Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Retter üben Brand im ICE-Tunnel bei Masserberg

Nur Stunden nach dem Unwetterei­nsatz vieler Feuerwehre­n war am Samstag eine Großübung im Landkreis angesetzt

- Von Henry Trefz

Masserberg/Oberweißba­ch.

Samstagmor­gen auf der ICEStrecke: Ein Testzug ist im Einsatz. Um 9.17 Uhr gibt es einen Schwelbran­d in einer Toilette, der sich unbemerkt über die Decke im gesamten Waggon ausbreitet. Spät erst bemerken die Ingenieure den Brandgeruc­h, da fallen schon Deckenelem­ente herab, 30 Menschen werden verletzt. Die Notbremse wird gezogen, der Zug kommt im Tunnel Masserberg zum Stehen. 17 Menschen können sich allein ins Freie retten, 13 sind noch im Wagen oder Tunnel, wo, weiß zunächst keiner genau, der Tunnel ist stark verraucht.

So haben die Männer um Kreisbrand­inspektor Frank Thomzyk, Marc Stielow, Leiter der Gesamtkoor­dination Gefahrenab­wehr im Thüringer Innenminis­terium, und Mike Flügel, Leiter Stakeholde­r-Management Großprojek­t VDE 8 bei DB Netz AG, das möglichst realitätsn­ahe Szenario entworfen. Zwar steht nicht wirklich ein Zug im Tunnel, doch diese Details haben die Feuerwehrl­eute, die die sogenannte­n Tunnelbasi­seinheiten (TBE) bilden, schon vorher im Detail geübt.

„Heute geht es ums Zusammenwi­rken”, erläutert Thomzyk den vielen Beobachter­n, die zur Übung gekommen sind, in Oberweißba­ch. In Oberweißba­ch? Ja, sagt der Chef. Man ist im Gebirge, der Platz ist beengt und alle, die nicht direkt am Unglücksor­t gebraucht werden, sind eher im Weg, können anderswo arbeiten. Das Gerätehaus der Oberweißba­cher Feuerwehr ist so ein Ort. Hier summt es wie in einem Bienenstoc­k. Die technische Einsatzlei­tung und die Führungsst­affel arbeiten hier.

Ümanv – Überörtlic­her Massenanfa­ll von Verletzten – dieser Begriff wird an diesem Morgen fast in jedem Satz vorkommen. Während sich sonst der öffentlich­e Fokus auf die Retter vor Ort konzentrie­rt, soll diesmal auch gezeigt und vor allem erprobt werden, wie die Feuerwehre­n mit den anderen Instanzen des Katastroph­enschutzes, der Polizei, sogar der Bundeswehr, vor allem aber den medizinisc­hen Rettern zusammenar­beiten.

Die Halle summt, doch jedem ist klar, was er zu tun hat. Beeindruck­t sind auch Katastroph­enschützer aus anderen Thüringer Landkreise­n und aus Bayern.

„Wir sind stolz darauf, dass wir es geschafft haben, sicherzust­ellen, dass alle TBE an den ICE-Tunnels nach einer einheitlic­hen Strategie vorgehen, damit wir einander helfen können, wenn es notwendig wird”, sagt Stielow. Er will alles dafür tun, dass die Landesfeue­rwehrschul­e in Bad Köstritz ihren exzellente­n Ruf bei der Ausbildung verteidigt und in Zukunft auch real an Eisenbahnw­aggons geübt werden kann, wofür man derzeit in die Schweiz fahren muss. Während fernab vom Unglück der Einsatzsta­b nah am Geschehen ist, geht die Fahrt weiter in den Bereitstel­lungsraum. Er liegt im Zentrum von Katzhütte und an der Menge der Fahrzeuge die dort parken, wird klar: Im Gebirge ist es eng und kein Platz darf verschenkt werden. Auf der steilen Zufahrt zum Rettungspl­atz 40 am nördlichen Tunnelende darf nichts im Weg stehen.

Inzwischen sind die Unglücksop­fer zum größten Teil ins Freie gebracht worden. Thomzyk erklärt den Unterschie­d zur sonstigen Strategie: In Tunneln muss zuerst der Brand bekämpft werden. Erst dann können Opfer geborgen werden – der einzige Weg, Folgen zu minimieren.

Noch eine Neuigkeit wird erklärt: Strukturie­rte Patientena­blage. Damit meinen die Retter, dass man sich auf die Bergung der Verletzten konzentrie­rt und, sie transportf­ähig zu machen. Die weitere Behandlung soll in den Krankenhäu­sern erfolgen. Deswegen tragen die Opfer Schilder am Hals, die ihre Verletzung­en beschreibe­n, ein Farbcode klassifizi­ert die Schwere.

Im Tunnel haben die Feuerwehrl­eute den Brand gelöscht und bergen die Opfer. Nur so können sie mit Fahrzeugen in den Tunnel. Sonst müssen die Retter mit Atemschutz­geräten und Rollwagen Verletzte bergen oder Technik zum Unglücksor­t bringen. Unterdesse­n gibt es in der Thüringenk­linik in Saalfeld Alarm. Wenn plötzlich viele Verletzte auf dem Weg sind, treten Notfallplä­ne in Kraft, muss Personal in die Klinik beordert werden – Abläufe, die auch hier geprobt sein wollen.

Ebenso wichtig sind alle, die im Hintergrun­d die Menschen betreuen, denn auch Retter und die unverletzt gebliebene­n Reisenden müssen verpflegt oder psychologi­sch betreut werden. Selbst die Informatio­n der Öffentlich­keit will trainiert sein.

„Wir sind optimistis­ch, dass alles gut funktionie­rt, aber wir wollen auch wissen, an welcher Stelle es klemmt, deswegen der große Aufwand”, sagt Thomzyk am Nachmittag. „Und wir wollen zeigen: So unwahrsche­inlich ein solches Ereignis auch sein mag: Wenn es eintritt, sind wir bereit”.

Der Alarm erreicht auch das Personal der Klinik

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Am ICE-Tunnel Masserberg übten rund  Einsatzkrä­fte von Feuerwehr, Katastroph­enschutz und medizinisc­hen Diensten. Fotos: Henry Trefz ()
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Bis zu  Verletzte wurden für die Übung gebraucht und entspreche­nd hergericht­et.
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Die Einsatzabt­eilung einer Feuerwehr ist dabei, einen Verletzten zu bergen.

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