Thüringer Allgemeine (Arnstadt)
Die Menschen lassen sich schon in die Innenstadt locken
Diskussionsrunde im Milchhof zu „Arnstadt zwischen Stillstand und Visionen“
Arnstadt.
Wenn der konservative Georg Bräutigam von Pro Arnstadt und die linke Judith Rüber vor Jahren noch gemeinsam in einer Diskussionsrunde gesessen hätten, dann hätte man eigentlich drauf wetten können, dass irgendwann die Fetzen fliegen. Es war halt nur die Frage wann. Auch hier hat sich in Arnstadt etwas getan – im Stadtrat arbeitetet man mittlerweile fraktionsübergreifend und nicht zum Schlechtesten der Stadt zusammen. Und sitzen die beiden jetzt im Podium, dann entdeckt man einige Gemeinsamkeiten.
Am Donnerstagabend ging es im Milchhof um das Thema „Arnstadt zwischen Stillstand und Visionen“– eine Veranstaltung der Tageszeitung taz, die solche bis zur Bundestagswahl in ganz Deutschland organisiert. Moderiert wurde sie vom tazJournalisten Jan Feddersen.
Es ging natürlich auch um das Ladensterben in der Innenstadt und darum, weshalb hier im Grunde genommen um sieben Uhr abends die Bürgersteige hochgeklappt werden. Und es ging um die Zukunft der Stadt, die nach der Wende über 9000 vor allem junge Menschen verlor, die fast alle Richtung Westen „flohen“, und deren Bevöl- kerung immer älter wird. Es war oft die Rede davon, dass Migranten und deren Integration eine große, wenn nicht die einzige Chance für Arnstadt sei. Tanya Harding, Restaurantbesitzerin in Arnstadt und quasi auch Migrantin aus Kanada, berichtete, dass sie für ihre Küche trotz händeringender Suche keine deutschen Arbeitskräfte fand und drei ausländische einstellte. Und dass in Arnstadt – wenn auch nach langem Kampf – in Sachen Blumenkübel für ihren Außenbereich etwas gehe (wir berichteten). Hadidi Thoumana, der in Ilmenau arabische Lebensmittel verkauft, zeigte sich überrascht, dass das Ladenschlussgesetz es auch ihm – und nicht nur den großen Handelsketten – erlaube, bis 24 Uhr zu öffnen. Das hat ihm offensichtlich noch keiner gesagt.
Stichwort große Handelsketten: Natürlich sei es für die Innenstädte schlecht, wenn auf der grünen Wiese große Märkte entstünden. Die könnten mit Schichtarbeit ganz andere Öffnungszeiten anbieten als der mittelständische oder kleine Händler in der Fußgängerzone, wenn das dann nicht in Selbstausbeutung ausarten solle. Und natürlich läge das mit dem Bürgersteige Hochklappen sowohl am Angebot als aber auch an den Arnstädtern selbst. Die würden zwar gerne meckern, seien aber gar nicht so schlecht. Was man von der Stadtverwaltung nicht immer sagen könne. Linke-Stadtrat Jens Petermann bezeichnete sie als „schläfrig und vor sich hin schnarchend“. Rechtsanwalt Stefan Rienecker vom Unternehmerverein mahnte das „Auslegen von Satzungen mit Augenmaß“an und lobte die Kontakt- und Schiedsstelle zwischen Verwaltung und Unternehmern, Händlern und Gastronomen zum Klären von Fragen.
Wenn man sich darüber klar sei, dass „Arnstadt eben nicht Neapel sei“– so Judith Rüber – und auch nicht mit Erfurt, Weimar oder Jena konkurieren könne, dass die Arnstädter lieber im Garten sitzen würden als abends in der Innenstadt, so sei es doch möglich, sie in eben jene Innenstadt zu locken – wenn dort was geboten wird. Feddersen nannte hier wieder das Stichwort Migranten. Im Urlaub würden Deutsche das abendliche Flair in ihren südländischen Urlaubsorten genießen, jene Migranten könnten das ein Stück weit auch nach Arnstadt holen oder bringen – meist seien sie „Träger der Veränderung“, und sie könnten die Deutschen damit anstecken.
Genrell seien die Arnstädter und Arnstadt nicht so schlecht wie ihr Ruf. Man sei auf einem guten Weg. Wenn auch noch viel zu tun bleibt.