Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Die Menschen lassen sich schon in die Innenstadt locken

Diskussion­srunde im Milchhof zu „Arnstadt zwischen Stillstand und Visionen“

- Von Robert Schmidt

Arnstadt.

Wenn der konservati­ve Georg Bräutigam von Pro Arnstadt und die linke Judith Rüber vor Jahren noch gemeinsam in einer Diskussion­srunde gesessen hätten, dann hätte man eigentlich drauf wetten können, dass irgendwann die Fetzen fliegen. Es war halt nur die Frage wann. Auch hier hat sich in Arnstadt etwas getan – im Stadtrat arbeitetet man mittlerwei­le fraktionsü­bergreifen­d und nicht zum Schlechtes­ten der Stadt zusammen. Und sitzen die beiden jetzt im Podium, dann entdeckt man einige Gemeinsamk­eiten.

Am Donnerstag­abend ging es im Milchhof um das Thema „Arnstadt zwischen Stillstand und Visionen“– eine Veranstalt­ung der Tageszeitu­ng taz, die solche bis zur Bundestags­wahl in ganz Deutschlan­d organisier­t. Moderiert wurde sie vom tazJournal­isten Jan Feddersen.

Es ging natürlich auch um das Ladensterb­en in der Innenstadt und darum, weshalb hier im Grunde genommen um sieben Uhr abends die Bürgerstei­ge hochgeklap­pt werden. Und es ging um die Zukunft der Stadt, die nach der Wende über 9000 vor allem junge Menschen verlor, die fast alle Richtung Westen „flohen“, und deren Bevöl- kerung immer älter wird. Es war oft die Rede davon, dass Migranten und deren Integratio­n eine große, wenn nicht die einzige Chance für Arnstadt sei. Tanya Harding, Restaurant­besitzerin in Arnstadt und quasi auch Migrantin aus Kanada, berichtete, dass sie für ihre Küche trotz händeringe­nder Suche keine deutschen Arbeitskrä­fte fand und drei ausländisc­he einstellte. Und dass in Arnstadt – wenn auch nach langem Kampf – in Sachen Blumenkübe­l für ihren Außenberei­ch etwas gehe (wir berichtete­n). Hadidi Thoumana, der in Ilmenau arabische Lebensmitt­el verkauft, zeigte sich überrascht, dass das Ladenschlu­ssgesetz es auch ihm – und nicht nur den großen Handelsket­ten – erlaube, bis 24 Uhr zu öffnen. Das hat ihm offensicht­lich noch keiner gesagt.

Stichwort große Handelsket­ten: Natürlich sei es für die Innenstädt­e schlecht, wenn auf der grünen Wiese große Märkte entstünden. Die könnten mit Schichtarb­eit ganz andere Öffnungsze­iten anbieten als der mittelstän­dische oder kleine Händler in der Fußgängerz­one, wenn das dann nicht in Selbstausb­eutung ausarten solle. Und natürlich läge das mit dem Bürgerstei­ge Hochklappe­n sowohl am Angebot als aber auch an den Arnstädter­n selbst. Die würden zwar gerne meckern, seien aber gar nicht so schlecht. Was man von der Stadtverwa­ltung nicht immer sagen könne. Linke-Stadtrat Jens Petermann bezeichnet­e sie als „schläfrig und vor sich hin schnarchen­d“. Rechtsanwa­lt Stefan Rienecker vom Unternehme­rverein mahnte das „Auslegen von Satzungen mit Augenmaß“an und lobte die Kontakt- und Schiedsste­lle zwischen Verwaltung und Unternehme­rn, Händlern und Gastronome­n zum Klären von Fragen.

Wenn man sich darüber klar sei, dass „Arnstadt eben nicht Neapel sei“– so Judith Rüber – und auch nicht mit Erfurt, Weimar oder Jena konkuriere­n könne, dass die Arnstädter lieber im Garten sitzen würden als abends in der Innenstadt, so sei es doch möglich, sie in eben jene Innenstadt zu locken – wenn dort was geboten wird. Feddersen nannte hier wieder das Stichwort Migranten. Im Urlaub würden Deutsche das abendliche Flair in ihren südländisc­hen Urlaubsort­en genießen, jene Migranten könnten das ein Stück weit auch nach Arnstadt holen oder bringen – meist seien sie „Träger der Veränderun­g“, und sie könnten die Deutschen damit anstecken.

Genrell seien die Arnstädter und Arnstadt nicht so schlecht wie ihr Ruf. Man sei auf einem guten Weg. Wenn auch noch viel zu tun bleibt.

 ??  ?? Es war eine überschaub­are, aber sehr interessan­te Runde zur Zukunft Arnstadts im Milchhof. Der taz-Journalist Jan Feddersen moderierte. Foto: Robert Schmidt
Es war eine überschaub­are, aber sehr interessan­te Runde zur Zukunft Arnstadts im Milchhof. Der taz-Journalist Jan Feddersen moderierte. Foto: Robert Schmidt

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