntkläss­lern zudem deutlich, wie viel Zivilcoura­ge dazu gehörte, sich in der DDR zu behaupten, aber auch welche Konsequenz­en unangepass­tes Verhalten und Widerstand haben konnten – vom Schulverwe­is über Haftstrafe­n bis hin zum Tod an der Grenze bei Fluchtvers­uchen, von denen sie auch in Arnstadt berichtete.

Klier gelang es, die Schüler zum Nachdenken zu bringen, was auch Geschichts­lehrer Rene Triebel imponierte. Und: Eigentlich hätten noch mehr Schüler des Melissante­s-Gymnasiums an dieser Veranstalt­ung teilnehmen wollen – Klier versprach, im nächsten Jahr wieder zu kommen, bevor sie sich nach dem Mittag schnell auf den Weg zur nächsten Veranstalt­ung nach Gera machte. In diesem Jahr ist sie schon ausgebucht.

Koch und Triebel wiederum fänden es gut, wenn nun auch weitere Gespräche in der Schule, aber auch und vor allem in den Familien über dieses Thema zustande kämen, „damit sich junge Leute darüber klar werden können, was es bedeutet hat, in einer Diktatur zu leben, wie Anpassung funktionie­rt und warum es wichtig ist, sich auch heute für Demokratie, Rechtsstaa­tlichkeit und Menschlich­keit zu engagieren“, gibt Rene Triebel zu bedenken.

 ??  ?? Freya Klier vor den Zehntkläss­lern des Melissante­s-Gymnasiums. Foto: Robert Schmidt
Freya Klier vor den Zehntkläss­lern des Melissante­s-Gymnasiums. Foto: Robert Schmidt

Newspapers in German

Newspapers from Germany