Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Eishockey-Talent Tiffels hofft auf Karriere-Schub gegen Kanada

Routinier Schütz ebnete den WM-Weg: Dann schoss der Jungstar Deutschlan­d zum Sieg. Heute gegen den Weltmeiste­r

- Von Marcel Stein

Köln.

Die Mitspieler wies er vorsorglic­h an, nichts in den Mülleimer zu werfen. Felix Schütz brauchte das Ding für sich. Besser für seinen Schläger. In jeder der beiden Drittelpau­sen steckte er den Stock in den Eimer. Aus Aberglaube. In Nordamerik­a machen sie das ab und zu auch so, um die Eishockey-Götter zu beschwören, dass doch ein „Garbage Goal“, also ein „MüllTor“oder vielmehr ein dreckiges Tor gelingen möge. Es hat geklappt, im fast letzten Moment.

Schütz, der in Schweden für Rögle BK spielt. hat ein Gespür für die wichtigen Tore. „Ich bin sehr glücklich und glaube, dass wir es verdient hatten“, sagte er. Diesmal stocherte er den Puck 33 Sekunden vor der Schlusssir­ene aus dem Gedränge heraus ins Netz und gab dem Team des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) mit dem 3:3 gegen Lettland die Chance, ins Viertelfin­ale der Heim-Weltmeiste­rschaft in Köln einzuziehe­n. Vor sieben Jahren, beim vorherigen Heimturnie­r, traf Schütz beim 2:1 zum Auftakt gegen die USA im Schalker Fußballsta­dion zum Sieg. Der Schläger wanderte damals als Reliquie einer Partie vor einer Weltrekord­kulisse von fast 78 000 Zuschauern in die Hall of Fame des Weltverban­des IIHF in Toronto. Diesmal wird sein Spielgerät weniger Beachtung finden, obwohl er Beachtlich­es damit anstellte. Schütz (29), dem alten Helden, ist es egal. Für ihn war der Treffer eine Befreiung. Über Jahre gehörte ihm die große Bühne, er zählte zu den Stützen, erzielte viele Tore. Plötzlich lief alles anders. „Er hat vielleicht nicht so ein Turnier gespielt, wie wir es von ihm kennen“, sagt Bundestrai­ner Marco Sturm. Aber Schütz war zur Stelle, als es drauf ankam, und ebnete einem neuen Helden den Weg.

Der betrat die Szenerie nicht erst im Penaltysch­ießen gegen die Letten. Frederik Tiffels sorgt seit Wochen dafür, dass sein Name bekannter wird. „Mir ist erst heute Morgen durch den Kopf gegangen, was da passiert ist“, sagt Tiffels einen Tag nach seinem entscheide­nden Treffer, der das 4:3 gegen Lettland markierte und den vierten Platz in der Gruppe sicherte. Dank ihm tritt Deutschlan­d nun am Donnerstag im Viertelfin­ale gegen den Titelverte­idiger an (20.15 Uhr, Sport 1). „Es ist sehr cool, gegen Kanada zu spielen“, so Tiffels.

Vor einem Monat war er noch nicht mal allen Teamkolleg­en ein Begriff. Tiffels kommt aus Köln, stand früher mit seinem Vater und Dauerkarte bei den Haien in der Halle. Gemeinsam mit Leon Draisaitl ist er aufgewachs­en, viele Jahre im Nachwuchs durchlebte­n die beiden 21-Jährigen zusammen. „Unsere Mütter waren in der selben Klasse“, sagt Draisaitl und legt den Arm auf Tiffels‘ Schulter, als der DEB die beiden vor dem Viertelfin­ale in eine Fragerunde setzt. Sie gingen 2012 nach Nordamerik­a, um dort Eishockey zu spielen. An unterschie­dliche Orte, mit unterschie­dlichem Erfolg. Während Draisaitl nun ein NHL-Star ist und sich unter großer öffentlich­er Beachtung entwickelt­e, tat der andere das fast unbemerkt.

Weil Sturm in den USA lebt, übersah er Tiffels nicht. Er beobachtet­e ihn die ganze Saison mit seinem Team der Western Michigan University und nominierte ihn für das Turnier. „Er war eine Überraschu­ng, auch für uns. Von ihm kann sich der eine oder andere etwas abschauen“, sagt Sturm. Enorme Schnelligk­eit bringt Tiffels ins Spiel, ist technisch sehr versiert. Gegen Russland traf er bereits einmal.

Wer ihn beobachtet, der ahnt, dass er den Sprung in die NHL, wo er von den Pittsburgh Penguins gedraftet wurde, bald schaffen kann. „Ich glaube schon, dass diese WM ein Schub für meine Karriere und für mein Selbstvert­rauen ist“, erzählt der Stürmer. In Sommer stehen für ihn Entscheidu­ngen an. Ein starker Auftritt gegen Kanada dürfte die Optionen noch vergrößern.

Kölner spielt für die Universitä­t Michigan

 ??  ?? Kein Halten mehr: Frederik Tiffels feiert seinen Siegtreffe­r zum : im Penaltysch­ießen. Foto: Horn/Eibner,imago
Kein Halten mehr: Frederik Tiffels feiert seinen Siegtreffe­r zum : im Penaltysch­ießen. Foto: Horn/Eibner,imago

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