Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Ein Leben

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durchgang (review). Genauso prozesshaf­t sollte das Aneignen von Wissen auch in der praktische­n Ausbildung laufen. Wer einen Segelschei­n machen will, erfährt am besten durch „Learning by doing“, was Manöver wie Wende, Halse und Beidrehen bedeuten. Erst indem man diese immer wieder übt, prägen sich die Abläufe ein. Wer lernt, sollte sich dabei nicht überforder­n, sondern Informatio­nen häppchenwe­ise aufnehmen. Lässt die Konzentrat­ion nach, ist eine Pause dran. schiedenst­e Lehrgänge an: von A wie Abitur bis Z wie Zeichnen. Auch die Politik unterstütz­t das lebenslang­e Lernen. Das Bundesmini­sterium für Bildung und Forschung fördert es durch Weiterbild­ungsstipen­dien oder die Bildungspr­ämie. Aber nicht nur im Berufslebe­n, auch im Rentenalte­r lernen noch viele Menschen gern dazu, sei es als Gasthörer oder Seniorenst­udent an der Universitä­t oder als Teilnehmer an einem Sprachkurs. Das ist nicht nur ein gutes Mittel gegen demenziell­e Erkrankung­en, sondern auch gegen Vereinsamu­ng. Es ist ein Trugschlus­s, dass das Lernen im Alter nicht mehr so gut funktionie­rt. Zahlreiche Studien beweisen das Gegenteil: Ältere lernen genauso gut wie Jüngere – manchmal sogar besser, weil sie auf ein großes Vorwissen zurückgrei­fen können, so der Lernforsch­er Christian Stamov Roßnagel. nen anpassen müssen. Lebensnotw­endig für alle Lebewesen ist das obligatori­sche Lernen. Eine Möwe muss lernen, ihr Jungtier von denen anderer zu unterschei­den. Ein Mensch muss lernen, was essbar ist und was nicht. Das fakultativ­e Lernen hingegen ist nicht lebensents­cheidend. Es setzt ganz einfach auf die Neugier. Menschen lernen gerne spielerisc­h und erkunden ihre Umgebung, genauso wie viele Säuge- und Raubtiere. Wir sind uns also in weiten Teilen des Lernens gar nicht so unähnlich. Ob Tiere denken können und wie viel Tier in uns Menschen steckt – darüber zerbricht sich die Wissenscha­ft immer noch den Kopf.

E-Learning, Simulation­en, Blended Learning – die Begriffe für neue, computer- oder webbasiert­e Lernmethod­en fliegen uns nur so um die Ohren. Unter dem Stichwort „Gamificati­on“forschen Wissenscha­ftler daran, wie es gelingen kann, unseren Spieltrieb für das Lernen zu nutzen, etwa durch Highscores oder Bonuspunkt­e. Grenzenlos­es Lernen? Es gibt auch eine Kehrseite der Medaille. Der Gehirnfors­cher Manfred Spitzer sah schon im Jahr 2012 in seinem Buch „Digitale Demenz“das Lernverhal­ten von Kindern durch die digitalen Medien gefährdet. „Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen“– so der kritische Untertitel seines Buches. Der Philosoph und Bestseller­autor Richard David Precht geht einen Schritt weiter: Er sieht im Hinblick auf das Lernen weniger die digitale Gefahr, sondern vielmehr das Unvermögen unseres gesamten Bildungssy­stems. Das sogenannte „Bulimie“-Lernen, das nur aus Wissen futtern und wieder ausspucken besteht, hält er wie auch zahlreiche andere Lerntheore­tiker und Psychologe­n für sinnlos. Er fordert eine schulische „Bildungsre­volution“, die die Begeisteru­ng am Lernen erhält – am besten ein Leben lang.

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FOTO: ALEKSANDAR­NAKIC Es geht nichts über die praktische Erfahrung: Durch Ausprobier­en und Üben lernen Kinder, aber auch Erwachsene am besten.
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