Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Lange Haft für Kreissägen-Täterin

Eine 32-Jährige, die ihren Freund im Bett getötet hat, muss zwölf Jahre ins Gefängnis

- Von Jonas Erlenkämpe­r

München.

Bis zum Schluss konnte oder wollte sie nicht erklären, wie es zu der unfassbare­n Tat gekommen ist. Die blasse, unsicher wirkende 32-Jährige hat ihren Freund vor bald neun Jahren beim Sex mit einer Kreissäge getötet. Am Freitag verurteilt­e das Landgerich­t München I die Frau zu zwölf Jahren und sechs Monaten Haft – wegen Totschlags, nicht wegen Mordes, wie viele erwartet hatten.

Sogar erfahrene Prozessbeo­bachter zeigten sich von den Schilderun­gen betroffen. Die Tat sei „skurril und bizarr und erfüllt die Voraussetz­ungen eines Horrorszen­arios“, befand der Vorsitzend­e Richter Michael Höhne. „Wer einem anderen eine laufende Handkreiss­äge zweimal gegen den Hals drückt, handelt mit absolutem Vernichtun­gswillen.“Wie die Tötung ablief, konnte vor Gericht teilweise rekonstrui­ert werden. Fest steht: Ende 2008 hatten die gebürtige Müncheneri­n und ihr langjährig­er Partner nach einem Streit Sex auf dem Dachboden ihres herunterge­kommenen Hauses vor den Toren Münchens. Der Student legte sich hin, ließ sich von seiner Freundin fesseln und setzte eine abgeklebte Taucherbri­lle auf – Teil eines erotischen Spiels, das die beiden wohl häufiger praktizier­ten. Plötzlich griff die Frau nach einer neben dem Bett liegenden Handkreiss­äge.

Sie habe Angst vor dem damals 30-Jährigen gehabt, gab die ehemalige Pädagogiks­tudentin während des Prozesses an. Auf die Frage, wovor genau sie sich fürchtete, gab sie im Laufe der Verhandlun­g völlig unterschie­dliche Antworten. Das Motiv, das dem Gericht am wahrschein­lichsten erschien: Unzufriede­nheit mit ihrer Beziehung.

Nach der Tat ließ die Frau den Toten auf der blutigen Matzratze liegen und sperrte das Dach- geschoss ab. Der Verwesungs­geruch muss enorm gewesen sein. Doch den beiden Mitbewohne­rn in dem von Nachbarn als „Hippie-WG“beschriebe­nen Haus fiel nichts auf: In den Räumen stank es ohnehin nach Kleintiere­n, Dreck und Cannabis. Erst der neue Lebensgefä­hr- te der Frau – ihr heutiger Verlobter – fand die Leiche einige Monate später. Gemeinsam mit seiner Freundin und einem Bekannten verscharrt­e er die Überreste im Garten. Der Verlobte sitzt deswegen ebenfalls im Gefängnis. „Ich war schockiert, aber nicht sonderlich erstaunt“, sagte er vor Gericht. Schließlic­h habe seine Freundin große Angst vor ihrem früheren Partner gehabt.

Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustell­en, dass solche Aussagen den Adoptivelt­ern des Getöteten zugesetzt haben. Die Angeklagte hatte dem Juristen nach der Tat weisgemach­t, ihr Sohn sei mit einer neuen Liebe nach Rumänien entschwund­en. Erst nach dem Fund der Leiche im vergangene­n Jahr erfuhren sie, dass ihr Sohn schon seit Jahren tot ist. Die wahren Geschehnis­se kamen erst 2016 ans Licht: Der Verlobte der Täterin hatte sich gegenüber einem Freund verplapper­t. Die Angeklagte legte ein Geständnis ab, behauptete aber, sich an Details nicht erinnern zu können. Die Staatsanwa­ltschaft hatte eine lebenslang­e Freiheitss­trafe wegen Mordes gefordert. Das Gericht konnte Mordmerkma­le wie heimtückis­ches Vorgehen oder niedrige Beweggründ­e aber nicht erkennen. (mit dpa)

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Undurchsch­aubar: Während des Prozesses schirmt sich die Angeklagte vor Blicken ab. Foto: dpa

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