Thüringer Allgemeine (Arnstadt)
Täuscht die Ruhe?
über das Unauffällige der Thüringer Rockerszene
Sie fallen in Thüringen kaum noch auf. Motorradrocker der weltweit agierenden Gangs dürfen ihre Insignien – vor allem die Kutten mit Herkunftssymbolen und Rangabzeichen öffentlich nicht mehr tragen.
So etwas bieder Deutsches wie das Vereinsgesetz hat die Szene ausgebremst.
Eine laut aufröhrende Harley kann – muss aber nicht – auf einen Rocker hindeuten. Denn mancher Zahnarzt oder in die Jahre gekommener Architekt, vielleicht sogar Gymnasiallehrer, könnte ja auch gerade seinen Traum auf der Landstraße reiten, ohne Böses zu wollen.
OMCG – Outlaw Motorcycle Gangs – also gesetzlose Motorradbanden: So bezeichnen Ermittler die Rockerclubs, die im Verdacht stehen, auch kriminell aktiv zu sein. Das Thüringer Innenministerium listet insgesamt 33 Standorte von Gruppierungen quer über den Freistaat verteilt als Anlaufpunkte der einzelnen OMCG-Clubs auf.
Gerade ein Ermittlungsverfahren läuft laut Innenministerium aktuell gegen drei Mitglieder eines dieser Rockerclubs. Die Gruppierungen würden sich im Freistaat neutral verhalten, so die Lageeinschätzung.
Der CDU-Abgeordnete Raymond Walk bezweifelt diese Ruhe. Der frühere Polizeidirektor ist überzeugt, dass wegen Personalmangels inzwischen nicht mehr ausreichend Informationen zur Rockerszene vorliegen.
Es ist wie beim Rauschgift: Je intensiver ermittelt wird, desto besser sind die Ergebnisse. Vor knapp zehn Jahren war in Thüringen eine Rockergruppierung ausgehoben und erfolgreich vor Gericht gestellt worden, weil die Bande beim mehrfachen Ausrauben von Supermärkten und Tankstellen gestellt wurde.
CDU-Innenexperte Raymond Walk sieht die Angaben der Landesregierung kritisch. Aus seiner Sicht haben die Sicherheitsbehörden wegen ihres Personalmangels bei der Rockerkriminalität inzwischen Erkenntnislücken. Häufig hätte das Ministerium in seiner Antwort keine Angaben beispielsweise über Mitgliederzahlen machen können. Daher liege die Dunkelziffer der Rocker noch einmal deutlich höher.
Der frühere Polizeidirektor verweist darauf, dass noch immer der Rockererlass gelte, der ein konsequentes Verfolgen von Straftaten dieser Gangs vorschreibe. Zudem gebe es ein In- formationssystem, das früher täglich aktualisiert wurde.
Aus Sicht von Walk täusche die aktuelle Ruhe bei den Rockerclubs in Thüringen.
Auch der ehemalige SPD-Innenpolitiker Heiko Gentzel betont, dass bis zum Ende der vergangenen Legislatur die Informationen der Sicherheitsbehör- den über Rockergruppierungen sehr gut gewesen seien. Damals habe allerdings der Verfassungsschutz noch die Beobachtung der Gangs mit Verdacht auf organisierte Kriminalität geleistet. Inzwischen liegt diese Aufgabe beim Landeskriminalamt.
Keiner der Rockerclubs ist laut Ministerium rechtsextrem. Allerdings hätten einzelne Gruppierungen eine erhöhte Anzahl von Mitgliedern mit Hang zum Rechtsextremismus. Eine Zusammenarbeit beider Gruppierungen finde vor allem bei Rechtsrockkonzerten statt. Demnach stellen die Rocker für solche Konzerte häufiger Lokalitäten und Ordner.