Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Vorbesitze­r gesucht

Stiftung Schloss Friedenste­in stellt Ankäufe aus einstigem KoKo-Bestand Schalck-Golodkowsk­is online, um Herkunft der Stücke zu ermitteln

- Von Elena Rauch

Gotha.

Ein Krippenspi­el aus Blech, vermutlich Ende 19. Jahrhunder­t. Ein Bierhumpen mit Metalldeck­el, ein Keramikkru­g in Form eines Schweins. Alter? Unklar. Museumsdir­ektor Martin Eberle hat die Devotional­ien fein auf einem Tisch drapieren lassen. Er wirkt sehr zufrieden. Gerade erst wurde in den oberen Etagen die spektakulä­re Ausstellun­g des Puschkin-Museums eröffnet. Damit haben die Stücke freilich nichts zu tun. Man könnte es auch so sagen: Während die Ausstellun­g oben von seltenen musealen Glanzpunkt­en erzählt, geht es hier um die mühevollen Niederunge­n musealen Alltags. Es geht um Provenienz­forschung.

Ein Wort, das einen medialen Hype erfuhr, als die Kunde vom Fund der Gurlitt-Sammlung über die Kunstwelt hereinbrac­h. Da ging es vor allem um geraubtes jüdisches Eigentum, dass sich 70 Jahre nach Kriegsende noch immer in deutschen Museen befindet. Eine Problemati­k, mit der man in der Gothaer Sammlung wenig zu tun hat, weil zwischen 1933 und 1945 die Stiftung eher verkauft als gekauft hat. Eberle klingt fast erleichter­t, wie er das sagt. Ein Thema ist Provenienz­forschung im Haus trotzdem. Zum Beispiel was die etwa 2000 Depotstück­e betrifft, die den Vermerk „Mühlenbeck“tragen. In dem Brandenbur­ger Ort befand sich in den DDR-Jahren das Großlager der Kunst- und Antiquitä- ten GmbH, ein Exportunte­rnehmen von Schalck-Golodkowsk­is berüchtigt­er KoKo. Aus der Konkursmas­se hatten die Gothaer Museen Ende 1990 Stücke erworben, von denen nicht geklärt ist, auf welchem Weg sie in die Hände der Exporteure gelangt sind. Rechtmäßig verkauft, oder eben nicht. Ob sie zum Beispiel aus dem beschlagna­hmten Wohnungsin­ventar von DDR-Bürgern stammt, die das Land verlassen hatten. Keine seltene Kunstwerke, keine hohen Geldsummen. Eine KätheKruse-Puppe, Porzellan aus Meißen, oder eben eine alte Weihnachts­krippe. Aber das kann, befindet man in der Stiftung, kein Kriterium für späte Gerechtigk­eit sein. Möglicherw­eise haben einige der Stücke für eine Familie Erinnerung­swert, sind auf ihre Weise also unersetzba­r. Um Herkunft und Besitzer zu ermitteln, stellt die Stiftung ab Sonntag den gesamten Mühlenbeck­er Bestand in ihrem Internetau­ftritt online. Der Tag kein Zufall, es ist der internatio­nale Museumstag, der in diesem Jahr genau das zum Thema macht: Spurensuch­e und Verantwort­ung.

Derweil verweist man in der Stiftung im Zuge der Herkunftsf­orschung auf eine Erkenntnis anderer Art. Es geht um den Schädel, den Prinz August von Sachsen-Gotha-Altenburg 1778 aus Pompeji mitbrachte, als Zeugnis des antiken VulkanInfe­rnos. Aber stimmt diese Geschichte? Eine radiometri­sche Datierung des Schädels hat jetzt ergeben: Sein Träger muss lange vor der Vesuv-Katastroph­e verstorben sein. Die Erkenntnis wird wohl folgenlos bleiben. Doch jedes Museum wird bestätigen: Es ist immer besser, mehr zu wissen als vorher.

Spurensuch­e im Mittelpunk­t des Museumstag­s

 ??  ?? Direktor Martin Eberle mit einem Krippenspi­el aus dem Bestand der Mühlenbeck­er Ankäufe. Foto: Peter Riecke
Direktor Martin Eberle mit einem Krippenspi­el aus dem Bestand der Mühlenbeck­er Ankäufe. Foto: Peter Riecke

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