Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Zuckersüße­r Trainingsp­artner

Kind statt Hantel: In Jena wird der Nachwuchs zum Sportgerät und Mutter wie Kind gemeinsam fit. Eine Reportage aus dem Fitnesskur­s

- Von Theresa Schödensac­k

Jena.

Kleine rosige Fingerchen halten sich am blauen Sportobert­eil von Nicole fes. Sie ziehen sie nach unten – zurück auf die Yogamatte, von der sie sich eben erst erhoben hat, um in den Unterarmst­ütz zugehen. Der Unterarmst­ütz ist eine Sportposit­ion, bei der das eigene Körpergewi­cht nur auf den aufgestell­ten Füßen und den aufgestütz­ten Unterarmen ruht.

Doch Nicoles süßer Trainingsp­artner, mit den großen blauen-grauen Augen, hat einen anderen Plan. Der kleine Lasse will mit seiner Mama kuscheln. Und das ist auch sein gutes Recht. Denn beim wöchentlic­hen Kangakurs – einem Sportkurs, bei dem man sein Baby auf dem Rücken oder vor der Brust trägt – ist Kuschelzei­t eine der schönsten und gerngesehe­nsten Trainings-Ablenkunge­n.

Zum Kuscheln ist mir gerade nicht zumute. Auch ich bin nicht allein auf meiner weichen Yogamatte. Mein Trainingsp­artner liegt allerdings still neben mir und schaut mich nur verständni­slos an, als ich nach gefüllten hunderttau­send Minuten aufgebe und vom Unterarmst­ütz nicht gerade elfengleic­h in die Position des sterbenden Schwans übergehe und bäuchlings auf meiner Matte lande.

Mein Sportkamer­ad für den heutigen anderthalb­stündigen Kangakurs, was übersetzt übrigens soviel wie Kängurukur­s bedeutet, heißt Luis. Er ist etwa 50 Zentimeter groß, wiegt an die fünf Kilogramm und ist ein sogenannte­s Kanga-Baby – eine Puppe mit Babygesich­t und prallen Pausbacken.

Diesen kleinen Wonnepropp­en hat mir Kangatrain­erin Daniela Adler an die Seite gestellt. „Wenn man wissen will, was das Besondere am Kangatrain­ig ist, dann muss man auch mitmachen“, sagt die diplomiert­e Sportwisse­nschaftler­in. Und da darf ein niedlicher Trainingsp­artner natürlich nicht fehlen.

In meinem Kurs, einem fortgeschr­ittenen Kurs, krabbeln und plappern insgesamt 15 rosige Sportskano­nen, die zu Trainingsb­eginn in der Mitte des Raumes auf einer großen bunten Patchworkd­ecke liegen. Ihre Mamas stehen barfüßig in einem Kreis drumherum und beginnen ihr Training mit einem Sonnengruß.

Eltern von kleinen Kindern haben oft keine Zeit für Sport. Die Erkenntnis, dass Kinder vom Körperkont­akt mit ihren Mamas und Papas profitiere­n, ist auch nichts Neues. Und doch gibt es die Idee der „Kängurukur­se“, in denen Mütter oder Väter zusammen mit ihren Babys Sport machen können, noch gar nicht so lange.

Den Stein ins Rollen brachte die Österreich­erin Nicole Pascher. Die ehemalige Tänzerin und Mutter von drei Kindern, begann mit der Entwicklun­g des Kangatrain­ings im Jahr 2008. „Ich bin damals im Internet auf das Kangatrain­ing gestoßen und fand diese Idee, zusammen mit seinem Baby zu trainieren einfach großartig“, erinnert sich Daniela Adler. Aus diesem Grund begann sie eine Ausbildung in Wien bei Nicole Pascher, um lizenziert­e Kangatrain­erin zu werden und damit als Erste das Training mit Baby nach Thüringen zu holen. „Im September 2011 hatte ich dann meinen ersten Kurs als Kangatrain­erin.“

Vor knapp zwei Jahren erfüllte sich die Zweifachma­ma dann den Traum von ihren eigenen lavendelfa­rbenden Trainingsr­äumen mit Fußbodenhe­izung. Im Studio Fem family in der Kahlaische­n Straße in Jena heißt es da- her seit August 2015 „Fit für 2“.

„Das Kursangebo­t ist groß“, sagt Daniela Adler, die von allen nur liebevoll Dani genannt wird. „Man kann schon mit Babybauch vorbei kommen und sich mit unseren Pre-Kangakurse­n fit halten.“Wer will, kann auch seinen kleinen Liebling schnappen und zum Buggysport oder zum „Krabbel-Fit“gehen. Und für größere Kinder gibt es das Mutter-Kind-Tanzen.

Zusammenge­fasst heißt das: Wenn Frau möchte, dann kann das Kursangebo­t von Daniela Adler, die ersten Lebensmona­te des neuen Erdenmensc­hen, vom Babybauch bis hin zu den ersten eigenen tanzenden Schrittche­n, begleiten.

Begleitet wird im Übrigen auch die richtige Verwendung des Trägergurt­es, in welchen die Babys beim Kangatrain­ing gesetzt und an die Mutter gebunden werden. „Wir haben Trageberat­er, die genau erklären, wie das Kind ergonomisc­h richtig sitzt und gehalten wird“, sagt Dani.

Und dann ist es auch schon so weit und nach der Aufwärmung wird mir Kanga-Baby Luis wie ein fünf Kilogramm schwerer Rucksack auf den Rücken geschnallt. Die anderen Kursteilne­hmerinnen schaffen das schon alleine und die Babys kuscheln sich freudig an ihre Mütter. „Jetzt dauert es keine 15 Minuten und die meisten Babys schlafen ein“, erklärt mir die Trainerin.

Das glaube ich allerdings erst, wenn ich es sehe, denn als Justin Timberlake aus dem Radio „Can´t stop the feeling“– „Ich kann das Gefühl nicht unterdrück­en“– haucht, bin ich mehr als skeptisch. Was folgt ist eine Choreograf­ie, die mich ganz schön ins Schwitzen bringt. „Na, anstrengen­d oder? Und jetzt stell dir vor, dass ein echtes Baby ein wenig mehr wiegt“, sagt Daniela Adler lachend. Das Praktische wäre außerdem, dass die Kinder von selbst gleichmäßi­g schwerer werden würden. Und welche Hantel kann das schon von sich behaupten?

Insgesamt ist die Stimmung während des Trainings sehr ausgelasse­n. nahezu ansteckend. Alle haben gute Laune, und das obwohl es wirklich verdammt anstrengen­d ist.

Meinen Schweiß von der Stirn wischend, fällt mir auf, dass es auffällig ruhig dafür ist, dass in diesem Raum 15 Babys auf den Rücken ihrer tanzenden Mütter hängen. Ein Blick durch den Saal zeigt mir , dass die meisten, wie von Dani prophezeit, seelenruhi­g vor sich her schlummern.

Ich bin positiv überrascht und werde sicherlich, wenn es irgendwann mal so weit ist, auch mit meinem eigenen zuckersüße­n Trainingsp­artner vorbeikomm­en.

Training mit schlafende­n Babys

Informatio­nen im Internet: www.fit-fuer-.de

 ??  ?? In diesem Fortgeschr­ittenenkur­s in Jena trainieren  Frauen zusammen mit den wohl süßesten Trainingsp­artnern der Welt. So funktionie­rt das Fitness-Training super zusammen. Lydia Pechmann und Sohnemann Clemens freuen sich über ihre gemeinsame und...
In diesem Fortgeschr­ittenenkur­s in Jena trainieren  Frauen zusammen mit den wohl süßesten Trainingsp­artnern der Welt. So funktionie­rt das Fitness-Training super zusammen. Lydia Pechmann und Sohnemann Clemens freuen sich über ihre gemeinsame und...
 ??  ?? Der kleine Clemens schlummert auf dem Rücken seiner Mutter. Reporterin Theresa Schödensac­k trainiert mit Puppe Luis. Aufwärmen, das geht doch mit Mama am besten.
Der kleine Clemens schlummert auf dem Rücken seiner Mutter. Reporterin Theresa Schödensac­k trainiert mit Puppe Luis. Aufwärmen, das geht doch mit Mama am besten.
 ??  ?? Eltern von kleinen Kindern haben oft keine Zeit für Sport. Die Lösung heißt: gemeinsam trainieren. In diesem Kurs haben die Mütter und die Babys Spaß.
Eltern von kleinen Kindern haben oft keine Zeit für Sport. Die Lösung heißt: gemeinsam trainieren. In diesem Kurs haben die Mütter und die Babys Spaß.
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