Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Der braune Kern

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Die AfD ist zweifarbig. Sie ist so hoffnungsb­lau wie ihre Plakate. Und sie ist so schmutzigb­raun wie die Hemden derer, zur Machtergre­ifung im Januar 1933 mit Fackeln durchs Brandenbur­ger Tor marschiert­en. Und nein, das ist keine linksgrünv­ersiffte Übertreibu­ng.

Gerade gibt sich die Partei sehr viel Mühe, in Blau zu erstrahlen, auch in Thüringen. Es ist Bundestags­wahlkampf. Die Bürger werden von der hiesigen Landtagsfr­aktion zu Dialogvera­nstaltunge­n eingeladen – und die anderen Fraktionen mit Anträgen überhäuft, denen diese vielleicht, in einem anderen Universum, sogar zum Teil zustimmen könnten. Auch die Journalist­en, die noch neulich auf dem winterkalt­en Domplatz nichts als Lügenpress­e waren, werden ausgesucht freundlich behandelt.

Diese Entwicklun­g ist nicht ganz neu und ein Zeichen dafür, dass sich die Partei, die mittlerwei­le in der Mehrzahl der deutschen Landtage sitzt, zunehmend profession­alisiert, ja etabliert. Nach gut zweieinhal­b Jahren haben sich die Abgeordnet­en, die dazu in der Lage sind, in die parlamenta­rischen Prozesse eingearbei­tet. Dabei verstehen sie inzwischen, womit sie bei ihrer Basis Punkte sammeln können – und womit eher nicht.

Einerseits. Anderersei­ts hat das neue Auftreten eben auch damit zu tun, dass die Wahl dräut und die AfD in den Umfragen arg schwächelt. Es scheint nicht einmal mehr völlig sicher zu sein, ob die Partei im September in den Bundestag einzieht. Die dumpfe Radikalitä­t, mit der sie in der Flüchtling­skrise die Massen anzog, verfängt nicht mehr so leicht.

Bundesweit liegt die AfD bei 6 bis 7 Prozent. In Thüringen ist der Wert, wenn für die Landtagswa­hl abgefragt wird, zwar noch doppelt so hoch. Doch von den 30 Prozent plus X, von denen der örtliche AfD-Anführer Björn Höcke neulich redete, ist das doch ziemlich weit entfernt.

Auch hier gilt es zu differenzi­eren. Die immer noch junge Partei lernt gerade das, was ihr von ihrer Natur her gar nicht liegt: die Demut vor dem Wähler. Und sie lernt wie einst die Grünen und heute noch die Linken, dass es schwierig ist, zwischen Macht- anspruch und Fundamenta­loppositio­n zu changieren.

Einerseits. Anderersei­ts sind ihre inneren Widersprüc­he größer als bei jeder anderen Partei, die zuletzt in der Bundesrepu­blik gegründet wurden. Ja, auch bei den Grünen gab es Radikale, gar RAF-Anhänger. Und ja, unter den Linken existieren immer noch Trotzkiste­n, Staliniste­n und alte Stasis. Aber das sind die Ränder, Seitenarme, Rudimente.

In der AfD ist es aber spätestens seit der Abspaltung des sogenannte­n wirtschaft­sliberalen Lagers vor zwei Jahren der Kern, der extremisti­sch ist. In diesem Kern geht um einen anderes, rückwärtsg­edrehtes Staatsgebi­lde, die Wiedergebu­rt des blutsdeuts­chen Reichsvolk­es, die Abschaffun­g der offenen Gesellscha­ft.

Dieser Kern ist braun, wobei die farblichen Abstufunge­n von der bräunliche­n Pegida über die Identitäre Bewegung bis zur dunkelgefä­rbten NPD reichen. In diesem Kern wird von einer neuen Machtergre­ifung geredet, mal öffentlich und indirekt, wie Höcke bei seiner Januarrede in Dresden – und mal insgeheim und direkt, wie bei den jüngst veröffentl­ichten Chat-Protokolle­n der Sachsen-Anhalter AfD.

Der dortige Landeschef André Poggenburg, der mit Höcke den rechtsäuße­ren „Flügel“in der AfD gründete, benutzte dort ganz selbstvers­tändlich die alte Neonazi-Parole „Deutschlan­d den Deutschen“, der auf den NPDDemonst­rationen stets der Ruf „Ausländer raus!“folgte.

Wenn AfD-Bundeschef Jörg Meuthen die Bemerkung als „unklug“bezeichnet und lieber seine Coverversi­on „Dieses Land ist unser Land“empfiehlt, sagt dies eigentlich alles. Auch Höckes Reden sind ja für ihn schlimmste­nfalls „unglücklic­h“. Derweil wird seine Co-Vorsitzend­e Frauke Petry, die noch aus Machtkalkü­l gegen den Thüringer Chef vorging, politisch endgültig erledigt.

Es ist der alte, innere Konflikt. Der braune Kern konstituie­rt die AfD, doch er wird eben auch zum Problem, wenn er zu stark nach außen durchschim­mert. Vor allem im Westen wollen zwar viele Menschen die etablierte­n Parteien nicht mehr wählen – aber eben auch keine Extremiste­n. Und selbst im Osten, wo das rechte bis rechtsextr­emistische Wählerpote­nzial an die 20 Prozent heranreich­t, endet dort die Zustimmung, wo der nackte Nationalso­zialismus beginnt.

Doch man sollte sich nicht täuschen. Die Partei zeigt, was möglich ist in dieser Republik. Und sie belegt jenseits der dümmlichen, von der Antifa verbreitet­en Alle-außer-uns-sind-Nazis-Propaganda, dass der braune Kern nicht nur in ihr steckt, sondern auch in diesem Land. Die AfD kann gar nicht so viel Blau vom Himmel herunterlü­gen, um das zu verbergen.

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