Thüringer Allgemeine (Arnstadt)
Ein starkes Stück Thüringen
Zweihundertdreiunddreißig Staffeln. Zweitausenddreihundertdreißig Läufer. Einhundertachtundsechzig Kilometer. Neun Wechselstellen. Dazu Start und Ziel, die aus den Nähten platzen. Der Rennsteigstaffellauf ist ein kleines Wunder. Ein faszinierender Laufbetrieb. Mit ganz unterschiedlichen Biorhythmen. Von der Frühschicht am Frankenwald bis zu den späten Spurtern an der Hohen Sonne. Man sieht sich, wenn überhaupt, erst im Ziel. Der Kilometerschnitt, sonst der über alles erhabene Fetisch jedes Läufers, ist hier nur eine von vielen Größen, die den Erfolg bestimmen. Dieser Lauf ist vor allem: Logistik und Verlässlichkeit. Zur rechten
Zeit am rechten Platz sein.
Das gilt für die Starter, die aus ganz Deutschland kommen, wie für die Helfer aus den Vereinen, von Technischem Hilfswerk, Feuerwehr oder DRK-Bergwacht. Die einen kennen die anderen nicht, aber das grüne Herz dieses Laufs schlägt in Blankenstein so zuverlässig wie in Hörschel. Jeder bringt arteigene Stärken ein, aber keiner beharrt darauf.
In nunmehr fast zwei Jahrzehnten hat sich Thüringens zweitgrößter Lauf – seit drei Jahren in der alleinigen Obhut des Rennsteiglaufvereins – immer wieder sanft verändert. Seine Seele hat er nie verloren. Verschobene Wechselstellen tragen dem größerem Aufkommen Rechnung, der umfassendere Service mit berührungsloser Zeitmessung und komfortablerer Ergebnisfindung im Internet zählen zu den inzwischen üblichen Standards.
Es ist der Sport, der (wieder einmal) das schafft, was anderen nicht gelingen will: Ein unsichtbares Band des Zusammenhalts zu knüpfen, vom Schiefergebirge bis zur Wartburg. Und damit ein Stück Thüringer Identität zu stiften, in dem das Gesamtwerk nicht an regionalen Besonderheiten oder Animositäten scheitert.
Der Tourismus im Lande darf sich ein Beispiel nehmen.
Und dann die erste Überraschung. Während die Zuschauer gespannt auf die erste Männerstaffel warteten, war es eine Frau, die als erste Läuferin auf die Zielgerade einbog. Freudig wurde Johanna Schreier von ihren Staffelkollegen auf den letzten 100 Metern abgefangen und zusammen lief das Team Jena nicht nur als Sieger des Mixed-Wettkampfes über die Ziellinie, sondern auch als erste Staffel des Tages überhaupt. Die Mixed- und Frauenstaffeln starten bereits um fünf Uhr und damit eine Stunde vor den Männerstaffeln. „Der Gesamtsieg ist das Sahnehäubchen. Ich freue mich total über die schöne Teamleistung. Das Rennen war sehr spannend und für mich als Schlussläuferin natürlich super aufregend,“erzählte Schreier.
In 11:51:54 Stunden war das Mixed-Team Jena auf den 170 Kilometern Laufstrecke entlang des Rennsteigs knapp fünf Minuten schneller unterwegs, als die zweitplatzierte Staffel vom Laufteam Erfurt.
Keine zwei Minuten nach Schreier kam auch schon Martin Militzke vom Männerteam Rennsteiglaufverein/USV Erfurt angestürmt. Zwar blieb der Vorjahressieger mit einer Zeit von 10:53:15 Stunden deutlich über der Sieg- zeit von 2016, doch gejubelt wurde umso mehr. „Der Sieg heute war alles andere als vorhersehbar. Hinten raus hatten wir Glück, dass sich die X-Runners verlaufen haben. Und obwohl ich als Führender gewechselt habe, habe ich bis drei Kilometer vorm Ziel noch nicht wirklich dran geglaubt,“erzählt Militzke.
„Ich wusste nur, dass Günters Männer hinter uns waren. Bei den Skiläufern weiß man ja nie, wie sie einzuschätzen sind, nur dass sie schnell laufen können. Erst als es bergab ging, wusste ich, dass es für den Sieg reichen wird. Da waren dann meine langen Beine von Vorteil,“lacht er.
Auf das Jubiläum 2018 angesprochen, sagt Militzke: „Aller guten Dinge sind drei.“Bedenken, dass sich seine Jungs verlaufen könnten, hat er nicht: „Dafür haben wir ja Thomas Braun, unsere Radbegleitung. Er ist super verlässlich und kennt sich bestens aus. Er fährt immer die gesamte Strecke, 170 km in zehneinhalb Stunden.“
Verärgert, aber sportlich reagierten die viertplatzierten Männer der X-Runners auf den Fehler ihres neunten Läufers. „Das ist sehr nervig. Dieses Jahr war fast alles perfekt, dann der Patzer und alles ist dahin. Aber das hätte jedem von uns passie- ren können. Schade, dass ich den dritten Platz nicht halten konnte und auf den letzten 500 Metern noch überholt wurde“, sagt Schlussläufer Marius Faber. Auf Platz drei landeten die Harzer Teufel in 11:03:33 Stunden.
Bei den Frauenstaffeln holten sich die Nachwuchs-Skilangläuferinnen der Oßwald Skichas in 13:15:22 Stunden den Sieg zurück, gefolgt von den SportRassbach-Pleßgirls und der LTV Erfurt Montagsgruppe.
Mit der Generalprobe für die Jubiläumsauflage 2018 zufrieden zeigte sich der Gesamtverantwortliche Jürgen Lange: „Wir freuen uns sehr über die positive Entwicklung der letzten Jahre. Keiner bewegt mehr Menschen im Osten als wir. Als Deutschlands größter Staffellauf sind wir bundesweit beliebt. Was uns kennzeichnet, ist auch die legendäre Party am Abend. Das ist quasi die zweite Disziplin nach der eigentlichen Lauf-Leistung.“
Einzigartig ist zudem das Rennsteigbrett, „eine Art Wanderpokal aus Holz, auf dem jährlich die jeweiligen Sieger eingraviert werden“, erklärt Lange.
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