Thüringer Allgemeine (Arnstadt)
Harte Tage für den Kopf
Hochzeit, Jugendweihe, Geburtstag, Taufe – in den nächsten Wochen drängen sich die fröhlichen Feierlichkeiten.
Und damit die unschönen Gelegenheiten für morgendliche Kopfschmerzen.
Nun gibt es neben den Errungenschaften der Schulmedizin zahllose Haus- und Wundermittel, die gegen den Kater helfen sollen: Pfefferminzöl (auf die Stirn) etwa oder Rollmops (in den Magen). Auch Laugenbrezeln, Tomatensaft und Kräutertee sollen helfen.
In Peru schwört man in diesen Fällen übrigens auf Tigermilch. Im Saft von zwei Limetten werden eine halbe kleine rote Zwiebel, etwas (je nach Geschmack) Chilischote, ein Stängel grob geschnittenes Zitronengras, eine Tomate, eine Stange Staudensellerie, ein walnussgroßes Stück Ingwer, eine kleine Knoblauchzehe und ein halber Teelöffel Salz glatt püriert.
Den dünnen Brei eine Viertelstunde ziehen lassen, dann durchsieben und im Kühlschrank aufbewahren.
Das Gute daran ist: Wenn man es nach durchzechter Nacht doch nicht braucht, kann man damit frischen (!), rohen und in dünne Scheiben geschnittenen Fisch beträufeln – und erhält nach kurzem Marinieren (etwa eine Viertelstunde) ein erfrischendes Frühstück namens Ceviche.
Die Säure der Limetten lässt den Fisch sozusagen garen. Als Gegenpol zur Säure der Limetten eignen sich Mais, Rote Bete oder andere süßlich-milde Beilagen.
Dagegen haben Kopfschmerzen keine Chance. Also erst einmal exportiert das kleine Thüringen Waren im Wert von etwa einer Milliarde Euro pro Jahr ins große Amerika, Tendenz steigend. Die USA haben wiederum seit 1990 mehr als zwei Milliarden Euro bei uns investiert. Damit sind sie unser wichtigster Wirtschaftspartner außerhalb Europas, das wollen wir ausbauen. Wir waren gerade hier in Michigan in Rochester Hills, wo Jenoptik gerade für 15 Millionen Euro einen Technologie-Campus für Messtechnikund Laseranlagen hingestellt hat, von dem die nordamerikanische Automobilindustrie beliefert wird. Das ist eine sehr beeindruckende Geschichte. Allein hier in der Region, in Oakland-County, sind 130 deutsche Unternehmen aktiv, darunter etliche aus Thüringen, von Carl Zeiss, dem Autozulieferer Mitec bis eben Jenoptik. Deshalb kommen wir auch gezielt hierher.
Wie ernst werden Sie in den Gesprächen genommen?
Wir reden auf Augenhöhe miteinander, weil ich auch nicht versuche, hier so eine Art MiniAußenpolitik zu machen und Leuten zusammenzutreffen, die hier das ganz große Rad drehen. Dafür ist die Bundesregierung zuständig, das würde nichts bringen. Wir maßen uns nicht an, was wir nicht sind. Ich treffe mich hier mit maßgeblichen Regionalpolitikern, mit Wirtschafts- und Wissenschaftsvertretern. Die Stadt Rochester Hills zum Beispiel hat 200 000 Einwohner, wenn ich da den Bürgermeister oder die Vertreterin vom hiesigen County treffe, dann werde ich mehr als ernst genommen. Also: Kleiner wird die Nummer größer.
Dennoch, wie funktioniert dieses politische Reisewesen genau?
Vor allem über Gespräche. Die Termine sind sehr eng getaktet, wir pfflegen alte Kontakte und knüpfen neue. Man sollte sich, wie gesagt, nichts vormachen, aber ein Ministerpräsident, der ja hier so als eine Art Gouverneur wahrgenommen wird, kann da durchaus Türen öffnen. Gestern saß ich zum Beispiel mit der Einkaufschefin von Ford zusammen, die wusste genau, wie und wo Thüringen und seine Automobilindustrie einzuordnen ist. Und wenn ich in Chicago mit dem Management von Boeing spreche, dann ist natürlich der Jena-Optronik-Chef Dietmar Ratzsch dabei, der seit 15 Jahren den Konzern hier beliefert. Abgesehen davon geht es ja nicht nur um Industrie . . .
. . . sondern auch Tourismus, gerade jetzt im Luther-Jahr. Sie wollen ihre Mitprotestanten über den Atlantik zur Wartburg nach Eisenach lotsen.
Ist es dafür nicht ein bisschen spät?
Ganz im Gegenteil. Wir haben ja schon vor Jahren damit angefangen, meine Amtsvorgängerin Christine Lieberknecht war ja eigens in den USA. Wir halten auch seit längerem den Kontakt mit dem Lutheranischen Weltbund, zuletzt haben wir uns auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin getroffen. Mit den aktuellen Besucherzahlen sind wir deshalb auch sehr zufrieden. Das läuft. Uns geht es darum, dass diese Entwicklung nicht plötzlich nach dem Reformationsjahr abbricht. Ich werde am Donnerstag auf einem Treffen mit der evangelischen Kirche von Missouri deutlich machen, dass Thüringen sich als Anlaufpunkt für die Lutheraner aus der ganzen Welt versteht. Das habe ich genauso schon vergangene Woche in Namibia gesagt.
Hier in Deutschland werden die Nachrichten über die USA ja vor allem von Donald Trump bestimmt. Dominiert der umstrittene Präsident auch bei Ihnen die Gespräche, wenn der offizielle Teil erledigt ist?
Wie viel weniger, als ich geglaubt habe. Wir sind ja auch nicht in Washington, wir sind in Michigan . . .
. . . einem Staat, den Trump im November überraschend gewonnen hatte.
Was auch daran lag, dass es hier eine regelrechte Deindustrialisierung gab, was enorme soziale Folgen hat. In Detroit, wo wir auch waren, verfallen gerade 70 000 Häuser, das muss man sich mal vorstellen. Das heißt, hier gibt es mindestens so viel Anhänger von Trump wie Gegner. Die meisten aber, das ist jedenfalls mein Eindruck, warten erst einmal ab, was der Neue am Ende wirklich macht. Die Aufgeregtheit, die es bei uns gibt Ach Quatsch. Da gibt es ab und an eine freundlich lächelnde Bemerkung dazu, ansonsten spielt das keine Rolle. Man nimmt mich hier ganz pragmatisch als Chef einer gut funktionierenden deutschen Region wahr, die man als Partner schätzt.
Wie froh sind Sie eigentlich, dass sie mal für ein paar Tage einige Tausend Kilometer vom Thema Gebietsreform entfernt sind?
Ich nehme hier jedenfalls noch stärker zur Kenntnis, was mich auch in Thüringen beschäftigt: Dass es ist immer gut ist, sich in der Welt umzusehen, um den eigenen Horizont zu erweitern. Denn wenn man betrachtet, wie unser Freistaat sich im globalen Maßstab einordnet, mit seiner Wirtschaft, aber auch seiner Verwaltung, dann relativiert sich doch einiges. In OaklandCounty, was hier so eine Art Superlandkreis ist, mit etwa 60 Städten, Verwaltungszentren und Dörfern, leben fast 1,3 Millionen Menschen. Wir haben bei unseren gut zwei Millionen Einwohnern 23 Landkreise und kreisfreie Städte mit fast 850 Gemeinden. Das ist nicht zukunftsfähig, deshalb müssen wir da etwas tun.
Aber vorher schauen Sie doch noch mal schnell in Manhattan vorbei.
Ja, aber nicht, um mir das Blattgold im Trump-Tower anzuschauen. Am Freitag geht es dort um das Bauhaus-Jubiläum. Das ist in New York ein Thema, mit dem wir wuchern können.