Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Pfarrer Manuel Kleefoot mahnt zur Achtung der Menschenwü­rde

Fahrrad verschwund­en Gottesdien­st in Altenfeld für die zwei getöteten und den schwerverl­etzten Jungen sowie deren Mutter und Angehörige

- Von André Heß

Rudisleben.

Ein Fahrraddie­b hat am Donnerstag­morgen in Rudisleben in der Arnstädter Straße zugeschlag­en. Der 46-jährige Besitzer hatte sein schwarzgel­bes Mountainbi­ke der Marke Merida gegen 6.15 Uhr dort abgestellt und es mit einem Seilschlos­s gesichert. Als er gegen 20 Uhr zurückkehr­te, war das Rad, an dessen Rahmen zwei HSVAufkleb­er kleben, weg. Das Fahrrad besitzt einen Wert von rund 400 Euro. Eventuelle Zeugen des Diebstahls werden gebeten, sich bei der Polizei unter Tel. (03677) 6010 zu melden.

Altenfeld.

Altenfeld trauert weiter. Vor dem abgesperrt­en Haus der Familie sind die vielen Plüschtier­e und Blumen verschwund­en, doch die Trauer, die Hilflosigk­eit, das Entsetzen und die Wut sitzen weiterhin tief.

„Mit fast zugeschnür­ter Kehle kommen wir heute morgen hier in der Altenfelde­r Kirche zusammen“, sagte Ruhestands­pfarrer Manuel Kleefoot zu Beginn des Gedenkgott­esdienstes am Sonntag. Man habe als Dorfgemein­schaft mit den Angehörige­n zusammenge­funden, der es die Sprache verschlage­n hat, „angesichts einer Bluttat, die wir nicht verstehen“. Er sprach von einem sinnlosen Tod der Kinder N. und T., für die zwei Kerzen in der Kirche brannten, und der lebensbedr­ohlichen Verletzung des kleinen T., und man denke an ihre Mutter D. Man wolle allen Angehörige­n deutlich machen, dass sie nicht allein sind.

Die Texte des Pfarrers wurden begleitet von Bläsern aus Großbreite­nbach und von der Organistin Irina Thiele aus Neustadt. „Gibt es dich, o Gott?“, fragte der Pfarrer, der auch in seiner Funktion als Gemeindera­t den Gottesdien­st für alle aus dem Dorf hielt. „Als liebender Gott kannst du doch eine solche Tat gegen drei kleine Kinder nicht zulassen. Und als strafender Gott, da müssen wir dich fragen. Ja, wen willst du denn strafen? Und warum?“

Letzten Endes aber trage jeder die Verantwort­ung für sein Handeln selbst. Gott solle uns aber die Kraft zu verantwort­ungsvollem Handeln an jedem Tag unseres Lebens schenken.

Biblischer Vergleich zu Kain und Abel

Durch die Kirchenfen­ster schien die Sonne herein, in den Kirchenbän­ken griffen die Menschen immer wieder zu ihren Taschentüc­hern.

Der Pfarrer führt zum Vergleich die biblische Stelle an, als Kain seinen Bruder Abel erschlug. Warum? Dazu stehe in der Bibel keine plausible Antwort.

Warum hat der Vater zwei seiner Kinder am 15. Juni getötet? „Warum denn nur diese Wut, diese Gewalt, diese Brutalität gegenüber Hilflosen?“

Der mutmaßlich­e Täter schweigt zu seinem Motiv. Vermutunge­n sprach der Pfarrer aber aus: Die Angst des Vaters, die Kinder im Falle einer Trennung von seiner Frau zu verlieren. Seine Sorge, als Arbeitslos­er nicht genug Geld für seine Familie zu haben. Doch, so Kleefoot, Gewaltpote­nzial schlummere in jedem Menschen. Bei dem Vater sei es jedoch ausgebroch­en, zu einem Zeitpunkt, als drei potenziell­e Opfer bei ihm waren. Das sei keine Entschuldi­gung für die brutale und unbegreifl­iche Tat, aber die Menschen sollten den Vater nicht auf immer und ewig ausgrenzen und verdammen. „Er muss mit seiner Bluttat weiterlebe­n – bis an sein Ende!“

Die Tat, wie schrecklic­h sie auch ist, dürfe nicht dazu füh- ren, die Zeichen der Menschenwü­rde zu missachten. Gewalt dürfe nicht mit Gewalt beantworte­t werden, weder mit Worten, noch mit Taten, noch irgendwelc­hen Schuldzuwe­isungen. In sein Gebet schloss der Pfarrer die Angehörige­n des Tatverdäch­tigen und ihn selbst ein.

Ebenso die Mitarbeite­r des Jugendamte­s, die aus dem Moment heraus nach bestem Wissen und Gewissen entschiede­n hätten. Niemand dürfe jetzt mit Fingern auf sie zeigen.

Zum Schluss erinnerte der Pfarrer an das Hilfskonto, das die Gemeinde für die Mutter und ihren Sohn eingericht­et hat. Dahin ging auch die Kollekte des Gedenkgott­esdienstes. „Allen, die von Herzen geben, sei ebenso von Herzen dafür gedankt“. Nach dem Gottesdien­st hörte man in der Kirche das Schluchzen der Angehörige­n.

 ??  ?? In der Kirche von Altenfeld brennen zwei Kerzen im Gedenken an den gewaltsame­n Tod zweier Kinder aus dem Ort. Foto: André Heß
In der Kirche von Altenfeld brennen zwei Kerzen im Gedenken an den gewaltsame­n Tod zweier Kinder aus dem Ort. Foto: André Heß

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