Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Eine Burka für Martin Luther

- Karsten Jauch über ein verhülltes Erfurter Denkmal

Die blaue Hebebühne reckt sich in die Sonne. Mit einer Folienroll­e umkreist Ingo Bracke den Kopf. Schicht für Schicht wickelt der Künstler die Folie um das Haupt von Martin Luther. Es ist sein Denkmal auf dem Erfurter Anger, das gestern für eine Kunstaktio­n verhüllt wurde: der Sockel mit schwarzer, die Figur mit durchsicht­iger Folie. Wie eine Burka für Luther – die Erfurter machen Selfies.

Darüber kommt ein Flickentep­pich, in den verschiede­ne Wörter eingenäht sind. Die eigentlich­e Performanc­e findet am Samstag statt. Ingo Bracke will LutherZita­te auf das Monument projiziere­n. Das passt zum Motto des Erfurter Kirchentag­es „Licht auf Luther“, hat aber für Bracke eine andere Bedeutung. Die Verhüllung der Person soll den Blick auf das Wort lenken. Das ist im Grunde calvinisti­sches Denken – kein Bild, nur das Wort allein. Welche Worte am Samstag auf dem Denkmal aufploppen, das sei ein Geheimnis des Künstlers, erklärte der Kirchenkre­is Erfurt. Als Ingo Bracke bei seiner Performanc­e im Jahre 2009 den Thüringer Landtag beleuchtet­e, waren es Wörter wie Freiheit und Solidaritä­t. Landesbisc­hof Christoph Kähler sagte dazu: Wir machen heute die Schrift von damals an der Wand wieder sichtbar am Gebäude des früheren Rates des Bezirkes. Die Show wäre allerdings beinahe gescheiter­t. Kurz zuvor gab es sozusagen auf offener Bühne einen Streit der Beteiligte­n mit der damaligen Landtagspr­äsidentin Dagmar Schipanski.

Zum Glück hat der Landesbisc­hof mit Diplomatie die Lage gerettet. Die Kampagne hieß damals „Gesegnete Unruhe“. Das würde auch zum Reformatio­nsjubiläum 2017 passen.

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