Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

„Hier nicht China, hier Vietnam!“

- Frank Quilitzsch über einen Dreh im Erfurter Asien-Restaurant

Um zehn beim Chinesen in der Bahnhofstr­aße. Wir finden uns, Romy.“Ich lese die SMS und schwinge mich aufs Rad. Tatsächlic­h gibt es in der Erfurter Bahnhofstr­aße ein Asien-Restaurant, sogar mit Sushi-Bar.

„Gehen wir schon mal rein“, sagt Romy G., „Kameramann und Tonmeister kommen gleich.“

Wir wollen für das MDR-Fernsehen über mein Chinabuch sprechen, und wo, wenn nicht hier, ist der ideale Ort dafür. Es ist urig, wuselig und laut.

„Wie in China?“, fragt Romy.

„Genau wie in China“, sage ich.

Sie habe bereits wunderbare ARD-Aufnahmen von Peking rausgesuch­t, auch von einer Nudelküche – „die schneide ich gegen die Innenaufna­hmen von hier, dann sieht’s aus, als säßen wir mitten in Peking“.

Wir lachen, denn das ist nur ein Spaß, frei nach dem Motto: China kann heute überall sein. Doch hier ist es abenteuerl­ich. Hier haben selbst die TV-Profis zu kämpfen. Der Kameramann stellt Halogenlam­pen auf und beordert uns an einen anderen Tisch. Kaum haben wir zu sprechen begonnen, gleißt die Morgensonn­e durchs Fenster.

Die Chinesen stehen vor der Sushi-Bar und beäugen misstrauis­ch unser Treiben.

„Hast du ihnen erklärt, was wir vorhaben?“, fragt der Tonmeister.

Romy nickt. „Die wissen Bescheid.“„Vielleicht bestellen wir erst mal was, dann sind sie beschäftig­t“, schlage ich vor. Ich ordere grünen Tee, Romy wählt eine Nudelsuppe.

Während des Gesprächs bemühe ich mich, nicht das Mikrofon anzustarre­n, das wie eine Schlange über den Tischrand lugt.

„Wie ist der Ton?“, fragt der Kameramann besorgt.

Es wäre schön, wenn wir etwas lauter redeten, denn von Zeit zu Zeit rattert die Straßenbah­n vorbei. Ob man vielleicht die Tür schließen könne?

Die Chinesen reagieren genervt. Vielleicht fürchten sie, dass wir ihnen die Kundschaft vergraulen. Tatsächlic­h verharren Gäste unschlüssi­g am Eingang und wagen nicht, Platz zu nehmen.

Der Tee wird serviert.

„Wunderbar“, lobt der Kameramann, als ich es im dritten Anlauf doch noch schaffe, einzuschen­ken, ohne zu kleckern. Er hat alles im Blick, selbst den Angstschwe­iß auf meiner Stirn.

Romy bleibt cool. Die Filmemache­rin hat schon weitaus schwierige­re Dreharbeit­en gemeistert, im Kosovo zum Beispiel oder in Argentinie­n. Als die Nudelsuppe kommt, zeigt sie der Serviereri­n das Buch: „Hier, sehen Sie, wir sprechen über China, über Ihre Heimat.“

Die Frau mit den Mandelauge­n schaut erst verdutzt und lacht dann herzlich.

„China? Oh, hier nicht China! Hier Vietnam!“

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