Thüringer Allgemeine (Arnstadt)
Retter üben Brand im ICE-Tunnel bei Masserberg
Nur Stunden nach dem Unwettereinsatz vieler Feuerwehren war am Samstag eine Großübung im Landkreis angesetzt
Masserberg/Oberweißbach.
Samstagmorgen auf der ICEStrecke: Ein Testzug ist im Einsatz. Um 9.17 Uhr gibt es einen Schwelbrand in einer Toilette, der sich unbemerkt über die Decke im gesamten Waggon ausbreitet. Spät erst bemerken die Ingenieure den Brandgeruch, da fallen schon Deckenelemente herab, 30 Menschen werden verletzt. Die Notbremse wird gezogen, der Zug kommt im Tunnel Masserberg zum Stehen. 17 Menschen können sich allein ins Freie retten, 13 sind noch im Wagen oder Tunnel, wo, weiß zunächst keiner genau, der Tunnel ist stark verraucht.
So haben die Männer um Kreisbrandinspektor Frank Thomzyk, Marc Stielow, Leiter der Gesamtkoordination Gefahrenabwehr im Thüringer Innenministerium, und Mike Flügel, Leiter Stakeholder-Management Großprojekt VDE 8 bei DB Netz AG, das möglichst realitätsnahe Szenario entworfen. Zwar steht nicht wirklich ein Zug im Tunnel, doch diese Details haben die Feuerwehrleute, die die sogenannten Tunnelbasiseinheiten (TBE) bilden, schon vorher im Detail geübt.
„Heute geht es ums Zusammenwirken”, erläutert Thomzyk den vielen Beobachtern, die zur Übung gekommen sind, in Oberweißbach. In Oberweißbach? Ja, sagt der Chef. Man ist im Gebirge, der Platz ist beengt und alle, die nicht direkt am Unglücksort gebraucht werden, sind eher im Weg, können anderswo arbeiten. Das Gerätehaus der Oberweißbacher Feuerwehr ist so ein Ort. Hier summt es wie in einem Bienenstock. Die technische Einsatzleitung und die Führungsstaffel arbeiten hier.
Ümanv – Überörtlicher Massenanfall von Verletzten – dieser Begriff wird an diesem Morgen fast in jedem Satz vorkommen. Während sich sonst der öffentliche Fokus auf die Retter vor Ort konzentriert, soll diesmal auch gezeigt und vor allem erprobt werden, wie die Feuerwehren mit den anderen Instanzen des Katastrophenschutzes, der Polizei, sogar der Bundeswehr, vor allem aber den medizinischen Rettern zusammenarbeiten.
Die Halle summt, doch jedem ist klar, was er zu tun hat. Beeindruckt sind auch Katastrophenschützer aus anderen Thüringer Landkreisen und aus Bayern.
„Wir sind stolz darauf, dass wir es geschafft haben, sicherzustellen, dass alle TBE an den ICE-Tunnels nach einer einheitlichen Strategie vorgehen, damit wir einander helfen können, wenn es notwendig wird”, sagt Stielow. Er will alles dafür tun, dass die Landesfeuerwehrschule in Bad Köstritz ihren exzellenten Ruf bei der Ausbildung verteidigt und in Zukunft auch real an Eisenbahnwaggons geübt werden kann, wofür man derzeit in die Schweiz fahren muss. Während fernab vom Unglück der Einsatzstab nah am Geschehen ist, geht die Fahrt weiter in den Bereitstellungsraum. Er liegt im Zentrum von Katzhütte und an der Menge der Fahrzeuge die dort parken, wird klar: Im Gebirge ist es eng und kein Platz darf verschenkt werden. Auf der steilen Zufahrt zum Rettungsplatz 40 am nördlichen Tunnelende darf nichts im Weg stehen.
Inzwischen sind die Unglücksopfer zum größten Teil ins Freie gebracht worden. Thomzyk erklärt den Unterschied zur sonstigen Strategie: In Tunneln muss zuerst der Brand bekämpft werden. Erst dann können Opfer geborgen werden – der einzige Weg, Folgen zu minimieren.
Noch eine Neuigkeit wird erklärt: Strukturierte Patientenablage. Damit meinen die Retter, dass man sich auf die Bergung der Verletzten konzentriert und, sie transportfähig zu machen. Die weitere Behandlung soll in den Krankenhäusern erfolgen. Deswegen tragen die Opfer Schilder am Hals, die ihre Verletzungen beschreiben, ein Farbcode klassifiziert die Schwere.
Im Tunnel haben die Feuerwehrleute den Brand gelöscht und bergen die Opfer. Nur so können sie mit Fahrzeugen in den Tunnel. Sonst müssen die Retter mit Atemschutzgeräten und Rollwagen Verletzte bergen oder Technik zum Unglücksort bringen. Unterdessen gibt es in der Thüringenklinik in Saalfeld Alarm. Wenn plötzlich viele Verletzte auf dem Weg sind, treten Notfallpläne in Kraft, muss Personal in die Klinik beordert werden – Abläufe, die auch hier geprobt sein wollen.
Ebenso wichtig sind alle, die im Hintergrund die Menschen betreuen, denn auch Retter und die unverletzt gebliebenen Reisenden müssen verpflegt oder psychologisch betreut werden. Selbst die Information der Öffentlichkeit will trainiert sein.
„Wir sind optimistisch, dass alles gut funktioniert, aber wir wollen auch wissen, an welcher Stelle es klemmt, deswegen der große Aufwand”, sagt Thomzyk am Nachmittag. „Und wir wollen zeigen: So unwahrscheinlich ein solches Ereignis auch sein mag: Wenn es eintritt, sind wir bereit”.
Der Alarm erreicht auch das Personal der Klinik