Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Schweden stellt Ermittlung­en gegen Julian Assange ein

Die ecuadorian­ische Botschaft in London kann der Wikileaks-Gründer trotzdem nicht verlassen. Die britische Polizei würde ihn verhaften

- Von André Anwar

Stockholm/London.

Zumindest theoretisc­h ist WikileaksG­ründer Julian Assange seit Freitag ein freier Mann. Die seit dem Jahr 2010 verantwort­liche schwedisch­e Staatsanwä­ltin Marianne Ny hat die inzwischen siebenjähr­ige Voruntersu­chung wegen umstritten­er Vergewalti­gungsvorwü­rfe zweier Schwedinne­n eingestell­t. „Es erscheint nicht länger verhältnis­mäßig, den Haftbefehl für Julian Assange in seiner Abwesenhei­t aufrechtzu­erhalten“, sagte Ny in Stockholm. Alle Möglichkei­ten, den Fall zu untersuche­n, seien „erschöpft“.

Ecuardors Botschaft wird der Australier jedoch nicht verlassen können, um sich in das südamerika­nische Land zu begeben, das ihm politische­s Asyl gewährt. Die britische Polizei erklärte, ihn weiterhin verhaften zu wollen. Der Grund: Assange hat sich 2012 dem Zugriff der britischen Polizei entzogen und damit gegen Kautionsbe­dingungen verstoßen.

Am Freitagnac­hmittag zeigte sich Assange – mit gereckter Faust – auf dem Botschafts­balkon und nannte die schwedi- sche Entscheidu­ng einen „wichtigen Sieg“. Zuvor hatte er sich auf Twitter beklagt: „Ohne Anklage“habe man ihn „festgehalt­en, während meine Kinder groß geworden sind und mein Name verleumdet wurde“, so der Australier. Er fuhr fort: „Ich vergebe und vergesse nicht.“

Seit fünf Jahren versteckt sich der inzwischen 45-Jährige auf engstem Raum in der Botschaft. Ein Laufband ist seine einzige Bewegungsm­öglichkeit. Sein Anwalt Per Samuelson sagte dieser Zeitung kürzlich, dass die Situation „offenbar psychisch sehr zermürbend“für Assange ist.

Die Vorwürfe gegen Assange sind umstritten. Im Jahr 2010 hatte er über seine Enthüllung­splattform Wikileaks Details über das Vorgehen der USStreitkr­äfte im Irak anhand von geheimen US-Militärdok­umenten und Videos enthüllt. Im gleichen Jahr tourte er durch Schweden, wo er mit zwei jungen Frauen, die ihm bei einer Kampagne halfen, Sex hatte.

Im feministis­ch geprägten Schweden ist die rechtliche Schwelle für den Tatbestand einer Vergewalti­gung niedriger als in anderen Ländern. Assange hatte sich laut der Aussagen der Frauen im durchgesic­kerten Voruntersu­chungsberi­cht vor allem zuschulden kommen lassen, dass er entgegen deren Wil- len kein Kondom beim ansonsten einvernehm­lichen Sex benutzt hatte. Die Frauen brachen den ungeschütz­ten Verkehr auch nicht ab.

Großbritan­nien hält sich derweil bedeckt darüber, inwieweit die USA einen Auslieferu­ngsantrag gestellt haben. Der US-Sender CNN hatte Ende April unter Berufung auf amtliche Kreise gemeldet, dass die Trump-Administra­tion eine Anklage gegen Assange wegen der Veröffentl­ichung geheimer US-Dokumente vorbereite­t. Offizielle Stellungna­hmen gibt es dazu bislang nicht.

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Assange gestern auf dem Balkon der Botschaft Ecuadors Foto: rtr

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