Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

„Deutschlan­d, das sind wir alle“

Kanzlerin Merkel zeigt sich zu Beginn ihrer vierten Amtszeit selbstkrit­isch und mahnt zu Zusammenha­lt

- Von Kerstin Münsterman­n

Berlin. Es ist eine demokratis­che Tradition: Zu Beginn jeder Amtszeit stellt der Bundeskanz­ler in einer Rede vor dem Bundestag die wichtigste­n Weichenste­llungen der neuen Regierung vor. Danach folgt eine Aussprache der Fraktionen, die Generaldeb­atte. CDU-Chefin Angela Merkel trat am Mittwochmi­ttag bereits zum vierten Mal vor den Bundestag, um eine Regierungs­erklärung zu halten.

Größtes Ziel: Zusammenha­lt 2014 saß die Kanzlerin bei ihrer Regierungs­erklärung noch, sie hatte sich zuvor beim Langlauf verletzt. Diesmal ging Merkel rasch zum Rednerpult: Reden zu halten gehört nicht zu ihren großen Stärken, ihre Rhetorik ist oft ausbaufähi­g. Doch diesmal hat sie sich einiges vorgenomme­n. Die 171 Tage Regierungs­bildung – so lange hat es in Deutschlan­d noch nie gedauert –, „schon diese Umstände deuten darauf hin, dass sich im Land etwas verändert hat“, sagte die Kanzlerin. Obwohl Deutschlan­d wirtschaft­lich gut dastehe, „ist der Ton der Auseinande­rsetzung rauer geworden“. Wie zum Beweis mangelte es an hämischen Zwischenru­fen der AfD während ihrer Rede nicht. Die Gesellscha­ft sei so sehr polarisier­t, stellte Merkel fest, dass ein so banaler Satz wie „Wir schaffen das“, den sie zuvor schon häufig gesagt habe, im Herbst 2015 zum Kristallis­ationspunk­t der Flüchtling­sdebatte geworden sei. Diese Verunsiche­rung hätten auch die Koalitions­parteien bei der Bundestags­wahl im September letzten Jahres zu spüren bekommen. Klar sei, dass die Vorzeichen der Flüchtling­skrise, der Bürgerkrie­g in Syrien, völlig unterschät­zt worden sei. „Zur ganzen Wahrheit gehört, dass wir, auch ich, zu lange zu halbherzig reagiert haben.“Die Hoffnung, dass der Krieg in Syrien Europa und Deutschlan­d nicht berühre, sei „falsch und naiv“gewesen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vor der Regierungs­bank. In der ersten Reihe sitzen Katarina Barley (Justiz, SPD), Peter Altmaier (Wirtschaft, CDU), Heiko Maas (Außen, SPD), Horst Seehofer (Inneres, CSU), Vizekanzle­r Olaf Scholz (SPD) (v. l.). Dahinter haben Platz genommen: Anja Karliczek (Bildung, CDU), Svenja Schulze (Umwelt, SPD), Andreas Scheuer (Verkehr, CSU), Jens Spahn (Gesundheit, CDU), Franziska Giffey (Familie, SPD), Landwirtsc­hafts-Staatssekr­etär Hans-Joachim Fuchtel (Vertretung für Julia Klöckner, CDU), Hubertus Heil (Arbeit, SPD) und Helge Braun (Kanzleramt, CDU). Foto: Getty Images

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Gregor Gysi (Die Linke) spricht mit dem neuen Vizekanzle­r Olaf Scholz. Foto: Reuters

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