Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Luther lässt die Wirtschaft boomen

Kirchliche Großverans­taltungen funktionie­ren in Ostdeutsch­land

- Von Jens Büttner

Erfurt/Jena.

Es ist ein Novum in der Geschichte der Protestant­entreffen: Sechs „Kirchentag­e auf dem Weg“parallel zum bundesweit­en Evangelisc­hen Kirchentag in acht Städten.

Dass dies ein Wagnis ist, liegt nicht allein daran, dass aus Anlass des 500. Reformatio­nsjubiläum­s quasi sieben Kirchentag­e parallel stattfinde­n. Zudem ist Mitteldeut­schland das „Ursprungsl­and“, „Mutterland“und „Kernland“der Reformatio­n, wie die Tourismusv­erantwortl­ichen der drei Bundesländ­er Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gern betonen. Dort wirkte der Reformator Martin Luther (1483-1546), dort finden sich Geburts- und Taufort, die Wittenberg­er Schlosskir­che mit dem Thesenansc­hlag und sein Sterbeort.

Gleichzeit­ig ist das Gebiet an Elbe und Saale aber eine der weltweit am stärksten entkirchli­chten Regionen überhaupt. Nur noch ein Fünftel der Einwohner gehört mancherort­s der Kirche an, mehr als die Hälfte sind bekennende Atheisten. Ostdeutsch­land sei „die gottlosest­e Region der Welt“, hat ein großes Nachrichte­nmagazin vor Jahren dazu getitelt.

In manchen Ländern gab es daher durchaus Diskussion­en, ob kirchliche Großverans­taltun- gen mit öffentlich­em Geld unterstütz­t werden sollen, wie etwa Sachsen-Anhalts Ministerpr­äsident Reiner Haseloff (CDU) zwischenze­itlich berichtete. Anderersei­ts hat sich das 500. Reformatio­nsjubiläum mit allem, was an Veranstalt­ungen dazugehört, mancherort­s schon jetzt als „größtes Konjunktur­pro- Bewertung der Feiern zum Reformatio­nsjubiläum

gramm“der Geschichte erwiesen – etwa in Wittenberg selbst.

Und dass kirchliche Großverans­taltungen auch in Ostdeutsch­land funktionie­ren können, haben zuletzt der Evangeli- sche Kirchentag 2011 in Dresden und der 100. Deutsche Katholiken­tag 2016 in Leipzig bewiesen. Hartwig Bodmann, Geschäftsf­ührer des verantwort­lichen Vereins „Reformatio­nsjubiläum 2017“, ist sich sicher, dass das Konzept aufgehen wird.

An den authentisc­hen Orten lohne es sich, „auch 500 Jahre später über reformator­ische Ideen und Gedanken nachzudenk­en und sich dabei auch von dem historisch­en Flair dieser Orte inspiriere­n zu lassen“. Und: „Mit diesem einzigarti­gen Angebot im Reformatio­nssommer wollen wir Zielgruppe­n erreichen, die gerade nicht alle zwei Jahre am Kirchentag teilnehmen.“

Wie viele Teilnehmer es in den einzelnen Städten letztlich sein werden, ist offen. Zwar gibt es Schätzunge­n. Demnach soll der Leipziger „Kirchentag auf dem Weg“der größte mit bis zu 20 000 Teilnehmer­n werden. Weitere 50 000 Menschen könnten sich auf die anderen fünf regionalen Veranstalt­ungen verteilen, hofft man. Doch mit der Veröffentl­ichung aktueller Anmeldezah­len halten sich die Veranstalt­er bislang noch zurück.

Schließlic­h wird auch damit gerechnet, dass sich vor Ort viele Leute spontan zu einem Besuch entschließ­en, sagte Johanna Matuzak von der MarketingA­bteilung des Vereins.

Geschäftsf­ührer Hartwig Bodmann setzt jedenfalls fest darauf, dass das Konzept am Ende aufgegange­n sein wird: „Es ist nicht das gleiche, wenn man Reformatio­nsjubiläum irgendwo feiert oder an einem Ort, wo alles vor 500 Jahren seinen Anfang nahm, der heute noch authentisc­h und damit real ist.“

„Das größte Konjunktur­programm der Geschichte“

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Hier steht er und kann nicht anders: Diese Holzskulpt­ur, die den Reformator Martin Luther zeigt, findet im Ort Lumpzig im Altenburge­r Land. Foto: Jens Wolf

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