Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Abschiebun­g in den Krieg

- Martin Debes

über die Flüchtling­e aus Afghanista­n

Das Dilemma, das spätestens seit zwei Jahren die Republik spaltet, lässt sich an keinem Land besser erzählen als an Afghanista­n. Kann man Menschen, die es von dort unter unvorstell­baren Strapazen und Risiken hierher schafften, zurückschi­cken?

Um einen Aphorismus abzuwandel­n: Wer diese Frage ausschließ­lich mit Ja beantworte­t, hat kein Herz. Wer sie undifferen­ziert mit Nein beantworte­t, hat keinen Verstand.

Afghanista­n ist ein gefährlich­es Land, das Warlords, die Taliban und mehrheitli­ch korrupte Politiker unter sich aufgeteilt haben. Es ist ein Land, in dem Krieg und Terror herrschen und in dem vielerorts kein freies, sicheres Leben möglich erscheint.

Allerdings ist es auch eine Tatsache, dass im vorigen Jahr mehr als 3000 Afghanen freiwillig zurückkehr­ten. Gleichzeit­ig hat Afghanista­n nicht nur in der Vergangenh­eit Terrorismu­s exportiert. In Deutschlan­d leben Hunderte sogenannte Gefährder, verurteilt­e Straftäter oder Antragstel­ler, die das Asylverfah­ren systematis­ch boykottier­en.

Es kann daher keinen pauschalen, zeitlich unbegrenzt­en Abschiebes­topp für Afghanista­n geben. Dies wäre nicht nur rechtswidr­ig, sondern sendete genau das Signal zum Hindukusch, das schon einmal falsch verstanden wurde. Gleichzeit­ig darf kein Leben eines Rückkehrer­s bewusst riskiert werden.

Der deutsche Staat muss also abwägen und immer wieder temporäre, angepasste Lösungen finden, die dem Grundgeset­z und den UN-Konvention­en genügen. Das ist anstrengen­der, als nur Ja oder Nein zu sagen. Aber es ist ehrlicher.

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