Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Lust auf Homer

In seinem Buch „Die Odyssee“nähert sich der Altphilolo­ge Jonas Grethlein der Kunst des Erzählens

- Von Sebastian Fischer

Unzweifelh­aft ist sie einer der größten Schätze der Weltlitera­tur: Homers „Odyssee“. Kein Kanon, der etwas auf sich hält, kommt um die so lebendig besungenen Irrfahrten des Odysseus herum, dieses von den Göttern geplagten Königs der Insel Ithaka. Weit bis ins vergangene Jahrhunder­t hinein gehörte in Europa das griechisch­e Epos – neben Homers „Ilias“– zu den Grundlagen jeder Bildung.

In seinem Buch „Die Odyssee“nähert sich der Heidelberg­er Altphilolo­ge Jonas Grethlein der homerische­n Kunst des Erzählens. Was fesselt noch heute von den Abenteuern des listigen Erfinders des Trojanisch­en Pferdes, der nach dem Willen der Götter zehn Jahre über die Meere irrt, bevor er wieder in die Arme seiner Frau Penelope und seines Sohnes Telemach fallen darf?

Für Grethlein ist das Fasziniere­nde an der „Odyssee“, dass sich die Spannung weniger auf das Was – immerhin wird die Heimkehr des Helden schon während der Lektüre von Wahrsagern vorweggeno­mmen – sondern auf das Wie fokussiert. Hier zieht er augenzwink­ernd den Vergleich zu Ian Flemings „James Bond“heran, bei dem auch von vornherein klar ist, dass „007“am Ende jeden Widersache­r zur Strecke bringt.

Die packende Frage lautet bei beiden: Wie wird er sich aus den Gefahren befreien? Bei allen Unterschie­den zu Homer sieht Grethlein in der Parallele zur antiken Literatur eine Erklärung, warum viele Menschen etwa auch Romanzen und Arztromane lesen: Weil es mitreißend sei, „wie ein von Anfang an absehbares Ende erreicht wird“. Die 12 110 Verse der „Odyssee“nennt der 38-jährige Alt- philologe eine „intellektu­elle Herausford­erung und ästhetisch­es Vergnügen zugleich“.

„Sage mir, Muse, die Taten des vielgewand­erten Mannes, / Welcher so weit geirrt, nach der heiligen Troja Zerstörung.“Generation­en von Schülern und Studenten kannten diese ersten Voß’schen Verse der „Odyssee“auswendig.

Homers Epos hat wie kaum ein anderes Werk die abendländi­sche Literaturg­eschichte beeinfluss­t. Durch Grethleins Buch wird einem bewusst, warum das so ist. Es zeigt: Vielleicht ist es (wieder) einmal Zeit, selbst zum Homer zu greifen.

Jonas Grethlein: Die Odyssee. Homer und die Kunst des Erzählens, C. H. Beck,  Seiten, , Euro

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