Thüringer Allgemeine (Arnstadt)
Wenn sich der Musik-Himmel auftut
Der MDR-Musiksommer ist mit einem Konzert unter Leitung des Dirigenten Risto Joost im Erfurter Dom eröffnet
Erfurt.
Die wenigen, recht unlustig gestammelten Begrüßungsworte der Programmdirektorin Nathalie Wappler Hagen waren alles andere als eine Werbung für den 26. MDR-Musiksommer mit 43 Konzerten an 37 Spiel- und Lutherorten.
Außerdem wurde das Publikum im bestens gefüllten Mariendom zu Erfurt unruhig, weil es niemand auf die Verzögerung des Beginns aufgrund der Live-Übertragung des Eröffnungskonzertes hinwies. Und manch einer vermutete fragend, dass der Dirigent im Stau stehe. Stand er nicht. Risto Joost, der aus Tallinn stammende Dirigent kam, sah und siegte gemeinsam mit MDR-Sinfonieorchester und Rundfunkchor sowie mit hervorragenden Solisten.
Gleich in den ersten fünf Minuten tat sich der Musik-Himmel auf, denn Orchester und Chor verschmolzen ihre innig schwingenden Mittellagen für Wolfgang Amadeus Mozarts Herz und Sinne ergötzende Motette „Ave verum corpus“. Ungeheuer tief berührt dieses Musterbeispiel klassischer Schlichtheit die Seele, die sich – wie in Dietrich Bonhoeffers Gebet – von guten Mächten wunderbar geborgen fühlt.
Sein 1997 entstandenes Konzert für Violine und Streichorchester widmete der lettische Komponist Peteris Vasks seinem Freund und Geiger Gidon Kremer. Hierin liegt ebenso eine künstlerische Verpflichtung wie im Titel „Tala gaisma“(„Fernes Licht“). Letzteres zeigt sich am Beginn in elektrisierenden Glissandi der Solovioline, deren feine Hochspannung einmündet in die friedvollen Gefilde romantisierender Melodik. Das ferne Licht markiert unbestritten einen Sehnsuchtsort, wel- chen der widerborstige Mittelteil mit seinen expressiven, chaotischen Ausbrüchen zu zerstören sucht. Das Werk von Peteris Vasks ist eine ehrliche, erfühlte Musik, doch auch eine mit irrsinnig schweren Kadenzen.
Mit dem Konzert hatte die 1983 in Leningrad geborene und international gefeierte Geigerin Alina Pogostkina einen phänomenalen Auftritt. Am Ende schließt sich der ferne Lichtkreis und kehrt zu seinen wehmütigen Ursprungsmotiven zurück. Alpha und Omega, Anfang und Ende gleichen dabei dem hochfrequenzartigen Schwirrflug eines Kolibris.
Wolfgang Amadeus Mozarts Messe c-Moll durchpulste emphatische Chor- und Orchesterkraft. Das Solistenquartett mit Elisabeth Breuer (Sopran), Diana Haller (Mezzosopran), Benedikt Kristjansson (Tenor) und Thomas Tatzl (Bass) harmonierte ausgezeichnet.
Den leidenschaftlichsten Ausdruck aber hinterließ die mit einem Königin-der-Nacht-Timbre singende Diana Haller. Und die mitreißende Ausstrahlung der Mezzosopranistin mit kroatisch-italienischen Wurzeln euphorisierte sich im glorreichen „Osanna in excelsis“aller.