Thüringer Allgemeine (Arnstadt)
Der Film ist kurz, die Kunst ist lang
Chris Dercon will etwas erfinden, hat er der „Zeit“gesagt: etwas, „was noch keinen Namen hat, das vielleicht völlig anders ist als die Kunst oder das Theater oder das Kino, das wir kennen.“Mit dem Ziel tritt der belgische Kurator und Museumschef seine erste Theaterintendanz an, an der Berliner Volksbühne, die dann womöglich kein Theater mehr ist, sondern ein kosmopolitischer Event-Performance-Schuppen.
Etwas völlig anderes hat Dercon jetzt beispielsweise im Kino entdeckt: „Plötzlich gibt es kleine Filme von nur sechseinhalb Minuten.“Er verweist auf den mexikanischen Regisseur Alejandro González Iñárritu („The Revenant – Der Rückkehrer“), der jetzt „Carne y Arena“beim Filmfestival in Cannes vorstellt.
Nun, wir hätten da einen Vorschlag für das, was noch keinen Namen hat: Wie wäre es, sagen wir, mit „Kurzfilm“? In Weimar, wo sonst, arbeiten sie bereits an dieser revolutionären Darstellungsform. Sie tun das zwar gaaanz im Verborgenen, dafür aber, so haben wir aus zuverlässiger Quelle erfahren, bereits im 19. Jahr.
„Backup Filmfestival“nennt sich diese konspirative Versammlung der Avantgarde, bestückt mit Kurzfilmen und Musikvideos aus den geheimen Labors von Studenten und Absolventen der Kunst-, Medien- und Gestaltungshochschulen.
Seit Mittwoch und noch bis zum Sonntag kann man unter Umständen einen verschwörerischen Blick darauf erhaschen, vornehmlich im alten Gaswerk, aber auch im Lichthaus am E-Werk.
Señor Iñárritu ist leider nicht vertreten, dafür aber 407 andere Filme aus 57 Ländern. Was gleichsam bedeutet: Der Film ist kurz, die Kunst im Ganzen lang.
Womit sie einer erweiterten Vision Dercons schon recht nahe kommen. Denn „wenn es daneben auch Filme gibt, die 200 Stunden lang sind“, sagt er,
„dann muss man auch an eine andere Präsentationsform des Films denken.“
Ach ja, da fällt mir ein: Installationen. Die gibt’s beim Backup übrigens auch.