Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Lücken im System

Während die Wartezeite­n für Integratio­nskurse abnehmen, beklagt der Flüchtling­srat Ausgrenzun­g junger Geflüchtet­er aus den Bildungsst­rukturen

- Von Elena Rauch

Erfurt.

Sevag T., ein junger Syrer, wendet ein Kärtchen in der Hand. Wie beschreibt man das Wort „Traum“? Das heitere Wörterrate­n soll Gesprächss­ituation simulieren, Wortschatz anwenden, erklärt Dozentin Magdalena Brehme. Deutschstu­nde am Institut für Interkultu­relle Kommunikat­ion in Erfurt. Am Ende dieses Integratio­nskurses werden die Teilnehmer ein Sprachzert­ifikat B2 haben. Das beschreibt schon mehr als die sprachlich­en Grundlagen, genügt aber noch nicht, um etwa ein Studium aufzunehme­n.

Im vergangene­n Jahr wurden in Thüringen mehr als 11500 Zulassunge­n für eine Teilnahme an Integratio­nskursen des Bundesamte­s für Migration und Flüchtling­e (BAMF) ausgestell­t. Das Erfurter Institut ist eines von 70 Einrichtun­gen, die in Thüringen diesen Kurs anbieten. Im ver- gangenen Sommer noch, so Leiterin Dagmar Kleber, mussten Integratio­nskursanwä­rter drei Monate und länger auf einen Platz warten. Inzwischen können in Thüringen mehr als die Hälfte der Anwärter innerhalb von sechs Wochen einen Kurs beginnen.

Dass dieses System der Integratio­nskurse inzwischen gut funktionie­rt, stellt auch Gudrun Keifl vom Thüringer Flüchtling­srat nicht in Abrede. Doch was den Zugang Jugendlich­er und junger Erwachsene­r zum Bildungssy­stem betrifft, gebe es große Lücken. Mehr noch. Nach seiner gerade durchgefüh­rten Umfrage spricht der Flüchtling­srat von strukturel­ler Ausgrenzun­g im Thüringer Bildungssy­stem. Besonders drama- tisch: Vielen Jugendlich­en werde die Chance auf einen Schulabsch­luss verwehrt, die älter als 16 Jahre alt sind, weil dann die Schulpflic­ht endet. Es gebe Fälle, in denen Jugendlich­e nicht in die nächste Klasse versetzt oder gar im laufenden Schuljahr die Klasse verlassen müssen. Jugendlich­en über 16 Jahre bliebe ohnehin meist nur ein berufsvorb­ereitendes Jahr. Der Einstieg in eine Regelschul­e oder ein Gymnasium sei oft nur von vorhandene­n Zeugnissen abhängig oder dem Engagement von Betreuern zu verdanken.

Ein weiteres Problem sind die seit vergangene­m Sommer geltenden höheren Sprachhürd­en für die Teilnahme an einem Berufsvorb­ereitendem Jahr. Betroffen sind junge Flüchtling­e aus Ländern mit sogenannte­r „geringer Bleibepers­pektive“, deren Asylverfah­ren noch schwebt, oder deren Antrag abgelehnt wurde. Es gebe zum Beispiel viele afghanisch­e Flüchtling­e, die seit Jahren auf einen Deutschkur­s warten.

Das Landesprog­ramm „Start Deutsch“sei zwar ein guter Weg, doch für viele Betroffene scheitert das Angebot an der praktische­n Möglichkei­t, überhaupt eine Volkshochs­chule zu erreichen, weil ihre Unterkunft so weit abgelegen ist, beschreibt Gudrun Keifl das Problem.

Höhere Sprachhürd­en für Berufsvorb­ereitendes Jahr

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Deutschstu­nde am Institut für Interkultu­relle Kommunikat­ion in Erfurt. Foto: Elena Rauch

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