Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Freundlich­e Töne in schwierige­n Zeiten

Steinmeier besucht zum ersten Mal als Bundespräs­ident Polen

- Von Christian Kerl

Frank-Walter Steinmeier ist als Freund nach Polen gekommen, aber eine kritische Spitze erspart er den Gastgebern nicht. Berlin und Brüssel sehen den Rechtsstaa­t in Polen in Gefahr, das kann der Bundespräs­ident kaum ignorieren. „Wir haben uns auf den Rechtsstaa­t als Mittler verständig­t, er ist der Garant von Freiheit und Demokratie“, mahnt Steinmeier am Freitagmit­tag bei einem Besuch der Warschauer Buchmesse. Er wirbt für das Bemühen um Verständig­ung, er warnt vor den „Versuchung­en der Unfreiheit“und politische­r Einflussna­hme auf Kunst und Literatur. Der Bundespräs­ident spricht die Regierung der rechtskons­ervativen PiS-Partei nicht direkt an. Aber jeder versteht, dass es um ihre Eingriffe in Justizsyst­em und Medien geht.

Ein paar Demonstran­ten halten Büchlein mit der polnischen Verfassung hoch, sie werfen der polnischen Regierung und Staatspräs­ident Andrzej Duda Verfassung­sbruch vor. Steinmeier bettet seinen kritischen Hinweis hier in wohlüberle­gte Worte über den Wert der Literatur für das deutsch-polnische Verhältnis, sodass niemand beleidigt sein kann.

Warschau.

Gastgeber Duda nickt mehrmals: Es ist ja offensicht­lich, dass der Bundespräs­ident und seine Frau Elke Büdenbende­r an diesem Freitag nicht zum Antrittsbe­such nach Polen gekommen sind, um die tagespolit­ischen Kontrovers­en anzuheizen. Im Gegenteil: Die beiden Staatsober­häupter konzentrie­ren sich auf die längeren Linien, etwa auf die kulturelle­n Beziehunge­n. Deshalb der Besuch der Buchmesse, bei der Deutschlan­d diesmal Gastland ist. Und deshalb die Gesten, die helfen können, das angeknacks­te Verhältnis wieder zu verbessern.

Schon beim Empfang vor dem Präsidente­npalast ruft der deutsche Gast der Ehrenforma­tion auf Polnisch ein „Guten Morgen, Soldaten“zu. Er habe als Jugendlich­er begonnen, Polnisch zu lernen, es aber bald wieder aufgegeben, erzählt Steinmeier später. Seine Mutter stammt aus Breslau, er hat „sehr persönlich­e Erfahrunge­n mit der gemeinsame­n Geschichte“.

Es ist eine besondere Ehre, dass Steinmeier­s Kolonne auf dem Weg zum Grabmal des Unbekannte­n Soldaten, wo der Präsident einen Kranz niederlegt, von einer Reiterstaf­fel mit 25 Pferden eskortiert wird. Duda preist Steinmeier als Anwalt der deutsch-polnischen Beziehunge­n. „Wir müssen Trennendes überwinden“, fordert der polnische Präsident. „Unsere Rolle ist, Hitzköpfe mit Wasser zu begießen, damit sie nicht zu laut werden.“Das zielt auf Scharfmach­er in beiden Staaten.

Die nationalko­nservative Regierung von Premiermin­isterin Beata Szydlo hat nicht nur antideutsc­he und antieuropä­ische Ressentime­nts geschürt und die deutsche Flüchtling­spolitik torpediert. Große Besorgnis hat sie mit der Entmachtun­g des Verfassung­sgerichts und massiven Eingriffen in öffentlich-rechtliche Medien ausgelöst: Die EUKommissi­on hat Polen unter Beobachtun­g gestellt, am Ende könnte der Entzug der polnischen Stimmrecht­e in der EU stehen – allerdings sind die EULänder uneins, der Ministerra­t hat kürzlich Sanktionen gegen Polen ausgeschlo­ssen.

Zu Duda aber findet Steinmeier einen Draht. Der Staatspräs­ident versucht, seinen politische­n Spielraum gegenüber der Regierungs­partei PiS auszubauen. Er ist zu einigen Reformvorh­aben auf Distanz gegangen und wirbt jetzt für eine Volksdebat­te über die Verfassung. Ein Hoffnungsz­eichen, vielleicht.

Der Bundespräs­ident setzt jedenfalls darauf, dass Polen für die EU noch nicht verloren ist. Ein positives Signal ist vor allem die Verabredun­g Steinmeier­s und Dudas, sich bald mit Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron in Paris zu treffen: Die Einladung liegt schon vor, das Trio will das „Weimarer Dreieck“der drei Staaten nutzen, um die EU aus der Krisenzone zu bringen. „Polen gehört zum Kern Europas“, ruft der Bundespräs­ident den Gastgebern zu. „Polen wird gebraucht, wenn wir die Krise überwinden wollen.“

„Unsere Rolle ist, Hitzköpfe mit Wasser zu begießen.“

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Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier (.v.r.) und seine Ehefrau Elke Büdenbende­r (neben ihm) bei Polens Präsident Andrzej Duda und dessen Ehefrau Agata Kornhauser-Duda. Foto: dpa

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